Castello di Fonterutoli: Concerto Grosso

Vor über 40 Jahren hat die Familie Mazzei erstmals ihren Supertuscan Concerto auf den Markt gebracht. Kann er Antinoris Tignanello das Wasser reichen?

Ähn­lich wie der Tigna­nel­lo, besteht der Con­cer­to zu 80 Pro­zent aus San­gio­ve­se und 20 Pro­zent Caber­net Sau­vi­gnon. Mit die­ser magi­schen For­mel woll­ten Antino­ri und ande­re Chi­an­ti classico-Winzer vor über vier Jahr­zehn­ten dem Dilem­ma ent­ge­hen, dass in den 1970er und 1980er Jah­ren ein rein­sor­ti­ger Sangiovese-Wein zwar ange­strebt, aber nicht rea­li­sier­bar war. Zu schlecht war der Zustand der Wein­ber­ge, zu beschei­den die Qua­li­tät der Trau­ben. Von klon­a­ler Selek­ti­on sprach damals noch nie­mand. Vie­le Wein­ber­ge waren noch im gemisch­ten Satz ange­legt (mit Canaio­lo, Colo­ri­no und wei­ßen Trau­ben neben­ein­an­der). Antino­ri hat­te Ende der 1960er Jah­re erst­mals in sei­ner Tenu­ta Tigna­nel­lo Caber­net Sau­vi­gnon und ein biss­chen Caber­net franc ange­pflanzt. Man erhoff­te sich, dass die fran­zö­si­schen Sor­ten der San­gio­ve­se die Rus­ti­ka­li­tät und Här­te neh­men wür­den wür­den. 1971 kam er ers­te Tigna­nel­lo mit 20 Pro­zent Caber­net Sau­vi­gnon und Caber­net franc auf den Markt auf den Markt. Er erreg­te zunächst noch wenig Auf­se­hen, die fol­gen­den 1975er, 1977er und 1978er dafür umso mehr. Der Tigna­nel­lo wur­de schnell ein Legen­den­wein – und ist es bis heu­te geblieben.

Auch Fonterutoli pflanzte in den 1970er Jahren schon Cabernet Sauvignon

Mit­te der 1970er Jah­re leg­te auch die Fami­lie Maz­zei unter­halb des mit­tel­al­ter­li­chen Dörf­chens Fon­te­rut­o­li einen neu­en Wein­berg an mit aus­ge­wähl­ten Felds­e­lek­tio­nen aus einem Sangiovese-Weinberg aus den drei­ßi­ger Jah­ren an. Gleich­zei­tig pflanz­te sie in der Lage Sie­pi Caber­net Sau­vi­gnon. 1981 erschien der ers­te Wein aus bei­den Sor­ten. Weil die­se so gut mit­ein­an­der har­mo­nier­ten, schlug Car­la Maz­zei, die Frau des dama­li­gen Fami­li­en­ober­haupts (und Prä­si­den­ten des Con­sor­zio Chi­an­ti Clas­si­co) Lapo Maz­zei, den Namen „Con­cer­to“ vor. Ob Hän­dels Con­cer­to Grosso Pate gestan­den hat, ist unge­klärt. Fon­te­rut­o­lis ers­ter Super­tu­scan war geboren.

Der 4,5 Hekt­ar gro­ße Concerto-Weinberg, bepflanzt mit San­gio­ve­se und Caber­net Sauvignon

 

