Noch immer ist der Gambero Rosso der wichtigste italienische Weinführer. Seine Urteile haben, bei aller Kritik, national, aber auch international die höchste Resonanz aller Weinführer. Die Bekanntgabe der besten Gewächse, der 3-Gläser-Weine, ist ein Spektakel und Höhepunkt im Weinjahr vieler Winzer. In diesem Jahr war ich bei der Prämierung Ende Oktober in Rom dabei – ein Event, das mit einer Bühnenshow im Auditorium Massimo zelebriert wurde und über das sowohl die Tageszeitungen als auch die großen Fernsehstationen in Italien ausführlich berichteten – auch weil der Gambero Rosso in diesem Jahr seinen 30. Geburtstag feiert. Ich war gefragt worden, ob ich zu diesem Anlass den Preis für den italienischen „Weißwein des Jahres“ überreichen würde (der 2015er Verdicchio dei Castelli di Jesi von der Tenuta di Tavignano) und dabei ein paar Worte über die deutsch-italienischen Weinbeziehungen sagen würde.
Vor vier Wochen hatte ich auf weinkenner.de bereits meine persönlichen Kommentare zu den neuen 3-Gläser-Weinen des Piemont und der Toskana[/intlink] veröffentlicht. Jetzt schiebe ich ein paar Bemerkungen zu Weinauswahl der restlichen 18 Regionen Italiens nach, vom Aostatal über Venetien, Friaul, Umbrien bis zu den meridionalen Regionen der italienischen Stiefels. Einen Teil der prämierten Weine konnte ich in Rom nachverkosten und mir so ein Urteil bilden. Über andere Weine habe ich ausführlich mit den jeweiligen Juroren sprechen können. Insgesamt erhielten diesmal 429 Weine die höchste Auszeichnung – 8 mehr im vergangenen Jahr.
Der Gambero Rosso 2017 wird kommenden Februar in deutscher Übersetzung erscheinen. Preis: 30 Euro. Bezug über den Buchhandel.
Aostatal: die 3-Gläser-Weine
Valle d’Aosta Chambave Muscat Flétri 2014 La Vrille
Valle d’Aosta Chardonnay Élevé en Fût de Chêne 2015 Anselmet
Valle d’Aosta Cornalin 2015 Rosset Terroir
Valle d’Aosta Petite Arvine 2015 Elio Ottin
Valle d’Aosta Pinot Gris 2015 Lo Triolet
Valle d’Aosta Syrah Côteau La Tour 2014 Les Crêtes
Kommentar: In das Aostatal reist man nicht jeden Tag. Ich war das letzte Mal vor drei Jahren da, um einige Weingüter zu besuchen. Im Rom hatte ich nun Gelegenheit, die 3-Gläser-Weine dieser kleinen Alpenregion am südlichen Fuß des Mont Blanc en bloc zu verkosten. Entsprechend neugierig war ich. Mein Eindruck: Keiner der prämierten Weine war wirklich überragend. Alle brav, solide, wenn man so will: typisch. Ich weiß nur nicht, was dieses Adjektiv bedeutet. Für landesfremde Weintrinker gibt es, bei allem Respekt für die Winzer, jedenfalls keinen Grund, ins Aostatal aufzubrechen, um irgendwelche Erfahrungen zu machen, die man anderswo nicht auch machen könnte. Möglicherweise liegt es an dem Jahrgang 2015, der für örtliche Verhältnisse sehr warm war. Statt um die nötigen Zuckerwerte zu kämpfen, mussten die Winzer sich diesmal anstrengen, die Alkoholgrade nicht allzu hoch nach oben schießen zu lassen. Kein Wunder, dass der sechste 3-Gläser-Wein diesmal ein roter Syrah ist.
