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Lagrein: Ein Ur-Südtiroler macht Karriere

Lagrein gibt es in Südtirol seit Jahrhunderten. Lange hat man über seine Herkunft gerätselt, heute gilt es als gesichert, dass er eine Kreuzung aus Vernatsch, der wichtigsten Rebsorte Südtirols und Teroldego ist, der roten Leitrebe im benachbarten nördlichen Trentin. Also ein Ur-Südtiroler, der zu Recht mit dem Zauberwort „autochthon“ als Attribut versehen wird.

Rustikaler Bursche

Doch es dauerte lange, bis er sich seinen festen Platz in der Gunst von Winzern wie Genießern sichern konnte. Er  galt als ruppig-rustikaler Bauernbursche, der in erster Linie dazu diente, im gemischten Satz oder als Beigabe dem St. Magdalener und anderen Vernatschweinen mehr Farbe und Struktur zu verleihen.

Solo wurde er überwiegend als Rosé, genannt „Kretzer“ gekeltert. Der Name kommt von der „Kretz“, der Korbweinpresse, mit der die Trauben nach der Lese rasch abgepresst und anschließend zu einem Rosé-Wein gekeltert wurden. So konnte man die kantigen Gerbstoffe und andere Polyphenole vermeiden, die den „Lagrein Dunkel“, wie er als Rotwein genannt wurde, so stark prägten.

Spitzen-Lagrein wird meist im kleinen Eichenfass ausgebaut (©IDM Südtirol)

Neuer Lagrein-Stil

So richtig auf die Bühne durfte er ab den 1990er Jahren. Die Südtiroler Qualitätsrevolution kam ins Rollen, niedrigere Erträge und moderne Kellertechnik sorgten auch für einen neuen Lagrein-Stil. Es wurde viel – manchmal zuviel – mit Barriques gearbeitet. Unter dem höheren Sauerstoffeinfluss im kleinen Holzfass entwickelten sich die Gerbstoffe weicher, der Wein wurde runder. Im Lauf der Jahre bekamen die Winzer den ehemals rauen Gesellen immer besser in den Griff und erhielten die gebührende Aufmerksamkeit, vor allem, seit die Weinwelt internationaler Sorten wie Merlot und Cabernet ein wenig müde wurde.

Vorzeige-Wein

In den vergangenen Jahren wuchs die Rebfläche auf knapp 500 Hektar. Doch einen großen Boom kann es mit Lagrein nicht geben. Dem sind natürliche Grenzen gesetzt, denn die Rebe braucht Geröll und Kiesböden in Tallagen, die sich rasch erwärmen. Die prominentesten sind die in Bozen Gries („Gries“ = Schotter), die aber massiv von der Expansion der Provinz-Hauptstadt bedroht sind. Dazu kommen schottrig-kiesige Weinberge im Südtiroler Unterland, etwa bei Auer und Kurtatsch und einzelne, kleine geeignete Weinberge im übrigen Südtirol. Außerhalb Südtirols wird Lagrein im kleineren Stil im Trentin angebaut, auch hier auf Moränenschotter. Einige Hektar gibt es auch in Australien, in der Pfalz laufen interessante Versuche.  Doch darüber herrscht Einigkeit: Lagrein wurde und bleibt ein Vorzeige-Südtiroler.

.Reife Lagrein-Trauben (©IDM Südtirol)

Pobiertipps:

2019 Lagrein Rosé, Hans Rottensteiner
Kräftiges Rosa, zarter Duft nach Erdbeeren und Kirschen, zupackend und belebend am Gaumen – zu klassischer Sommerküche von Salat mit Räucherfisch bis zum Hühnchen vom Grill. Um 11 Euro.

 

 

 

2019 Lagrein Rosé, Kellerei Tramin
Duftet fein nach Beeren und Blüten, frisch und lebendig im Geschmack. Feiner Aperitif und vielseitiger Begleiter zu leichter Küche. Um 10 Euro.

 

 

 

2018 Lagrein Peter Sölva
Dunkle Kirschen, Veilchenblüten, dicht und fest am Gaumen. Zu beherzt gewürzten Ragouts und Risotto mit Pilzen. Um 14 Euro

 

 

 

2018 Lagrein Rivus, Weingut Pfitscher
Von alten Reben aus Top-Lagen im Unterland. Fruchtig und kräutrig im Aroma, feine Gerbstoffe, elegant. Zu würziger Pasta, Brathuhn und Hartkäse. Um 22 Euro.

 

 

 

2017 Lagrein Riserva Bos Taurus, Weingut Niklas
Zum typischen Duft nach dunklen Beeren gesellen sich Tabak und ätherisch kräuterige Noten. Zu Lamm und Wild aus dem Ofen. Um 20 Euro.

 

 

2017 Lagrein Riserva Kristan, Egger Ramer
Die alten Rebstöcke stehen im Weingarten „Kristan“ in der klassischen Anbauzone in Bozen-Gries. Dichte Frucht und Würze, kraftvoll am Gaumen dabei sehr ausgewogen. Zu dunklem Fleisch mit kräftiger Sauce. Um 24 Euro.

 

 

 

2017 Lagrein Riserva Taber, Kellerei Bozen
Seit langer Zeit ganz weit oben in der Lagrein-Hierarchie. Von über 80 Jahre alten Reben aus Top-Lagen in Bozen-Gries. Komplexer Duft (Dunkle Beeren, Blüten, Waldboden, Mokka), kraftvoller Auftritt am Gaumen, anhaltend. Zum großen edlen Steak vom Grill. Um 45 Euro.

 

 

 

2015 Lagrein Riserva Klosteranger, Kellerei Muri-Gries
Der Klosterkellerei Muri-Gries und ihrem Kellermeister Christian Werth verdankt der Lagrein zum großen Teil seinen Erhalt und seine heutige Prominenz. Der Klosteranger ist eine 2,7 Hektar große Einzellage auf dem Klostergelände. Dort stehen die Reben für das Aushängeschild der Kellerei. Delikate Frucht und Würze, Kraft ohne Protz, ein Wein für besondere Gelegenheiten, der auf diese auch noch warten kann. Um 70 Euro.

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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