Concerto soll internationalen Massstäben entprechen

Über 40 Jah­re sind seit­dem ver­gan­gen. Mit­te Okto­ber traf ich mich mit ein paar Kol­le­gen der schrei­ben­den Zunft in Fon­te­rut­o­li, um 11 Concerto-Weine aus die­sen 40 Jah­ren zu ver­kos­ten. Mit mir waren Aldo Fior­del­li (Decan­ter), Danie­le Cer­ni­li (Doc­tor Wine), Moni­ca Lar­ner (Par­ker), Chris­ti­an Eder (Vinum), Giu­sep­pe Lau­ria (Wein­wis­ser). Es ging nicht um einen Ver­gleich mit dem Tigna­nel­lo. Der wächst rund 25 Kilo­me­ter wei­ter nörd­lich. Aber ein Ver­gleich mit dem Tigna­nel­lo drängt sich auto­ma­tisch auf wegen (fast) glei­cher Reb­sor­ten, ähn­li­cher Böden und iden­ti­scher Ziel­set­zung: näm­lich einen Wein zu schaf­fen, der – um es kit­schig zu sagen – sei­ne Hei­mat im Her­zen trägt, aber gleich­zei­tig inter­na­tio­na­len Mass­stä­ben entspricht.

Die erste Epoche: 1981 – 1986 -1990 – 1994

1981, der Pre­mie­ren­jahr­gang, hat sich gut gehal­ten. Sein Rubin­rot hat sich zwar leicht auf­ge­hellt. Aber es gibt kei­ne Braun- oder Oran­ge­tö­ne am Rand. Im Ver­gleich zu den spä­te­ren Jahr­gän­gen zeig­te sich jedoch schnell, dass er in man­cher­lei Hin­sicht noch dem alten Chi­an­ti classico-Profil ähnelt: nied­ri­ger Alko­hol­ge­halt (12,5 Vol.%), rela­tiv hohe Säu­re, kei­ne voll­rei­fen Bee­ren. Einen Tick bes­ser der 1986er Con­cer­to. Ver­ant­wort­lich war für ihn erst­ma­lig der Öno­lo­ge Fran­co Ber­nabei, der neben Wein­gü­tern wie Fel­si­na und Fon­to­di damals auch Fon­te­rut­o­li beriet. Resul­tat: deut­lich rei­fe­re Bee­ren und etwas höhe­rer Alko­hol­ge­halt (13 Vol.%), aber gleich­zei­tig unvoll­kom­me­ne phy­sio­lo­gi­sche Rei­fe mit sprö­dem Tan­nin und eine säu­er­li­chen Note, die den Wein geschmack­lich etwas wild erschei­nen läßt. Doch 1986 war nur eine Weg­mar­ke. Beim 1990er Con­cer­to zeig­te sich schon eher, wohin die Rei­se gehen soll: rela­tiv dun­kel in der Far­be, dicht gewo­ben, brom­beer­sü­ße Frucht mit mediterran-würziger Nase, deut­lich druck­vol­ler und län­ger am Gau­men (13,3 Vol.%) als sei­ne Vor­gän­ger (was zwei­fel­los auch dar­an liegt, dass der Jahr­gang 1990 bes­ser als 1986 und 1981 war). Doch auch die­ser Jahr­gang zeigt noch leicht grü­ne, vege­ta­le Noten. In der Ver­kos­ter­run­de wur­de berich­tet, dass Ber­nabei die Rot­wei­ne die (not­wen­di­ge) malo­lak­ti­sche Gärung bewusst nicht ganz zu Ende machen lässt, um ihnen mehr Fri­sche und Pikanz zu geben. 1994 war ein mitt­le­rer Jahr­gang, der aber einen sehr ordent­li­chen Con­cer­to her­vor­ge­bracht hat. Ab die­sem Jahr ist der Öno­lo­ge Car­lo Fer­ri­ni für die Wei­ne von Fon­te­rut­o­li verantwortlich.

