„Ich kann Ihnen sagen, wie ein klassischer Syrah zu riechen und zu schmecken hat…“

Sommelier-Urgestein Paula Bosch spricht über die Weinszene von heute und gestern und über ihr neues Buch

Kaum ein Som­me­lier oder eine Som­me­liè­re präg­te die Bran­che in Deutsch­land auf eine ver­gleich­ba­re Wei­se wie Pau­la Bosch. Nach­dem sie 1981 als ers­te weib­li­che Som­me­liè­re Deutsch­lands im Köl­ner Inter­con­ti­nen­tal Hotel ange­heu­ert hat­te, folg­te 1991 der Schritt ins legen­dä­re Mün­che­ner Sterne-Restaurant Tan­tris, wo sie bis 2011 die Wein­kar­te ver­wal­te­te und für den Wein­ser­vice zustän­dig war. Mitt­ler­wei­le ist sie als Kolum­nis­tin, Bera­te­rin und Buch­au­to­rin tätig.

Pau­la Boschs neun­tes Buch

Mit „Ein­ge­schenkt“ erschien 2022 Pau­la Boschs neun­tes Buch. Für den Gesprächs­band traf Pau­la Bosch ihre per­sön­li­chen Weg­be­glei­ter und -berei­ter, Kol­le­gen sowie die Nachwuchs-Protagonisten und damit die nächs­te Gene­ra­ti­on der Bran­che auf ein Glas Wein. Im Dia­log mit Gas­tro­no­men, Win­zern, Wein­händ­lern und Gour­mets nimmt Pau­la Bosch – wie gewohnt – kein Blatt vor den Mund. „Ein­ge­schenkt“ ist dabei viel mehr als ein Alte-Hasen-erzählen-von-früher-Buch. Das zeigt schon die Aus­wahl der Gesprächs­part­ner. Neben Küchen­le­gen­de und Tantris-Chef a.D. Hans Haas trifft Bosch auch jun­ge wil­de wie Dani­el Kur­osh, Som­me­lier der Münch­ner Szene- und Wein-Pizzeria „905“. Wer sich fragt, wo das Sommelier-Handwerk her­kommt und wie­so die Wein­bran­che in Deutsch­land heu­te aus­sieht, wie sie aus­sieht, wird in „Ein­ge­schenkt“ zahl­rei­che Ant­wor­ten finden.

Wein­ken­ner Sie kom­men gera­de aus Ber­lin, wo Sie im Pod­cast Ihres jun­gen Sommelier-Kollegen Wil­li Schlögl „Ter­ro­ir & Adi­let­ten“ zu Gast waren, der­zeit eines der Aus­hän­ge­schil­der der jun­gen, hip­pen, schril­len Wein­bubble. Wie erklä­ren Sie sich selbst das Inter­es­se aus die­ser Ecke an Ihrer Per­son und auch an Ihrem neu­en Buch?

Pau­la Bosch Erst­mal muss ich sagen, dass Wil­li Schlögl ein sehr guter Som­me­lier ist, der ver­steht wo es lang geht und nicht nur weiß, wo man beson­de­re und sel­te­ne Wei­ne her­be­kommt. Er kennt die gan­ze Bran­che, Win­zer, Wein­händ­ler, Som­me­liers und weiß, wie man unter ihnen die inter­es­san­tes­ten Gesprächs­part­ner fin­det. Sein Part­ner Cur­ly und er sind abso­lu­te Pro­fis, ihre Fra­ge­tech­nik und die gan­ze Unter­hal­tung hat mich wirk­lich begeis­tert. Ich kri­ti­sier­te ihn am Ende aller­dings auch in einem Teil sei­ner hip­pen Wein­spra­che. Sie ist zwar durch­aus ange­bracht, aber wenn einem bei jedem zwei­ten Wein die Cha­rak­te­ri­sie­rung „geil“ ein­fällt und man stets über Säu­re, Säu­re, Säu­re spricht, dann kann man das kor­ri­gie­ren. Das ist so ganz und gar nicht mei­ne Wein­spra­che, und Wil­li hat das auch viel bes­ser drauf.