Ligurien: die 3-Gläser-Weine
Colli di Luni Vermentino Et. Nera 2015 Lunae Bosoni
Colli di Luni Vermentino Il Maggiore 2015 Ottaviano Lambruschi
Colli di Luni Vermentino Sarticola 2015 La Baia del Sole – Federici
Dolceacqua Bricco Arcagna 2014 Terre Bianche
Riviera Ligure di Ponente Pigato Bon in da Bon 2015 BioVio
Riviera Ligure di Ponente Pigato Le Marige 2015 La Ginestraia
Kommentar: Nicht alle, aber einige der 3-Gläser-Weine konnte ich in Rom verkosten. Alle sehr solide, ja delikat. Aber Spitzenweine? Fehlanzeige. Die feinwürzigen Pigato-Weine aus der Gegend um Albenga haben mir noch am besten gefallen, vor allem der von BioVio (vielleicht lag es auch nur an der sympathischen Winzerin und ihrem Mann). Auch die Vermentino-Weine aus dem südlichen Ligurien (Coll di Luni) mundeten gut. Die Salzigkeit der sardischen Vermentino erreichen sie jedoch nicht. Überhaupt: Unter Spitzenweinen verstehe ich etwas anderes. Zur Ermutigung der „heroischen“ Winzer der Region sind die 3 Gläser jedoch gut geeignet.
Südtirol: die 3-Gläser-Weine
Südtirol Cabernet Puntay Ris. 2012 Erste+Neue
Südtirol Chardonnay Löwengang 2013 Alois Lageder
Südtirol Gewürztraminer Auratus Crescendo 2015 Ritterhof
Südtirol Gewürztraminer Brenntal Ris. 2014 Kellerei Kurtatsch
Südtirol Gewürztraminer Nussbaumer 2014 Kellerei Tramin
Südtirol Gewürztraminer Vom Lehm 2015 Castelfeder
Südtirol Kalterersee Auslese Sup. Bischofsleiten 2015 Castel Salegg
Südtirol Lagrein Ris. 2013 Erbhof Unterganzner – Josephus Mayr
Südtirol Lagrein Taber Ris. 2014 Kellerei Bozen
Südtirol Pinot Bianco Praesulis 2015 Gumphof – Markus Prackwieser
Südtirol Pinot Bianco Sirmian 2015 Kellerei Nals Margreid
Südtirol Pinot Grigio St. Valentin 2014 Kellerei St. Michael-Eppan
Südtirol Pinot Nero Bachgart 2013 Maso Hemberg – Klaus Lentsch
Südtirol Pinot Nero Trattmann Mazon Ris. 2013 Kellerei Girlan
Südtirol St. Magdalena Cl. Rondell 2015 Glögglhof – Franz Gojer
Südtirol Sauvignon Lafòa 2014 Kellerei Schreckbichl
Südtirol Sauvignon Mervin 2014 Burggräfler Kellerei Meran
Südtirol Terlan Nova Domus Ris. 2013 Kellerei Terlan
Südtirol Terlan Pinot Bianco Eichhorn 2015 Manincor
Vinschgau Riesling 2014 Falkenstein Franz Pratzner
Vinschgau Riesling Unterortl 2015 Unterortl – Castel Juval
Eisacktal Grüner Veltliner 2015 Kuenhof – Peter Pliger
Eisacktal Pinot Grigio 2015 Köfererhof – Günther Kerschbaumer
Eisacktal Sylvaner 2014 Garlider – Christian Kerschbaumer
Eisacktal Sylvaner 2015 Taschlerhof – Peter Wachtler
Eisacktal Sylvaner Aristos 2015 Eisacktaler Kellerei
Eisacktal Sylvaner Praepositus 2015 Kloster Neustift
Kommentar: Südtirol ist meiner Meinung nach das derzeit spannendste Anbaugebiet Italiens. Erstens wegen der Weißweine, zweitens wegen des Pinot Nero (in Südtirol Blauburgunder genannt). Die 3-Gläser-Liste des Gambero Rosso spiegelt diese Situation leider nicht richtig wider. Weißburgunder, Grauburgunder, Chardonnay, Sauvignon und der bei Italienern so beliebte Gewürztraminer – sie alle sind nach Auffassung der Juroren prämierungswürdig. Dazu Sylvaner aus dem Eisacktal und Riesling aus dem Vinschgau. Ob immer die richtigen Produzenten geehrt wurden, kann ich nicht beurteilen. Immerhin fällt auf, dass der Sauvignon St. Valentin von der Kellerei St. Michael-Eppan, der ein Abonnement auf drei Gläser hat, diesmal nur zwei bekam, und dass die Kellerei Kaltern diesmal ebenso leer ausging wie die Kellerei St. Pauls. Letztere hat einen famosen, in Tonamphoren maischevergorenen Weißburgunder namens Sanctissimus gemacht, der vielen in Südtirol geradezu den Atem genommen hat. Er taucht im Gambero Rosso nicht auf. Und dass die Kalterer mit ihrem Pfarrhof Cabernet diesmal nicht durchgedrungen sind, während die „Konkurrenz“ von der Ersten+Neuen mit ihrem Cabernet die 3 Gläser abräumt – das sorgt für reichlich Gesprächsstoff unter Weinbauern, Sommeliers und Funktionären in und ums Etschtal.