Cas­tel­lo di Fon­te­rut­o­li vor der “Sky­line” von Siena

Die zweite Epoche beginnt 2011

Es ist der letz­te Con­cer­to der ers­ten Epo­che. Danach gab es eine lan­ge Pau­se, in der der Wein gar nicht pro­du­ziert wur­de. Die Ver­bes­se­rung des Sangiovese-Rebmaterials hat­te für die Fami­lie Maz­zei Vor­rang. Erst 2011 wur­de die Concerto-Produktion wie­der auf­ge­nom­men. Der 2011er, Resul­tat eines sehr war­men, tro­cke­nen Jahr­gangs, prä­sen­tiert sich heu­te als Power-Wein: üppig, kon­zen­triert mit vie­len schwar­zen Beeren- und Pflau­men­no­ten und wei­chem, süßen Tan­nin. Die Caber­net Sau­vi­gnon kommt jetzt nicht mehr aus dem Siepi-Weinberg, son­dern aus dem glei­chen Wein­berg, in dem auch die San­gio­ve­se für den Con­cer­to wächst. Das heißt: Ab sofort ist der Con­cer­to ein ech­ter Lagen­wein. Der 2013er, den wir danach ver­kos­te­ten, erweist sich sogar als noch wuch­ti­ger als sein Vor­gän­ger. Aller­dings ent­zwei­te er die Ver­kos­ter. Die einen lob­ten Struk­tur, Kom­ple­xi­tät, Opu­lenz, die ande­ren fan­den, dass der Wein sei­ne Fül­le nicht mehr kon­trol­liert an den Gau­men bringt, nicht mehr midd­le pala­te ist, wie die angel­säch­si­schen und ame­ri­ka­ni­schen Ver­kos­ter sagen. Ich schlie­ße mich die­sem Urteil an. Für mich ist der 2013er Con­cer­to überextrahiert.

Am meisten beeindruckt haben die jüngeren Jahrgänge.

2015 war nach Mei­nung unse­rer klei­nen Jury der bes­te der Ver­kos­tung: dun­kel, dicht, inten­siv, reich und mit feins­ten Tex­tu­ren aus­ge­stat­tet. Der Wein ist sogar schon zugäng­lich. Nel­ken und Zimt in der Nase, dazu die unver­kenn­ba­re Unter­holz­wür­ze gepaart mit einer min­zi­gen Frisch, die der Wein der San­gio­ve­se ver­dankt. Man könn­te sagen: ein hedo­nis­ti­scher Wein, der bei Par­ker mit 92/100 Punk­ten sei­ner­zeit unter­schätzt wur­de. Mit dem Jahr­gang 2015 über­schrei­tet der Con­cer­to übri­gens erst­mals die 14 Vol.%-Grenze, und auch die Säu­re fällt unter die 6-Promille-Marke. Die­se Gren­zen stel­len künf­ti­ge Para­me­ter dar. Sie wer­den auch in den fol­gen­den Jah­ren nicht mehr geris­sen. Damit sind die äußer­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für inter­na­tio­na­le Akzep­tanz geschaffen.

Das Fonterutoli-Team (v.l.n.r.): Filip­po Maz­zei, Gio­van­ni Maz­zei, Fran­ces­co Maz­zei, Lapo Maz­zei, Gio­na­ta Puli­gna­ni (Tech­ni­scher Direktor)

Wie aus einem Guss

Der 2019er Con­cer­to ist klas­si­scher als der 2015er, nicht so reich, dafür ele­gan­ter und span­nungs­rei­cher. Er ist der balan­cier­tes­te der Pro­be, was für sei­ne zukünf­ti­ge Ent­wick­lung ein untrüg­lich gutes Zei­chen ist. Den­noch wür­de ich, wenn ich einen Wein für heu­te Abend bräuch­te, den 2020er vor­zie­hen. Er besitzt zwar weni­ger Span­nung, bie­tet aber viel dunk­le Bee­ren­frucht, medi­ter­ra­ne Kräu­ter­wür­ze, etwas schwar­zen Pfef­fer: ein Wein wie aus einem Guss. Der 2021er Con­cer­to ist der poten­zi­ell wohl bedeu­tends­te: eine Mischung aus 2019 und 2020, straff, mus­ku­lös und sehr kom­plett – aller­dings noch weit ent­fernt von der Trinkreife.

