In Vino Vanitas?

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    Dass Wein auch ein Statussymbol darstellt, ist kein großes Geheimnis. Natürlich existiert Wein als Getränk nicht in einem neutralen Raum, der frei von sozioökonomischen Zusammenhängen ist. Allein schon das Schlagwort „Genuss“ weist eindeutig in ein Milieu, dass es sich eben leisten kann, aus dem alltäglichen, banalen Zwang von Durst und Hunger auszubrechen, um etwas zu konsumieren, was über Bedürfnisbefriedigung hinausgeht.

    Das sind grundlegende historische Verknüpfungen, die sicher immer noch eine gewisse Rolle spielen. Es gibt auch eine bestimmte Weinmythologie, die sich aus einer elitären Statusfixiertheit zu speisen scheint, und die gerne von denen als solche entlarvt wird, die sich dadurch auf irgendeine Weise vom Weingenuss oder Weintrinken ausgeschlossen fühlen.
    In eine solche Richtung tendiert auch die von Manfred Klimek verfasste und viel diskutierte Zeit-Online-Kolumne „Wein und Wahrheit„, die ihren entlarvenden Auftrag schon im Titel trägt.

    Mir scheint es jedoch, dass auch hier mit viel Polemik Gestus und Wissen in eins gesetzt werden. Der Diskurs, der Weinliebhaberei vor allem mit mystischer Vernebelung, Adjektiven aus einer opaken Geheimsprache und seltsamen Riech- und Geschmacksritualen verbindet, und dementsprechend verurteilt, kommt gerne bodenständig daher. Es wird behauptet, dass Weintrinken hier zu einer Profilierungsgeste verkommt, die vor allem das Brimborium schätzt, das sich um den Wein rankt. Um den Wein selbst ginge es gar nicht.

    Stattdessen halte ich das Gegenteil für richtig: was hier als viel Getue diffamiert wird, ist durchaus eine logische Konsequenz aus einer Beschäftigung mit „dem Wein selbst“. Ich möchte an dieser Stelle gar nicht abstreiten, dass es viele Weintrinker gibt, die sich gerne mit ihrem Weinwissen schmücken und vielleicht auch damit angeben. Aber das kann ja nicht heißen, dass das Wissen selbst überflüssig ist, den Gegenstand vernebelt, oder, was ja durchaus hier mitschwingt, eigentlich Obskurantismus ist. Denn was lediglich als hemdsärmelige Kritik daherzukommen scheint, verneint auf viel grundlegendere Weise den Wert von Weinwissen selbst: was gemeint wird, ist eigentlich, dass ein besonderes Spezialwissen über Wein Unsinn ist.

    Diese extreme Ablehnung soll Klimek gar nicht vorgeworfen werden. Aber „Wein und Wahrheit“ klinkt sich offensichtlich in einen Diskurs ein, in dem das Anhäufen von Wissen über Wein mit hochnäsigem Elitarismus gleichgesetzt wird. Natürlich bietet die Kolumne selbst einiges an Wissen an, was mit viel Aufdeckungsrhetorik als das „richtige“ angepriesen wird. Aber wer mit dem vielsagenden Satz „Schluss mit dem Weingeschwätz!“ wirbt, versucht ganz klar jene Leser anzusprechen, die schon immer wussten, dass ein sorgsamer Umgang mit Wein nichts als eine snobistische Theaterinszenierung oder eine Geheimwissenschaft ist.

    2 Kommentare

    1. Das Eine hat mit dem Anderen insoweit zu tun, dass Sie sich für beides verantwortlich zeichnen, und auf nichts anderes weise ich hier hin. Das tut ja im übrigen auch die Zeit, die explizit auf CaptainCork in Ihrer Kurzbiographie verlinkt. Was den Titel Ihrer Kolumne angeht, bin ich natürlich nicht davon ausgegangen, dass Sie dort zwar schreiben, aber den Titel, unter dem jeder Text von Ihnen erscheint, ablehnen. Vielleicht sollten Sie den dann mal ändern lassen?