Kendall-Jackson: Wie der kalifornische Weingigant die Zukunft des kalifornischen Weins plant

Katie Jackson, Senior Vice President von Kendall-Jackson © Kendall-Jackson - Jackson Family Wines
Katie Jackson ist Senior Vice President eines der größten Wein-Imperien der Welt: Kendall-Jackson. Ihr erklärtes Ziel: Dekarbonisierung des Weinbaus. Jens Priewe sprach mit der 35-Jährigen.

Genau weiß sie gar nicht, wie vie­le Wein­gü­ter ihrer Fami­lie gehö­ren. Sind es 20? Oder 30? „Ich glau­be, es sind knapp 40“, sagt sie. Aber sie habe sie nicht gezählt. Ihr Vater, ein Selfmade-Milliardär, hat­te Wein­gü­ter wie Brief­mar­ken gesam­melt, dar­un­ter so bekann­te wie Free­mark Abbey, La Jota und Lokoya aus dem Napa Val­ley, Mat­anz­as Creek, Sidu­ri und Arro­wood in Sono­ma, Car­mel Road in Mon­terey, Cam­bria in San­ta Bar­ba­ra, außer­dem vier Wein­gü­ter in Ore­gon, drei in Aus­tra­li­en, je eines in Chi­le, Süd­afri­ka, in der Tos­ka­na und in Bor­deaux. Ob sie alle schon besucht habe? „Alle noch nicht“, ant­wor­tet sie ein wenig beschämt. Sie ist  ja erst 35. 

20 000 Hektar eigene Weinberge 

Die knapp 40 Wein­gü­ter sind auch nur Satel­li­ten im Firmen-Universum von Kendall-Jackson. Der his­to­ri­sche Mit­tel­punkt des Fami­li­en­be­sit­zes ist die Kendall-Jackson Winery im kali­for­ni­schen San­ta Rosa. Dort lau­fen alle Fäden zusam­men. Dort wird geplant, orga­ni­siert, kon­trol­liert, regiert. Schließ­lich gilt es, die Trau­ben von sagen­haf­ten 20 000 Hekt­ar Reben zu ver­ar­bei­ten – eine Grö­ßen­ord­nung, die selbst einen Rie­sen wie Gal­lo in den Schat­ten stellt. 

Wild­flo­ra in den Wein­ber­gen von Kendall-Jackson © Kendall-Jackson – Jack­son Fami­ly Wines

Kendall-Jacksons Vintner’s Reserve Chardonnay – der meist getrunkene Wein in den USA

Berühmt ist Kendall-Jackson vor allem für sei­ne Char­don­nays. Mit ihnen hat­te Jess Jack­son, Katies Vater, in den 1980er und 1990er Jah­ren Furo­re gemacht. Einen Premium-Chardonnay zu einem erschwing­li­chen Preis zu pro­du­zie­ren, das war sein erklär­tes Ziel. Die Ame­ri­ka­ner waren ein­ver­stan­den. Zu Prei­sen zwi­schen 10 und 20 Dol­lar pro Fla­sche grif­fen sie gern ins Super­markt­re­gal – nicht nur die Normal-Amerikaner. Ronald Rea­gan und vor allem sei­ne Frau Nan­cy lieb­ten Kendall-Jacksons Vint­ner Reser­ve Char­don­nay. „Auch Oba­ma trank ihn ger­ne“ fügt Katie hin­zu. Noch heu­te ist die­ser Wein die Num­mer 1 in den Ver­ei­nig­ten Staaten.