Wein­ken­ner Abge­se­hen von der Wein­spra­che: Was inter­es­siert einen, der rund 30 Jah­re jün­ger ist als Sie, an Ihnen, die Sie einer ganz ande­ren Gene­ra­ti­on angehören? 

Pau­la Bosch Das gestei­ger­te Inter­es­se an mei­ner Per­son und mei­nem neu­en Buch ist für mich nicht unge­wöhn­lich. Man darf hier ja nicht außer Acht las­sen, dass ich die ers­te Som­me­liè­re in Deutsch­land war. Und auch der ers­te Som­me­lier, ob männ­lich oder weib­lich ist ja völ­lig wurscht, der in Deutsch­land vom Gault Mil­lau aus­ge­zeich­net wur­de. Möch­te man die Wein­welt umfas­send beschrei­ben, kann man mich nicht ein­fach umge­hen oder gar weg­las­sen. Als Som­me­liè­re nicht und nicht als Wein­au­to­rin. Mitt­ler­wei­le bin ich beim neun­ten Buch, von den zahl­rei­chen Kolum­nen und Tex­ten mal ganz abge­se­hen. Natür­lich ist es eine gro­ße Ehre für mich, dass so vie­le jun­ge Leu­te zuhö­ren und wis­sen wol­len, was Frau Bosch zu sagen hat. Davon abge­se­hen kann ich auch stolz von mir behaup­ten, dass ich einen sehr guten Job gemacht habe, und das weiß Wil­li auch.

Wein­ken­ner Stich­wort Säu­re: Erkennt man gute Ver­kos­ter und Som­me­liers auch dar­an, dass man mit ihnen über ganz ver­schie­den Wei­ne und Sti­le spre­chen kann?

Pau­la Bosch Ja das kann man. Man­che sind dabei etwas fest­ge­fah­ren. Das ist viel­leicht auch eine Fra­ge der Zeit heu­te. Ich zäh­le mich zu jenen Leu­ten, die das Glück hat­ten, gro­ße Wei­ne aus der gan­zen Welt regel­mä­ßig zu ver­kos­ten und ich kann sie des­halb auch beur­tei­len. Ich beur­tei­le Wei­ne nicht nach Noten, son­dern nach Qua­li­tät und Cha­rak­ter, je nach Typus. Ein Bei­spiel: Ries­ling aus einem säu­re­inten­si­ven Jahr­gang wie 2021 muss auch nach zehn Jah­ren noch Säu­re, Grip und Fleisch mit­brin­gen, dann ist das ein tol­ler Wein. Wenn ich aber einen Char­don­nay aus dem Bur­gund habe, der die­sen klas­si­schen Cha­rak­ter mit Schmelz, But­ter, dezen­tem Honig, aber trotz­dem leben­dig mit Hasel­nuss­tö­nen, über­haupt nicht mehr hat, son­dern nur noch von Säu­re geschwän­gert ist, weil das heu­te dem moder­nen Wein­stil ent­spricht, dann pfei­fe ich dar­auf. Und ich traue ich mich das zu sagen. Ich mag kei­nen Char­don­nay, der so sau­er ist wie ein Ries­ling. Ich lie­be gro­ße Klas­si­ker, wie man sie in der feins­ten Form in einem gro­ßen Jahr­gang immer wie­der bekommt.

Wein­ken­ner Weil Sie denn Fak­tor Jahr­gang anspre­chen: Sie schrei­ben in Ihrem Buch über einen 1979er Petrus, er sei mausetot.

