Die ersten Stangen sind gestochen, die ersten Flaschen etikettiert: „Spargelwein“. Der Begriff taucht zuverlässig mit dem ersten Sonnenstrahl im April auf – nicht aus botanischer, sondern aus verkaufsstrategischer Notwendigkeit. Man kennt das Prinzip: Was sich nicht über Substanz verkauft, verkauft sich über Saisonalität. So wie der Valentinstag dem Floristen, dient der Spargel dem Weinhändler. Und weil weißer Spargel als feines Gemüse gilt, scheint ein ebenso feines Getränk obligatorisch – am besten mit Etikett „für Spargel“. Nur: Ein Spargelwein existiert nicht. Nicht als Rebsorte, nicht als geschützte Herkunft, nicht einmal als verbindliche Stilistik. Er ist – bei Lichte betrachtet – ein Marketing-Etikett. Und nicht einmal ein besonders kreatives.Natürlich kann man zum Spargel ein Glas Pils trinken. Oder Mineralwasser. Aber wenn es denn ein Wein sein soll – was verständlich ist – kommt es auf die Zubereitung an.
Spargel ist nicht gleich Spargel
Mit oder ohne Schinken? Sauce Hollandaise oder geschmolzene Butter? Kalb oder Ei, Petersilienkartoffeln oder grüne Soße? So verschieden wie die Varianten, so verschieden sollten die Weine sein.
Ein paar Beispiele:
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Zur grünen Soße passt ein kühler Sauvignon Blanc,
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zur Butter ein feiner Chardonnay,
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zu Kalbfleisch ein gereifter Grüner Veltliner,
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zu Schinken eine Scheurebe,
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zu Petersilienkartoffeln ein Silvaner.
Zur Hollandaise? Nun, da wird es bereits komplexer.
Rotwein zum Spargel? Durchaus möglich.
Lange galt: Rotwein zum Spargel sei eine kulinarische Todsünde – zu bitter, zu schwer, zu dominant. Das stimmt nicht mehr ganz. Ein junger, frischer Rotwein mit milder Tanninstruktur kann sehr wohl harmonieren. Ein Beispiel: Ein leichter Sangiovese aus der Toskana – jung, saftig, nicht im Holz ausgebaut – passt zu gegrilltem grünen Spargel oder zu Kombinationen mit Schinken oder Lammfilet. Auch ein frischer Spätburgunder aus Deutschland kann sich eignen, wenn er nicht zu extraktreich ist. Die Faustregel lautet: Rotwein ja – aber leicht, kühl serviert und mit Fingerspitzengefühl gewählt.
Silvaner, Veltliner – und der Mythos vom „einen“ Spargelwein
Als Klassiker gelten Silvaner und Grüner Veltliner – zu Recht, denn beide sind zurückhaltend genug, um den feinen, leicht süßlichen Geschmack des weißen Spargels nicht zu überlagern.
Was nicht gut funktioniert:
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Riesling. Zu präsent, zu kräuterwürzig, zu viel Säure.
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Deutscher Weißburgunder. Oft zu fruchtig – die Noten von Pfirsich und Aprikose harmonieren selten mit der milden Bitternote des Spargels.
Alternativen:
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Ein Grauburgunder, wenn er nicht zu säurebetont ist.
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Oder ein Gutedel aus dem Markgräflerland – dezent, unaufgeregt, elegant.
Was man sich grundsätzlich merken kann: Je filigraner das Gericht, desto zurückhaltender der Wein.
Wenn’s etwas mehr sein darf: Chardonnay aus dem Keller
Manchmal, wenn die Butter zerlassen ist und die Kartoffeln noch dampfen, darf der Wein auch reifer sein. Ein Burgunder aus dem Keller – etwa ein Meursault, ein Chablis oder ein Chassagne-Montrachet – ist kein bescheidener Begleiter. Aber ein stimmiger. Die feinen Reifetöne, das dezente Holz, ein Hauch von Haselnuss oder Honig – sie passen zur Sauce, nicht zum Spargel. Aber da beides gemeinsam auf dem Teller liegt, ergibt sich doch ein harmonisches Ganzes.
Ein Wort zum Müller-Thurgau
Oft belächelt, selten gelobt – dabei völlig zu Unrecht. Ein gut gemachter Müller-Thurgau – trocken, frisch, unaufgeregt – kann den Spargel hervorragend begleiten. Wichtig ist, was ohnehin immer gilt: Kein anonymes Supermarktprodukt, keine goldgelbe Plörre, die nach früherer Abfüllung eines noch früheren Jahrgangs schmeckt. Sondern ein ehrlicher Wein aus dem aktuellen Jahrgang, blass in der Farbe, leicht im Körper. Denn das, was als „Spargelwein“ mit Sonderetikett in den Handel kommt, besteht allzu oft aus einem fragwürdigen Verschnitt: ein wenig jung, ein wenig alt, ein wenig süß, dazu ein Restbestand vom Vorjahr. Eine Cuvée des Vergessens.
Wein zum Spargel: differenzieren statt etikettieren
Wer Spargel isst, sollte beim Wein differenzieren. Nicht alles passt – aber vieles, wenn es gut gewählt ist. Spargelwein ist kein Weinstil, sondern ein Etikett. Mehr nicht. Die bessere Empfehlung: Den Wein zum Gericht auswählen, nicht zur Gemüsesorte. Und wenn es Rotwein sein soll – warum nicht? Entscheidend ist, dass man schmeckt, was auf dem Teller liegt. Und was im Glas.