Der 2016er könnte den 2015er noch toppen

Und wo bleibt der elf­te Wein? Den hat­ten wir einen Abend vor­her mit der Fami­lie in Flo­renz zum Din­ner getrun­ken, also außer­halb der offi­zi­el­len Pro­be. Es war der 2016er. Trotz­dem möch­te ich ein paar Wor­te über ihn ver­lie­ren. Für mich hat die­ser Jahr­gang den 2015er noch getoppt (wie­wohl Filip­po und Fran­ces­co Maz­zei in die­sem Punkt nicht ganz mei­ner Mei­nung waren). Rich­tig ist, dass der 2016er weni­ger hedo­nis­tisch ist, dafür aber gra­vi­tä­ti­scher: extrem kon­zen­triert mit geschlif­fe­ner Frucht, die Wür­ze ein Mix­t­um aus Lakritz, Lor­beer, Wach­hol­der und ori­en­ta­li­scher Bazaar­aro­men, gleich­zei­tig von fei­nen Säu­rea­dern durch­zo­gen und von ultra­fei­nem Tan­nin zusam­men­ge­hal­ten. Das Span­fer­kel konn­te stolz sein, zu die­sem Wein ver­speist zu werden.

Der Concerto könnte auch als Chianti Classico durchgehen

Egal wie man per­sön­lich zu Caber­net Sau­vi­gnon im Chi­an­ti Clas­si­co steht: Die Ent­wick­lung des Con­cer­to zeigt, dass mit die­ser Sor­te eben­so gro­ße Rot­wei­ne erzeugt wer­den kön­nen wie ohne sie. Guter San­gio­ve­se kommt heu­te zwei­fel­los auch ohne sie aus – das ist der Unter­schied zu den 1970er und 1980er Jah­ren. Aber Caber­net Sau­vi­gnon kann die Viel­schich­tig­keit eines Sangiovese-Weins durch­aus erhö­hen – vor­aus­ge­setzt die Sor­te steht auf den rich­ti­gen Böden und wird voll­reif gele­sen. In einem Chi­an­ti Clas­si­co darf Caber­net Sau­vi­gnon auch heu­te noch offi­zi­ell bis zu 20 Pro­zent ent­hal­ten sein (der Con­cer­to könn­te also theo­re­tisch auch als Chi­an­ti Clas­si­co eti­ket­tiert wer­den). Aller­dings machen nur weni­ge Win­zer davon Gebrauch. Er meis­ten zie­hen einen „unver­fälsch­ten“ San­gio­ve­se vor.

Toskanischer Cabernet Sauvignon ist nicht Bordeaux Cabernet Sauvignon

Doch „falsch“ ist der Caber­net Sau­vi­gnon nicht, nur weil es sich bei ihm eine Reb­sor­te fran­zö­si­schen Ursprungs han­delt, die in der Zen­tral­tos­ka­na kei­ne Tra­di­ti­on hat. Super­tu­scans wie der D’Alceo von Cas­tel­lo dei Ram­pol­la, der Sola­ia von Antino­ri und der Cam­ar­ti­na von Quer­cia­bel­la sind Bei­spie­le für hoch­klas­si­ge Wei­ne mit der Basis Caber­net Sau­vi­gnon. Geschmack­lich zeigt die Sor­te im medi­ter­ra­nen Ambi­en­te nicht die glei­che Stren­ge wie in Bor­deaux. Das tos­ka­ni­sche Ter­ro­ir prägt sie auf eine ganz eine eige­ne Wei­se. Das Adjek­tiv „san­gio­ves­a­to“ fiel in unse­rer Runde.

Der Wein

Vom Con­cer­to wer­den rund 35.000 Fla­schen gefüllt. Die Prei­se schwan­ken in der Regel zwi­schen 55 und 60 Euro (jüngs­te Jahr­gän­ge). Teil­wei­se sind noch älte­re Jahr­gän­ge am Markt erhält­lich. Bezugs­quel­len: www.koelner-weinkeller.de, www.tesdorpf.de, www.superiore.de, www.boller-weine.de, www.bacchus-vinothek.de, www.schubiweine.ch, www.gute-weine.de, www.saittavini.com, www.vinumnobile.de, https://marys-weinfachhandel.com u.a.

 

 

 

 

 

 

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