Die neuen Weissburgunder Premium-Weine scheinen überhaupt nicht im Rennen gewesen zu sein, sonst wären die Weißburgunder Riserva Renaissance vom Gumphof, der Appius von St. Michael-Eppan (Cuvée), der Primo der Kellerei Terlan und der erwähnte Sanctissimus allererste Wahl gewesen – selbst wenn es stimmt, dass diese Weine quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit produziert werden.
Ein richtig schiefes Bild ergibt sich, wenn man die Blauburgunder betrachtet. Nur zwei Weine sollen preiswürdig sein? Wenn das stimmte, müssten die Südtiroler einen Großteil ihrer Pinot Nero-Kulturen sofort roden. Wo ist Franz Haas, der große Blauburgunder-Pionier? Wo ist Gottardi? Wo ist Hofstätter? (Hofstätter weigert sich, dem Gambero Rosso Wein zur Verfügung zu stellen). Vor allem: Wo ist der Vigna Gander der Kellerei Girlan, der neue Blauburgunder-Star Südtirols? Mir scheint, hier stimmt etwas nicht mit der Auswahl der Gambero-Rosso-Leute.
Beim Lagrein ist die Riserva von Muri Gries durchgefallen, normalerweise einer der drei besten Lagrein Südtirols. Kann passieren. Aber dass der Antheos, der vielleicht beste St. Magdalena vom Ansitz Waldgries, nicht aufs Treppchen kam, ist schon ein wenig befremdlich. Auch sonst vermisst man den einen oder anderen Wein, der eigentlich regelmäßig zur Spitze gehört. Bei anderen fragt man sich, ob sie versehentlich nach oben gekommen sind. Aber so ist das wohl immer, wenn es um Rankings geht.
Trentino: die 3-Gläser-Weine
Fojaneghe Rosso 2012 Bossi Fedrigotti
San Leonardo 2011 San Leonardo
Teroldego Rotaliano Pini 2012 Roberto Zeni
Trento Brut Altemasi Graal Ris. 2009 Cavit
Trento Brut Domini 2010 Abate Nero
Trento Brut Giulio Ferrari Riserva del Fondatore 2005 Ferrari
Trento Brut Ris. 2010 Letrari
Trento Dosaggio Zero Ris. 2011 Maso Martis
Trento Extra Brut Tridentum 2009 Cesarini Sforza
Trento Rotari Flavio Ris. 2008 Mezzacorona
Kommentar: Beim Trentino möchte ich mich zurückhalten mit Kommentaren, da ich die Trentiner Weine in den letzten Jahren nicht sehr intensiv verfolgt habe. Mir fällt nur auf, dass die Trentodoc-Schaumweine den Löwenanteil der Prämierungen ausmachen. Zu Recht. Trotzdem müssten eigentlich die Weißweine von Pojer + Sandri sowie die Teroldego von Foradori und De Vescovi Ulzbach im 3-Gläser-Reigen erscheinen, finde ich.
Lombardei: die 3-Gläser-Weine
Brut 2011 Monsupello (Oltrepò Pavese)
Brut Farfalla Ballabio (Oltrepò Pavese)
Franciacorta Brut Rosé Boké 2012 Villa
Franciacorta Dosage Zéro Vintage Collection 2011 Ca‘ del Bosco
Franciacorta Extra Brut 2012 Ricci Curbastro
Franciacorta Extra Brut 2009 Lo Sparviere
Franciacorta Nature 61 2009 Guido Berlucchi & C.
Franciacorta Non Dosato Bagnadore Ris. 2009 Barone Pizzini
Franciacorta Pas Dosé 33 Ris. 2009 Ferghettina
Franciacorta Pas Dosé Girolamo Bosio Ris. 2009 Bosio
Franciacorta Pas Operé 2009 Bellavista
Franciacorta Zero 2012 Contadi Castaldi
Lugana Molin 2015 Cà Maiol
Oltrepò Pavese Brut ‚More 2012 Castello di Cigognola
Oltrepò Pavese Vivace Campo del Monte 2015 F.lli Agnes
Oltrepò Pavese Cruasé Oltrenero Tenuta Il Bosco
Oltrepò Pavese Pinot Nero Brut 1870 2012 Giorgi
Pinot Nero Bertone 2013 Conte Vistarino
Valtellina Sforzato Albareda 2013 Mamete Prevostini
Valtellina Sfursat 5 Stelle 2013 Nino Negri
Valtellina Sup. Grumello Buon Consiglio Ris. 2007 Ar.Pe.Pe.