Pau­la Bosch Stimmt, das war in die­sem Fall auf den Jahr­gang 1979 bezo­gen. Ich habe schon vie­le Fla­schen Petrus pro­bie­ren kön­nen und kann das auch heu­te noch zum Glück häu­fi­ger. Im Gegen­satz zu vie­len ande­ren, die oft nur dar­über reden. Auch wenn eini­ge schlech­te Jahr­gän­ge abge­füllt wur­den: nach wie vor ist Petrus ein gro­ßer Wein, eine Iko­ne. Es gibt aber Jah­re wie 1979, die nicht ewig hal­ten. Sie sind dann ein­fach mal tot und das soll­te man bei jedem Wein akzep­tie­ren und nicht Unsum­men für ihn bezah­len. Wein ist immer noch ein Genuss­mit­tel, das zum Trin­ken gemacht wurde.

Wein­ken­ner Wür­de man zehn Wein­ken­nern einen 1979er Petrus auf­ma­chen, trau­ten sich wahr­schein­lich neun nicht zu sagen, dass er ihnen nach 44 Jah­ren Rei­fe nicht mehr schmeckt.

Pau­la Bosch Die­se Ken­ner­schaft spre­che ich 99,9 Pro­zent der Men­schen ab, das ist auch kei­ne Fra­ge des Jahr­gangs. Ich neh­me mich da gar nicht raus. Ich habe mich schon öfter bei Blind­tastings dar­auf ein­ge­las­sen. Mal habe ich mich ver­tan, mal habe ich Glück gehabt, dass ich rich­tig lag. Gera­de die­ses Jahr habe ich ein Blind­tasting gemacht, Freun­de auf die Pro­be gestellt: schau­en wir mal, wer erkennt, wel­che Fla­sche der Romanée-Conti ist und wel­cher Dr. Hegers Spät­bur­gun­der. Die Run­de, Joa­chim Heger war selbst dabei, war begeis­tert vom Heger-Spätburgunder. Romanée-Conti wur­de auch für sehr gut befun­den, aber kei­ner kam auf die Idee, dass er so ein gro­ßes Gewächs zum Ver­gleich im Glas hatte.

Wein­ken­ner Ähn­li­che Erfah­run­gen hat jeder gemacht, der schon ein­mal blind ver­kos­tet hat. Aber weni­ge trau­en sich zu, das so öffent­lich und laut aus­zu­spre­chen wie Sie. Woher kommt die­ser Mut und hat­ten Sie den schon immer?

Pau­la Bosch Als jun­ge Frau in der Wein­bran­che wur­de ich ein Stück weit zum Mut genö­tigt. Ich bin ja damals schon allei­ne nach Frank­reich gefah­ren, ohne die Spra­che wirk­lich zu spre­chen. In den Sterne-Restaurants habe ich meis­tens den schlech­tes­ten Tisch bekom­men, den an der Tür. Ver­mut­lich auch weil ich als Frau und allei­ne da war. Als ich dann die Wei­ne bestellt und mir zu allem Noti­zen gemacht habe, hat sich die Situa­ti­on geän­dert. Häu­fig wur­de in mir fälsch­li­cher­wei­se eine Food- Jour­na­lis­tin vermutet.

Wein­ken­ner Weil Sie Ihre frü­hen Frankreich-Reisen anspre­chen: Sie schrei­ben in Ihrem Buch „jeder Som­me­lier soll­te so viel rei­sen wie möglich“.

Pau­la Bosch In mei­nen ers­ten Jah­ren habe ich noch sechs Tage lang und vier­zehn Stun­den gear­bei­tet und bin den­noch an mei­nem frei­en Tag ver­reist. Als Som­me­lier muss man nicht nur die Wei­ne auf der Kar­te ken­nen, son­dern auch sei­ne Macher, die Win­zer und die Regio­nen. Also macht man sich einen Plan: Wo kann ich hin­rei­sen? Wo soll­te ich mich bes­ser aus­ken­nen? Eine Regi­on ist viel­leicht gera­de nicht so gefragt, aber könn­te kom­men. Da soll­te man hin. Soll ich ins Bur­gund? Nein, der­zeit sicher nicht, weil Bur­gun­der extrem teu­er und rar gewor­den sind. Wegen Ein­zel­fla­schen, manch­mal bekommt man auch drei, muss man sich nicht auf den Kopf stel­len. Des­halb fah­re ich der­zeit nicht unbe­dingt nach Bur­gund. Dafür gehe ich in die Cham­pa­gne. Nicht nur zu den ganz gro­ßen Hai­en wie Veuve Cli­quot, Moët-Hennessy oder Pom­me­ry, son­dern bevor­zugt zu den klei­nen Win­zern, um zu sehen, was sie anders, was sie bes­ser machen. Ein Som­me­lier soll­te mal bei Krug gewe­sen sein, aber selbst­ver­ständ­lich ist es auch von Bedeu­tung, wenn ich mal bei Las­sai­gne oder Pouil­lon gewe­sen bin.

