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Pfalz: Rote Sorten mit Perspektive

Wohin geht die Reise? Diese Frage stellt Winzern immer drängender – nicht nur wegen des Klimawandels. Auch der Trend zu hochwertigeren Weinen ist unübersehbar und auch unumkehrbar. Drei Pfälzer Weingüter und ihre Antwort auf die Frage nach den Klassikern von Morgen.

Merlot wird zum Pfälzer

„Merlot gehört in die Pfalz“, sagt Katja Nett ebenso selbstbewusst wie selbstverständlich. Nach mittlerweile 15 Jahren Erfahrung mit der Sorte darf sie das. 2006 erntete das Weingut Bergdolt-Reif & Nett den ersten Ertrag. Über die Jahre wuchs im Gut die Anbaufläche für den Zuzögling aus dem Bordelais. Sorten wie Morio-Muskat oder Portugieser mussten weichen. „Auch Riesling pflanzen wir nicht mehr in die wärmsten Lagen“, erklärt Christian Nett, der bei den Spitzenweingütern Müller-Catoir und Dr. Deinhard (heute Von Winning) ausgebildet wurde. Seine Reben stehen in Duttweiler auf schweren Löss-Lehmböden, ähnlich denen am rechten Ufer der Gironde im Bordelais „Da sind die sie auch in heißen Sommern gut mit Wasser versorgt“, erklärt Christian Nett. Und mit solchen  ist vermehrt zu rechnen.

© Lukas Hofstaetter

„Die Tendenz ist klar“, sagt der Winzer, der auch das Potenzial anderen Reben aus wärmeren Regionen auslotet, wie etwa des Südtiroler Lagrein und des Primitivo aus Süditalien. Merlot ist in mehreren Varianten im Portfolio zu finden. Er dominiert bzw. komplettiert einige Cuvées, wie etwa die „Olé Ola“, für die er mit Cabernet Sauvignon, Lagrein und Shiraz vermählt wird. Reinsortig wird er als „Avantgarde“ 16 Monate im Barrique ausgebaut und präsentiert sich dann opulent und breitschultrig.  Ausgewogen und trinkfreudig tritt der Merlot „Tradition“ auf; fruchtig und beschwingt mit dezenten Gerbstoffen ist er ein vielseitiger Essensbegleiter. Auch und gerade zu mediterranen Gerichten.

2019 Merlot Tradition, Bergdolt-Reif & Nett, Duttweiler. Um  9 Euro.

Cabernet Sauvignon hat Zukunft

International  betrachtet, ist der Cabernet Sauvignon ein Big Player. In Deutschland steht die aus dem Bordelais stammende Sorte noch vor dem Durchbruch. Die ersten Reben wurden 1984 in  der Pfalz gesetzt – und gleich wieder entfernt. Der Ellerstädter Winzer Heinrich Vollmer hatte 1984 auf eine baldige Zulassung gesetzt, fing sich aber eine Anzeige und einen Prozess ein. Nach dem Urteil in zweiter Instanz, die Vollmer zur Zahlung von einer DM pro Rebstock verpflichtete, wurde das Weingesetz geändert und der Weg für die Edelrebe war frei. Aber er blieb steinig. Cabernet Sauvignon liebt mildes und ausgeglichenes Klima.

Johannes, Gerhard und Christoph Siebert bei der Arbeit. © Weingut Schenk-Siebert

„Er braucht klar die sonnigsten und wärmsten Lagen“ erklärt Johannes Siebert vom Weingut Schenk-Siebert aus Grünstadt. „Und nur bei besonders niedrigen Erträgen reift er richtig aus.“ Johannes Siebert hat in Australien Erfahrungen gesammelt, sein Bruder Christoph in Kalifornien und Südafrika. Ihr Vater Gerhard war einer der ersten, der auf internationale Sorten setzte. Dazu gehören auch Cabernet franc und Merlot, die mit Cabernet Sauvignon zur kraftvollen und tiefgründigen Cuvée „Großes Trio“ vermählt werden. Der reinsortige Cabernet Sauvignon „Grünstadter Röth“ hat ebenfalls internationales Format. Er reift knapp zwei Jahre im Barrique und entwickelt dort vielschichtige Frucht (Cassis, Pflaume) und Würze (Paprika, Tabak, Holz). Ein kraftvoller, dichter Wein mit reifen Gerbstoffen.

2018 Grünstadter Röth, Cabernet Sauvignon tr., Weingut Schenk-Siebert. Um 15 Euro.

Syrah mit Kraft und Finesse

Der Syrah ist  einer der großen Gewinner der letzten Jahre. Weltweit wird der von der nördlichen Rohne stammenden Sorte viel Aufmerksamkeit zuteil, sei es in Australien, Chile, Südafrika und zunehmend auch in der Pfalz, gerade im Hinblick auf den fortschreitenden Klimawandel. Syrah steckt Hitze und Trockenheit gut weg ohne zu schnell zu dick und mächtig zu werden. Stefan Meyer aus Rhodt hat sich mit eleganten Burgundern bereits einen Namen gemacht, arbeitet aber auch erfolgreich mit dem Zuwanderer aus dem Süden.

Stefan Meyer. © Christian Ernst

„Trotz aller Kraft, die Syrah bringt, erinnert mich sein Charakter doch an Spätburgunder“, erklärt Meyer. „Gerade in der Pfalz erbringt die Sorte Weine mit Würze, Frucht, Struktur und Eleganz – auch dank der präsenten Säure.“ Die Syrah-Pioniere in der Pfalz waren – einmal mehr – die Brüder Knipser, Stefan Meyer pflanzte seine erste Parzelle  2007 und merkte bald: „Syrah fordert volle Aufmerksamkeit und macht besonders viel Arbeit im Weinberg, das wird niemals ein preiswerter Wein sein können.“ Doch die Mühe wird belohnt. Der Syrah aus dem Rhodter Rosengarten  zeigt kühle-pfeffrige Frucht, dem warmen Jahr 2018 entsprechend viel Kraft, ohne dabei fett oder gar überladen zu wirken. Das Holz ist fein eingebunden, die Tannine markant, aber poliert.

2018 Rhodter Klosterpfad Syrah, Stefan Meyer, Rhodt unter Riedburg, um 25 Euro.

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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