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Kellerei St. Pauls: Alles im Fluss auf Kalkgestein

St. Pauls ist nicht groß, aber auch nicht zu übersehen. Der markante Kirchturm in der Fraktion der Gemeinde Eppan thront geradezu über dem Überetsch. Die Kellerei im Ort ist ebenfalls nicht groß, aber einen näheren Blick unbedingt wert.

Im Jahr 1907 gegründet, hat die Genossenschaft heute 205 Mitglieder, welche 185 Hektar Rebfläche bewirtschaften. Der weitaus überwiegende Teil der Weinberge liegt dabei in Sichtweite des Kirchturms zwischen 300 und 700 Metern Seehöhe. Die Böden unterhalb des Mendelkamms sind vom Kalk geprägt, der von eiszeitlichen Gletschern zu mächtigen Moränen zermahlen wurde. Gerade Burgundersorten lieben solche Terroirs, wohl auch ein Grund, weshalb der Weißburgunder die wichtigste Sorte in St. Pauls darstellt.

© Kellerei St. Pauls

Innovativ sind die St. Paulser Winzer, bei aller Verhaftung mit der Region, seit jeher und sie haben ihren Betrieb über einhundert Jahre stets im Fluss gehalten. Schon das erste Kellergebäude nutzte die Schwerkraft über mehreren Etagen, in der Chronik sind immer wieder bedeutende Neuerungen und Anschaffungen verzeichnet, sei es bereits in den 1960ern eine vollautomatische Flaschenfüllanlage, die Erweiterung des Kellers oder – wie zuletzt – ein Neubau mit modernem Verkostungsraum.

© Kellerei St. Pauls

Auf das Jahr 1979 geht die Sektproduktion zurück. Seither wird „Praeclarus“ produziert. Ein Schaumwein, der klassisch in Flaschen gärt. Diese lagern in einem Luftschutzbunker aus dem Jahr 1937, der gottlob nie seinem ursprünglichen Zweck erfüllen musste und heute mit konstanter Temperatur und Luftfeuchte fast 100.000 Flaschen aus mehreren Jahrgängen behütet.

© Kellerei St. Pauls

Die aktuelle Innovation im Portfolio ist die Top-Linie „Alte Reben“. „Ein integraler Bestandteil der Neupositionierung, welche wir in den letzten Jahren in Angriff genommen haben“, erklärt Dieter Haas, Obmann der Kellerei. „Sie geben unsere Richtung vor: Wir möchten Weine mit Identität und einer außergewöhnlichen Balance zwischen Komplexität, Tiefe sowie Langlebigkeit schaffen. Diese Weine sind das Ergebnis kompromissloser und sorgfältiger Arbeit, welche im Weinberg beginnt und sich im Keller fortsetzt.“

© Alex Filz

„Alte Reben“ bedeutet „erwachsene“ Stöcke von 30 Jahren aufwärts, die sich auf den jeweiligen Böden bewährt haben. So steht der Weißburgunder „Kalkberg“ auf kalkigem Schotter, beim Sauvignon „Schliff“ kommen noch Porphyrblöcke vulkanischen Ursprungs dazu, der kraftvolle Blauburgunder „Lehmont“ wiederum wächst auf lehmdurchzogenen Kalkmoränen und der Lagrein Lagröll auf schottrigem Schwemmboden.

© Kellerei St. Pauls

Die Spitze des Sortiments markiert der Sanctissimus. Für diesen vergären Trauben aus einer Steillage mit 120 Jahre alten Weissburgunder-Reben mit ihren Schalen in Tonamphoren, der Wein reift weiter im großen Holzfass aus Eppaner Eiche. Mineralisch, tiefgründig und scheinbar alterslos zeigt die oft unterschätzte Sorte hier, zu welcher Größe sie wachsen kann.

Kellerei St. Pauls/Eppan: Sieben ausgewählte Weine

2020 Cuvée Paul Rot, IGT Weinberg Dolomiten
Fruchtig-frischer, lebendiger Rotwein mit feiner Würze, gekeltert aus den Sorten Lagrein, Merlot und Blauburgunder. Leicht gekühlt zur Marende (Brotzeit) mit Speck und Käse und zu Pasta mit kräftiger Sauce. Um 7,60 Euro

2019 Luzia Blauburgunder DOC
Feine Frucht (rote Beeren, Kirschen), Anklänge von Kräutern; schlank und elegant am Gaumen mit feinen Tanninen. Zu hellem Fleisch, Pilzgerichten und Hartkäse. Um 12,80 Euro

2020 Plötzner Weißburgunder DOC
Der Klassiker aus St. Pauls. Sehr balancierter Wein aus der wichtigsten Sorte des Betriebs mit feinem blumig-fruchtigem Duft und belebendem Geschmack. Insgesamt sehr ausgewogen. Vielseitiger Speisenbegleiter, von Knödeln bis Süßwasserfisch. Um 11,10 Euro

2019 Kalkberg Weißburgunder DOC
Der große Bruder des Plötzner. Noch etwas vom Ausbau im mittelgroßen Holzfass (Tonneau) geprägt. Dezente Frucht und Würze, dicht und voll mit mineralischem Gripp. Eilt nicht mit dem Trinken. Zu feinem Seefisch, hellem Fleisch oder reifem Käse genießen. Um 22 Euro

2019 Schliff Sauvignon DOC
Der Name spielt auf den Boden an, den eiszeitliche Gletscher vom Kalkfels abgeschliffen haben. Intensives aber nicht lautes Bouquet von Holunder, tropischen Früchten und Kräutern. Fest in der Struktur, belebender und anhaltender Abgang, Zu Pasta und Risotto mit Meeresfrüchten sowie würzigen Fischgerichten. Um 22 Euro.

2018 Lagröll Lagrein Riserva DOC
Typischer Duft von Früchten, Gewürzen und Kakao, im Geschmack eher saftig als wuchtig; zeigt markante Gerbstoffe, die noch eine weitere Flaschenreife erlauben. Zu dunklem Fleisch oder als Solist nur mit einem Stück bester Schokolade mit hohem Kakaoanteil. Um 29 Euro

Praeclarus pas dosé blanc de blancs DOC 2014
Aus Chardonnay-Trauben von höher gelegenen Weinbergen gekeltert. Die Grundweine reiften im Holzfass, der Sekt 60 Monate in der Flasche – im historischen Luftschutzbunker. Komplexer Duft von Frucht, Kräuterwürze und Brioche, feine Perlage und anhaltender Geschmack. Zu kalten Häppchen, Sushi und Ceviche. Um 29 Euro.

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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