Wein­ken­ner Oder bei Romanée-Conti…

Pau­la Bosch Natür­lich ist es ein High­light, bei Romanée-Conti gewe­sen zu sein, aber davon leben wir ja alle nicht. Und des­we­gen: natür­lich soll­te ein Som­me­lier viel unter­wegs sein. Ich habe mei­ne vier Wochen Jah­res­ur­lau­be mit Wein­rei­sen ver­bracht. Es gibt heu­te aber auch Top-Sommeliers, die ver­wen­den kei­nen ein­zi­gen ihrer frei­en Tage für Wein­rei­sen, son­dern rei­sen in ihrer Arbeits­zeit. Ich bewun­de­re Gas­tro­no­men, die sich einen Som­me­lier leis­ten, und gleich­zei­tig erwar­te ich auch von den Gäs­ten, dass sie ver­ste­hen, wenn er mal nicht anwe­send, son­dern auf Rei­sen ist. Das soll­te aber nicht die Regel sein. Ein Som­me­lier gehört ins Restau­rant, wenn der Gast da ist, wie ein Chef­koch in die Küche.

Wein­ken­ner Es gibt sicher­lich eini­ge Restau­rants, die sehr kom­for­ta­ble Arbeits­be­din­gen bie­ten und, wie von Ihnen ange­spro­chen, Rei­sen ihrer Som­me­liers för­dern. Ihr lang­jäh­ri­ger Arbeit­ge­ber, das Tan­tris, gehört heu­te ver­mut­lich dazu. Wenn man aber die gro­ße Mas­se betrach­tet, erschei­nen vie­le Som­me­liers heu­te fast pre­kär beschäf­tigt. Wie soll man sich denn von einem über­schau­ba­ren Sommelier-Lohn eine Rei­se ins Napa Val­ley leis­ten? Die Wei­ne dort wer­den ja auch nicht günstiger.

Pau­la Bosch Für Wein­rei­sen in Fach­krei­sen gibt es für vie­le Anbau­ge­bie­te Agen­tu­ren und Ver­bän­de, die Som­me­liers ein­la­den. Das war vor 30 Jah­ren schon so und das gibt es teils auch noch heu­te. Wobei ich mit der Ein­la­dungs­po­li­tik nicht immer ein­ver­stan­den bin. Häu­fig wer­den nur Kol­le­gen aus den Spit­zen­be­trie­ben ein­ge­la­den, die schon x-mal in Bor­deaux, Bur­gund oder Kali­for­ni­en waren, da haben die ande­ren gar kei­ne Chan­ce. Aber woher sol­len die jun­gen Som­me­liers es denn wis­sen, wie ein gro­ßer Her­mi­ta­ge, Mon­tra­chet, Romaneé-Conti, Petrus, Caymus, Sas­si­ca­ia oder Gaja gemacht wird, wenn sie nicht ein­ge­la­den wer­den und die Wei­ne auch nicht zu ver­kos­ten bekom­men. Nur die wenigs­ten bekom­men heu­te noch die Gele­gen­heit dazu.

