Erinnern wir uns: Die Bezeichnung Blanc de noir stammt aus der Champagne. Dort werden die roten Sorten Pinot noir (Spätburgunder) und Pinot Meunier (Schwarzriesling) stets zu Weißwein gekeltert. Dieses Kunststück, einen Weißen (blanc) aus Trauben mit dunkler Beerenhaut (de noirs) zu machen, gelingt nur, wenn man die Trauben nach der Lese sehr schnell abpresst. Denn das Fruchtfleisch, aus dem der Saft rinnt, ist farblos, die Farbstoffe sitzen einzig in der Beerenhaut.
Bringt man gesunde, unverletzte Trauben vom Stock direkt zur Kelter, haben die Farbstoffe keine Zeit, aus der Schale in den Most überzutreten. Von der Kelter fließt ein heller Most. Die Delikatesse seiner Aromen ist eines der vielen bewundernswerten Motive eines guten Champagners.
Sie wollen mehr über Blanc de noirs Weine erfahren?
Hier weiterlesen: Weinmaleins: Alles über Blanc de Noir(s)
Nun höre ich schon die empörten Zwischenrufe: Warum soll das nur in Frankreich funktionieren? Wein-Chauvinist! Doch ich antworte: Denkfehler!
Es geht hier nicht um Deutschland oder Frankreich, es geht um die Motivationslage der Winzer.
In der Champagne sind es gesunde, reife, hochwertige Trauben, die so behandelt werden. Schließlich dienen die mit dunklen Sorten bestockten Weinberge einzig und allein der Produktion von Blanc de noir (in Frankreich übrigens meist Blanc de noirs geschrieben).
Aus Trauben dritter Wahl gewonnen
Hierzulande hingegen streben die Winzer zuallererst danach, Rotwein zu keltern. Die reifsten, gesündesten Trauben, sei es Spätburgunder, sei es eine andere dunkelfarbige Sorte, bleiben ganz selbstverständlich der Erzeugung von Rotwein vorbehalten! Aus den zweitbesten Trauben oder aus dem Ablaufsaft einer Rotwein-Maische macht man pastellfarbenen Weißherbst oder Rosé. Und welche Trauben nimmt man für den Blanc de noir?
Um diese Frage zu beantworten, sollten wir einen Blick in die mäßig appetitlichen Tiefen der Kellertechnik werfen. Der durchschnittliche deutsche Winzer nämlich hat bei der Blanc de noir-Produktion zwei Probleme:
Erstens stehen ihm nur angefaulte Trauben zur Verfügung – die gesunden braucht er ja für den Rotwein (hoffentlich!).
Zweitens finden in Bottichen mit angematschtem Lesegut die Farbstoffe der Beerenhaut in kürzester Zeit den Weg in den Saft. Und da dann schon alles schwimmt, bevor die Ernte auf der Presse ist, lösen sich auch die muffigen Aromen des Fäulnis-Pilzes [intlink id=“8255″ type=“post“]Botrytis cinerea[/intlink] in den Most. Ahnen Sie, was ich meine?
Ohne Kohle geht es nicht
Bei der Bekämpfung dieser beiden Feinde – Farbe und Fäulnis – hat der auf Teufel komm raus zur Herstellung eines Blanc de noir entschlossene Winzer jedoch einen mächtigen Hilfssheriff zur Verfügung: die Aktivkohle. In den Most gerührt, bindet sie zuverlässig die unerwünschten Farbpartikel. Da Kohle über eine immens große innere Oberfläche verfügt, kann sie neben den Rosatönen auch die Botrytis-Aromen absorbieren. Später wird die Kohle einfach rausfiltriert. Das ist weder gesundheitsschädlich noch sonst irgendwie verwerflich. Ohne jeden Zweifel gehört die Kohle zu den harmlosesten Substanzen, die das Weinrecht dem Winzer in seinen Notfallkoffer gepackt hat.
Also alles bestens? Mitnichten. Denn zusammen mit Farbe und Fäulnis entfernt die Kohle auch das Beste, das die Traube zu bieten hat: die Frucht.
Die Resteverwertung à la Blanc de noir gibt es in diesen Ausmaßen nirgendwo sonst in Europa. Dort werden faule Rotweintrauben weggeworfen (bzw. kompostiert). Mag ja sein, dass deutsche Winzer – besonders die meiner badischen Heimat – den farblosen Glanz im Glas für eine Zier halten:
Ich nenne diesen Wein einen, den die Welt nicht braucht.
Und trinke, wenn es schon unbedingt ein neutraler Weißer sein soll, lieber einen [intlink id=“9219″ type=“post“]Gutedel[/intlink]. Zum halben Preis. Mit doppeltem Genuss.
Neugierig geworden? Selbst probieren!
Probieren Sie selbst einen Blanc de Noirs Wein und machen Sie sich Ihr eigenes Bild. Das sind die Empfehlungen der Weinkenner Redaktion:
- 2017 No 1 AHR-Spätburgunder „Blanc de Noir“ (Brogsitter)
- Blanc de Noir Sekt (Brogsitter)
- 2017 Ahr Blanc de Noir Spätburgunder feinherb (Weingut Nelles)
- 2017 Ahr Blanc de Noir Spätburgunder trocken (Weingut Nelles)
- 2016 Blanc de Noir Spätburgunder „Illusion” (Meyer Näkel)