Wein guten Gewissens genießen

Doch Men­ge, Grö­ße, Pro­fit inter­es­siert Katie Jack­son gar nicht vor­ran­gig. Sie ist als Seni­or Vice Pre­si­dent zustän­dig für Nach­hal­tig­keit und Regie­rungs­kon­tak­te. Das bedeu­tet: Ihre Auf­ga­be ist es dafür zu sor­gen, dass die Wein­ber­ge des Reben-Imperiums orga­nisch bewirt­schaf­tet und die Belas­tun­gen für die Umwelt so nied­rig wie mög­lich gehal­ten wer­den: kei­ne Pes­ti­zi­de, kei­ne Her­bi­zi­de, nur orga­ni­scher Dün­ger, Bekennt­nis zur Bio­di­ver­si­tät – kei­ne leich­te Auf­ga­be für ein Unter­neh­men die­ser Grö­ßen­ord­nung. Qua­li­tät ist zwar wich­tig, schließt aber eine Pro­duk­ti­ons­wei­se ein, die von Respekt für die Natur geprägt ist. Das Ver­mächt­nis ihres 2012 ver­stor­be­nen Vaters lau­te­te näm­lich: „Wir haben unser Land nur gelie­hen bekom­men, wir müs­sen es pfleg­lich behandeln.“ 

Von die­sem Gedan­ken ist die Toch­ter tief über­zeugt. Als das Cali­for­nia Wine Insti­tu­te, die Ver­tre­tung aller Wein­far­mer und Wein­gü­ter, 2017 eine stren­ges Zer­ti­fi­zie­rungs­ver­fah­ren für nach­hal­ti­gen Wein­bau ent­wi­ckel­te, sorg­te Katie dafür, dass ein Kendall-Jackson-Wein zu den ers­ten gehör­te, die nach die­sem CCSW-Logo öko-zertifiziert wur­den (die Buch­sta­ben ste­hen für Cer­ti­fied Cali­for­nia Sus­tainable Win­egro­wing und die Regeln ent­spre­chen in etwa dem Ecovin-Logo in Deutsch­land). Seit 2020 schmückt das CCSW-Logo auch den Vintner’s Reser­ve Char­don­nay. „Die Kon­su­men­ten“, sagt Katie, „sol­len kein schlech­tes Gewis­sen haben, wenn sie Wein trinken.“

 

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Nachhaltigkeit ist mehr als der Verzicht auf Agrarchemie

Nach­hal­tig­keit bedeu­tet in Kali­for­ni­en jedoch mehr als den Ver­zicht auf Agrar­che­mie. Der gesam­te Ener­gie­sek­tor steht auf dem Prüf­stand. Es gilt, die Trak­tor­fahr­ten durch die Wein­ber­ge zu redu­zie­ren, den Strom­ver­brauch zu dros­seln bezie­hungs­wei­se auf Solar­ener­gie umzu­stel­len, bei Bau­maß­nah­men und bei der Mate­ri­al­be­schaf­fung auf nach­wach­sen­de Roh­stof­fe zu set­zen, eine Kreis­lauf­wirt­schaft zu eta­blie­ren, ein smart water-Manage­ment auf­zu­bau­en, um den Was­ser­ver­brauch zu mini­mie­ren, den Waren­trans­port und die Logis­tik weit­ge­hend emis­si­ons­frei zu gestal­ten. Auch Zulie­fe­rer wer­den ver­pflich­tet, sich an die fir­men­ei­ge­nen Öko-Standards zu halten. 

Ein wei­te­res Ziel ist die Rekul­ti­vie­rung der Land­schaft. Ein gro­ßer Teil des Lan­des, das die Fami­lie besitzt, wird „wild“ gehal­ten, damit sich Pflan­zen und Tie­re wie­der ansie­deln kön­nen. Außer­dem wur­den in Zusam­men­ar­beit mit der staat­li­chen Fische­rei­be­hör­de in den Yel­lo­wja­cket Creek, ein Klar­was­ser­flüss­chen, das in den Maya­ca­ma Moun­ta­ins ent­springt, Stu­fen als Fisch­wan­der­hil­fen ein­ge­baut, um bedroh­ten Forellen- und Lachs­ar­ten ihr natür­li­ches Habi­tat zurück­zu­ge­ben. All das hat dazu bei­getra­gen, dass Kendall-Jackson vor zwei Jah­ren von der eng­li­schen Wein­fach­zeit­schrift Drinks Busi­ness zur „Green Com­pa­ny of the Year“ gewählt wurde. 