Wein­ken­ner Blei­ben wir bei Frank­reich. In Ihrem Buch schrei­ben Sie: „In den 1970er-Jahren kam alles, aber wirk­lich alles, was in hoch­de­ko­rier­ten Loka­len ser­viert wur­de, aus Frank­reich. Die bes­ten Pro­duk­te wur­den von den Pari­ser Markt­hal­len bezo­gen, die Wei­ne kamen aus Bur­gund, von der Loire, aus der Cham­pa­gne, aus Bor­deaux. Die fran­zö­si­sche Ess- und Trink­kul­tur galt hier­zu­lan­de als das Non­plus­ul­tra.“ Wie hat sich das geändert?

Pau­la Bosch Frank­reich war damals der Nabel der Gour­man­di­se, das ist es heu­te sicher nicht mehr, auch wenn Frank­reich nach wie vor sehr wich­tig ist. Man hat ja den Deut­schen in den 1970ern weder zuge­traut, dass sie kochen kön­nen, noch dass sie Geschmack haben. Als ich im Tan­tris anfing, hat­ten wir fast kei­ne deut­schen Wei­ne im Kel­ler. Ein biss­chen Mosel, Franz Kel­lers Baß­gei­ge aus Baden, er war dort einer der ers­ten Win­zer. Heu­te haben wir in Deutsch­land enorm auf­ge­holt. Und die gro­ße Zukunft kommt erst noch. Deutsch­land wird noch rie­sig von den nach oben geschos­se­nen Burgunder-Preisen pro­fi­tie­ren. Es gibt nicht vie­le Regio­nen, in denen man Pinot Noir anbau­en kann, wie er der­zeit in Deutsch­land wächst und gemacht wird.

Wein­ken­ner Heu­te kann man blind oft gar nicht mehr erken­nen, ob ein Wein aus Baden, dem Bur­gund oder von der Loire kommt. War das frü­her anders?

Pau­la Bosch Ganz anders! Der Begriff Ter­ro­ir war frü­her viel begrenz­ter. Dar­un­ter ver­stand man nichts ande­res als den Boden, auf dem die Reben stan­den. In mei­nem Ver­ständ­nis wird der Begriff missbraucht.

Wein­ken­ner Eini­ge fas­sen ja sogar den Win­zer als Teil des Ter­ro­irs auf.

Pau­la Bosch Und das Wine­ma­king, das Kli­ma und, und, und. Ich kann ihnen sagen, wie ein klas­si­scher Syrah zu rie­chen und zu schme­cken hat. Stel­len Sie mir 100 Wei­ne hin und davon einen Her­mi­ta­ge von Jean-Louis Chave oder den Her­mi­ta­ge La Cha­pel­le von Jabou­let. Den schme­cke ich Ihnen aber garan­tiert raus. Der Ter­ro­irch­a­rak­ter eines Wei­nes, auch einer Reb­sor­te, drückt sich nicht über die Hand­schrift des Win­zers im Wein aus, die­se zeigt sich wie­der­um in sei­nem Stil. Für mich ist Ter­ro­ir nach wie vor die Erde, auf der die Reben stehen.

Wein­ken­ner In ihrem Buch schrei­ben Sie, dass Sie sich über einen wach­sen­den Kreis an jun­gen Leu­ten freu­en, die weni­ger, aber dafür bes­ser trin­ken wol­len. Gab es die frü­her nicht?

Pau­la Bosch Nein. Ich muss­te frü­her viel allein rei­sen, auch weil ich in die bes­ten Restau­rants gehen woll­te, um zu sehen, wie mei­ne Kol­le­gen arbei­ten, was sie wie wann wozu ser­vie­ren. Das, was ich sehen woll­te, war auch ein­fach zu exklu­siv und zu teu­er, so dass ich sel­ten Kol­le­gen im glei­chen Alter hat­te, die mich beglei­ten woll­ten. Davon abge­se­hen, bin ich auch sehr häu­fig mit Eich­bau­ers (red. Anm. den Besit­zern des Tan­tris) in die Wein­welt gereist. Nicht zu ver­ges­sen: Der Nach­wuchs in der Som­me­lie­rie star­te­te vor zwan­zig Jah­ren erst durch. Heu­te gibt es vie­le Treff­punk­te. Dazu die vie­len Gele­gen­hei­ten, in Wein­bars zu gehen. Von Social-Media-Infokanälen nicht zu reden. Ich muss­te mich noch mit Michelin-Straßenkarten ohne Navi­ga­ti­on durch Frank­reich und Ita­li­en quälen .