Valtellina Sup. Sassella Ris. 2012 Aldo Rainoldi
Valtellina Sup. Valgella Cà Moréi 2013 Sandro Fay
Kommentar: Den Großteil der 3-Gläser-Weine stellen die Schaumweine aus der Franciacorta dar – kein Wunder angesichts der internationalen Erfolge dieser Metodo-Classico-Produkte. Auffällt, dass überproportional viele dieser prämierten, flaschenvergorenen Schaumweine in der Geschmackrichtung Extra Brut bzw. Non Dosé liegen. Das ist nicht nur eine Modeerscheinung. Wegen der milderen Säure (im Vergleich zum Champagner) kommen die Franciacorta mit weniger Dosage aus – bei den 5 Jahre und länger auf der Hefe liegenden Weine auch ganz ohne Dosage. Grandios der Zero Noir von Ca’del Bosco, exzellent der Pas Dosé von Ferghettina, phantastisch der Zero von Contadi Gastaldi. Und auch die Schäumer von Ricci Curbastro, Lo Sparviere und Bosio sind große Klasse. Berlucchi hätte, bei allem Respekt für den (erstmals erzeugten) Natur 61, noch rassigere Pferde im Stall. Und auch der eine oder andere weitere Produzent würde gut in die Parade passen. Die zweite lombardische Schaumwein-Appellation Oltrepò Pavese kann da nicht ganz mithalten. Ihre Weine kenne ich nicht sehr gut und muss mich mit Bewertungen zurückhalten. Bleibt noch das Valtellina, eine jahrhundertealte Nebbiolo-Appellation. In der Sfursat-Version (auch Sforzato genannt), also aus getrockneten Trauben hergestellt, erreicht der Wein seine besten (aber leider auch teuersten) Qualitäten. Nino Negri, zum Imperium der Gruppo Italiano Vini, des größten Weinkonglomerats Italiens, gehörend, erzeugt seit Jahren einen leidenschaftlich schönen, gleichzeitig modernen Wein in dieser Stilrichtung, der jedes Jahr zu Recht die 3 Gläser erhält. Allerdings steht ihm Mamete Prevostini mit seinem Sforzato kaum nach.
Venetien: Die 3 Gläser-Weine
Amarone della Valpolicella Cl. Calcarole 2011 Guerrieri Rizzardi
Amarone della Valpolicella Campo dei Gigli 2012 Tenuta Sant’Antonio
Amarone della Valpolicella Cl. 2008 Villa Spinosa
Amarone della Valpolicella Cl. 2012 Allegrini
Amarone della Valpolicella Cl. 2008 Bertani
Amarone della Valpolicella Cl. 2012 David Sterza
Amarone della Valpolicella Cl. Casa dei Bepi 2011 Viviani
Amarone della Valpolicella Cl. La Fabriseria Ris. 2011 F.lli Tedeschi
Amarone della Valpolicella Cl. Monte Ca‘ Bianca 2011Lorenzo Begali
Amarone della Valpolicella Cl. Punta di Villa 2011 Roberto Mazzi
Amarone della Valpolicella Cl. Sergio Zenato Ris. 2010 Zenato
Amarone della Valpolicella Cl. Vaio Armaron Serègo Alighieri 2011 Masi
Amarone della Valpolicella Cl. Vign. Monte Sant’Urbano 2012 Speri
Amarone della Valpolicella Punta Tolotti 2012 Ca‘ Rugate
Bardolino Cl. Vigna Morlongo 2014 Vigneti Villabella
Cartizze Brut Vigna La Rivetta Villa Sandi
Colli Euganei Cabernet Borgo delle Casette Ris. 2012 Il Filò delle Vigne
Custoza Sup. Amedeo 2014 Cavalchina
Custoza Sup. Ca‘ del Magro 2014 Monte del Frà
Lugana Molceo Ris. 2014 Ottella
Madre 2014 Italo Cescon
Montello e Colli Asolani Il Rosso dell’Abazia 2013 Serafini & Vidotto
Soave Cl. Campo Vulcano 2015 I Campi
Soave Cl. La Rocca 2014 Leonildo Pieropan
Soave Cl. Le Bine de Costiola 2014 Tamellini
Soave Cl. Monte Carbonare 2014 Suavia
Soave Cl. Staforte 2014 Graziano Prà
Soave Sup. Il Casale 2015 Agostino Vicentini
Soave Sup. Vigneto Runcata 2014 Dal Cero – Tenuta di Corte Giacobbe
Valdobbiadene Brut Particella 68 2015 Sorelle Bronca
Valdobbiadene Brut Rive di Col San Martino Cuvée del Fondatore Graziano Merotto 2015 Merotto
Valdobbiadene Extra Dry Giustino B. 2015 Ruggeri & C.