Scha­fe erset­zen das mecha­ni­sche Mul­chen zwi­schen den Reben © Kendall-Jackson – Jack­son Fami­ly Wines

Die Dekarbonisierung hat oberste Priorität

Das Bei­spiel Kendall-Jackson zeigt, dass der Begriff „Nach­hal­tig­keit“ in Kali­for­ni­en wei­ter gefasst wird als in Euro­pa. Dafür gibt es Grün­de. Die Bedro­hung des Wein­baus durch den Kli­ma­wan­del ist an der West­küs­te Ame­ri­kas grö­ßer als in vie­len Anbau­ge­bie­ten der Alten Welt. Tro­cken­heit und Wald­brän­de sind die größ­ten Bedro­hun­gen, nicht nur für Wein­gü­ter, son­dern auch für die Bevöl­ke­rung, deren Häu­ser durch die Flam­men und den Rauch teil­wei­se unbe­wohn­bar wer­den. Dazu kommt der chro­ni­sche Was­ser­man­gel, der gera­de in der Land­wirt­schaft enor­me Schä­den anrich­tet und zu Arbeits­platz­ver­lus­ten führt. 

Nicht min­der gefähr­lich sind die regel­mä­ßig auf­tre­ten­den Stark­re­gen mit Über­flu­tun­gen von Wohn­ge­bie­ten und Ver­kehrs­we­gen. Für Katie Jack­son und die jun­ge Gene­ra­ti­on der Ent­schei­der ist klar, dass all das eine Fol­ge der Erd­er­wär­mung ist. Für sie hat die Dekar­bo­ni­sie­rung der Wirt­schaft des­halb obers­te Prio­ri­tät: „Der durch CO-Emis­sio­nen ver­ur­sach­te Kli­ma­wan­del hat mas­si­ve Aus­wir­kun­gen auf das Leben und das Wohl­be­fin­den der Men­schen sowie auf den sozia­len Frie­den im Lande.“

Kend­all Jack­son Chardonnay

Eine neue Bescheidenheit greift um sich

Zur Nach­hal­tig­keit zäh­len auch sozia­le Stan­dards. Lohn­dum­ping gibt es nicht. Der Min­dest­lohn für Wein­bergs­ar­bei­ter liegt bei über 15 Dol­lar. Die eth­ni­sche Diver­si­tät der Beleg­schaft ist hoch. Und eine Frau­en­quo­te braucht es bei Kendall-Jackson nicht. Auch ohne sie sind 61 Pro­zent der Füh­rungs­kräf­te weib­lich. Der Kampf der jun­gen Gene­ra­ti­on der Füh­rungs­kräf­te gegen die CO-Emis­sio­nen und für Nach­hal­tig­keit wird beglei­tet von einer neu­en pri­va­ten Beschei­den­heit. Katie Jack­son trägt kei­ne Designer-Klamotten. Ihr wert­volls­tes Schmuck­stück ist eine alte Hals­ket­te ihrer Groß­mutter. Luxus ist obsolet.

Ihr Lieb­lings­lo­kal ist das Le Coq Rico in Paris, ein ein­fa­ches Bis­tro, das für sei­ne lecke­ren Gemüse- und Geflü­gel­ge­rich­te bekannt ist. Auf Dienst­rei­sen kehrt sie lie­ber dort ein als in Drei-Sterne-Restaurants der fran­zö­si­schen Haupt­stadt. Zu Hau­se ist sie mit Lat­te Mac­chia­to und Scho­ko­crois­sant glück­lich. Der teu­ers­te Gegen­stand, den sie sich je erwor­ben hat, ist ein Vol­vo Hybrid, mit dem sie ihre drei Kin­der zu Schu­le und Kin­der­gar­ten kut­schiert. Und auch beim Wein kom­men ihr mode­ra­ten Prei­se der eige­nen Wei­ne sehr entgegen.

Übri­gens: Die Wei­ne von Kendall-Jackson sind auch in Deutsch­land, der Schweiz und Öster­reich erhält­lich. Der Vintner’s Reser­ve Char­don­nay kos­tet 19,90 Euro, die eben­so emp­feh­lens­wer­ten Vintner’s Reser­ve Caber­net Sau­vi­gnon und Vintner’s Reser­ve Mer­lot 27,50 Euro.

 

Bezugs­quel­le: www.belvini.de 

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