Wein­ken­ner Sie schrei­ben auch, dass es frü­her unüb­lich war, Wei­ne glas­wei­se aus­zu­schen­ken. Haben ihre Wein­be­glei­tun­gen gehol­fen, unbe­kann­te­re Wei­ne an den Gast zu bringen?

Pau­la Bosch Unge­mein. Frü­her wur­de Wein fast nur fla­schen­wei­se getrun­ken, manch­mal auch als hal­be Fla­sche. Das Kon­zept einer glas­wei­sen Wein­be­glei­tung zum Menü, einer damals von mir so genann­ten Wein­rei­se, habe ich im Tan­tris ein­ge­führt. Wir waren nach mei­nem Wis­sen das ers­te Restau­rant, das damals glas­wei­se gro­ße Wei­ne wie Mou­ton, Lafite, La Tâche oder Mon­tra­chet aus­ge­schenkt hat. Zu den ers­ten Gän­gen habe ich klei­ne­re Gewäch­se ser­viert und mich danach gestei­gert bis hin zu den bes­ten. Wir haben im Tan­tris auch Wei­ne zu den Mit­tags­me­nüs ser­viert, die wir zum Bei­spiel in Chi­le oder Süd­afri­ka für unter fünf Mark ein­ge­kauft haben.

Wein­ken­ner Sind Sie bei man­chen Gäs­ten nicht auch ange­eckt, wenn Sie im Sterne-Restaurant Char­don­nay aus Baden statt Meurs­ault aus dem Bur­gund ser­viert haben?

Pau­la Bosch Natür­lich, klar habe ich auch Char­don­nay aus Baden emp­foh­len. Ich habe immer ver­sucht, Bekann­tes und Unbe­kann­tes zu prä­sen­tie­ren. Nur Unbe­kann­tes hät­te Vor­tei­le, aber auch Nach­tei­le gehabt. Sie und ich, wir freu­en uns, wenn wir sie­ben unter­schied­li­che Wei­ne trin­ken und kei­nen ken­nen. Vie­le ande­re möch­ten sich dar­auf nicht ein­las­sen. Die Erfah­rung mache ich oft in Restau­rants, heu­te beson­ders wenn vie­le Orange- und Natur­wei­ne aus­ge­schenkt wer­den. Damit kön­nen vie­le Gäs­te nichts anfan­gen, ver­ste­hen die Wei­ne nicht. Sie wer­den von den Som­me­liers meist nicht abge­holt, weil sie sich nicht trau­en zu sagen, dass ihnen der Wein nicht schmeckt. Ich mei­ne, hier soll­ten Alter­na­ti­ven gebo­ten wer­den. Soll­te der Gast gefragt wer­den, was er ger­ne trinkt. Und wenn ein Gast sagt, er trin­ke kei­nen Müller-Thurgau und möch­te auch kei­nen trin­ken, dann soll­te der Som­me­lier ihn nicht zu über­zeu­gen, dass er einen beson­ders guten hat. Aber: Sie kön­nen sein Ver­trau­en gewin­nen. Und wenn Sie das geschafft haben beim vier­ten, fünf­ten oder sechs­ten Besuch, stel­len Sie ihm mal blind einen Müller-Thurgau hin. Dann ist er nicht belei­digt, son­dern fühlt sich gebauch­pin­selt, weil Sie auf ihn zuge­kom­men sind. Und plötz­lich hat er etwas ken­nen­ge­lernt, das er eigent­lich immer abge­lehnt hat. Das die Kunst der Sommelierie.

Pau­la Bosch (mit Dia­na Binder)

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