Valdobbiadene Rive di San Pietro di Barbozza Brut Nature Grande Cuvée del Fondatore Motus Vitae 2013 Bortolomiol
Valpolicella Cl. Sup. Camporenzo 2013 Monte dall’Ora
Valpolicella Sup. 2012 Marco Mosconi
Valpolicella Sup. 2013 Roccolo Grassi
Valpolicella Sup. Mithas 2012 Corte Sant’Alda
Venezia Cristina Vendemnia Tardiva 2013 Roeno
Kommentar: Amarone und Soave sind die beiden Weine, die den Ruf der Region ausmachen. So hat es den Anschein. Alles andere ist Beiwerk. Beiwerk? Der ökonomisch wichtigste Wein Venetiens ist heute der Prosecco. Nachdem jahrelang kein Prosecco die 3 Gläser bekommen hat, sind diese Schaumweine seit geraumer Zeit „satisfaktionsfähig“. Gut so. Denn man darf sie nicht mit Schaumweinen der „klassischen Methode“ (Flaschengärung) vergleichen. Diesmal sind es gleich vier Prosecco, die ausgezeichnet wurden. Jeden kenne und schätze ich. Dazu der Cartizze Vigna la Rivetta von Villa Sandi: ein nahezu trockener Cartizze, was neu und insofern ungewöhnlich ist, da ein Cartizze fast immer extra dry ausgebaut wird. Beim abendlichen Dinner in Rom sass ich zufällig neben Giancarlo Moretti Polegato, dem Besitzer von Villa Sandi, und er sagte mir klipp und klar, dass die Cartizze-Produzenten umdenken sollten und den Wein nicht zum Dessert, sondern zu Antipasti oder Primi Piatti planen sollten. Also Brut. Seine Cartizze hat immer noch 12 Gramm Restsüße, aber auch über 7 Gramm Säure. Wir tranken ihn zu einem Jakobsmuschel-Carpaccio.
Dass sechs weiße Soave-Weine den Sprung aufs Podium geschafft haben, freut mich ebenfalls. Keinen konnte ich probieren. Aber ich weiß, dass die besten Soave von heute mit denen von vor zehn Jahren nichts mehr gemein haben. Anders gesagt: Es sind teilweise richtig gute Weine geworden. Leider befindet sich Soave wirtschaftlich in der Krise. Der Markt ist noch nicht bereit, höhere Preise für gute Qualität zu zahlen. Das Billig-Image lässt sich offenbar nicht so leicht abschütteln.
Ansonsten bleibt alles weitgehend beim Alten. Beim Amarone haben Produzenten wie La Brigaldara, Musella, Zymè, Quintarelli diesmal nur 2 (rote) Gläser verbuchen können. Die Inspektoren des Gambero Rosso werden ihre Gründe gehabt haben. Dal Forno, der herausragende Amarone-Produzent, ist schon länger nicht mehr im Gambero Rosso gelistet. Aber Stars holen sich ihre Anerkennung nicht von einheimischen Journalisten, sondern von Parker, Galloni und anderen. Sie geben Dal Fornos Amarone bis zu 99 Punkten.
Interessant zu beobachten, dass nur ein Bardolino, aber vier Valpolicella Superiore es in die höchsten Ränge geschafft haben. Deutet sich da ein Revival des vielfach belächelten einfachen Valpolicella an? Siegt er am Ende sogar über den populären Ripasso?
Friaul-Julisch Venetien: die 3-Gläser-Weine
Carso Malvasia Dileo 2015 Castelvecchio
Chardonnay 2015 di Lenardo
Collio Bianco Broy 2015 Eugenio Collavini
Collio Bianco Solarco 2015 Livon
Collio Friulano 2015 Schiopetto
Collio Friulano 2015 Fiegl
Collio Friulano 2015 Doro Princic
Collio Friulano 2015 Russiz Superiore
Collio Malvasia 2015 Ronco dei Tassi
Collio Ribolla Gialla di Oslavia Ris. 2012 Primosic
Collio Sauvignon 2015 Tiare – Roberto Snidarcig
Desiderium I Ferretti 2013 Tenuta Luisa
Friuli Colli Orientali Bianco Illivio 2014 Livio Felluga
Friuli Colli Orientali Bianco LaLinda 2014 La Tunella
Friuli Colli Orientali Friulano 2015 Tenuta di Angoris
Friuli Colli Orientali Friulano No Name 2015 Le Vigne di Zamò
Friuli Colli Orientali Pinot Bianco Myò 2015 Zorzettig
Friuli Colli Orientali Pinot Grigio 2015 Torre Rosazza
Friuli Colli Orientali Sauvignon Liende 2015 La Viarte
Friuli Colli Orientali Sauvignon Zuc di Volpe 2015 Volpe Pasini
Friuli Grave Pinot Bianco 2015 Le Monde
Malvasia 2013 Skerk
Pinot Grigio 2015 Jermann
Ribolla Gialla 2012 Damijan Podversic
Ribolla Gialla 2008 Gravner
Tal Lùc Cuvée Speciale Lis Neris
Kommentar: Wegen Zeitmangels konnte ich die friaulschen Weine nicht verkosten. Ich habe nur registriert, dass die Gambero-Rosso-Leute hingerissen von den 2015er Weißweinen sind. Das muss nichts heißen. Nach 2014 ist auch Normales zum Jubeln und Jauchzen. Immerhin ist diesmal auch ein Pinot Bianco unter den Siegern, obwohl die Rebsorte, die einst ein Aushängeschild für das Friaul war, inzwischen zu einem kläglich-kleinen Rest zusammengeschrumpft ist. Dass der Friulano (früher: Tocai) gleich sechsmal in der Liste auftaucht, erstaunt mich dagegen. In einem warmen Jahr wie 2015 ist er, fürchte ich, noch fetter als sonst. Doch das ist nur eine Vermutung. Übrigens sind mit Gravner, Podversic, Primosic gleich drei maischevergorene Weißweine unter den Prämierten. Mutig.
Emilia Romagna: die 3-Gläser-Weine
Colli di Parma Rosso „Monte delle Vigne“ 2014 Monte delle Vigne
Colli di Rimini Cabernet Sauvignon „Montepirolo“ 2012 San Patrignano
Lambrusco di Modena Brut Rosé M. Cl. 2012 Cantina della Volta
Lambrusco di Sorbara del Fondatore 2015 Chiarli Tenute Agricole
Lambrusco di Sorbara Secco Rito 2015 Zucchi
Lambrusco di Sorbara Vigna del Cristo 2015 Cavicchioli
Reggiano Lambrusco Concerto 2015 Ermete Medici & Figli
Romagna Albana Passito Regina di Cuori Ris. 2012 Gallegati
Romagna Albana Secco I Croppi 2015 Celli
Romagna Sangiovese Modigliana I Probi di Papiano Ris. 2013 Villa Papiano
Romagna Sangiovese Modigliana Sup. Vigna 1922 Ris. 2013 Torre San Martino
Romagna Sangiovese Sup. Godenza 2014 Noelia Ricci
Romagna Sangiovese Sup. Limbecca 2014 Paolo Francesconi
Romagna Sangiovese Sup. Vigna del Generale Ris. 2013 Fattoria Nicolucci
Kommentar: Ich habe die Weine der Emilia Romagna in Rom nicht degustieren können. Die Zeit war zu knapp, und die Degustations-Kapazität eines Menschen ist begrenzt, vor allem, wenn ihm nur wenige Stunden zur Verfügung stehen. Ein paar Anmerkungen aus den Gesprächen mit Verkostern des Gambero Rosso kann ich jedoch wiedergeben. Da ist zuerst der Lambrusco, das vinologische Markenzeichen der Emilia. Dieser perlende oder auch schäumende Rotwein, der bei uns in Deutschland gern belächelt wird, hat in seinen besten Qualitäten Eingang in die Regale renommierter Önotheken Italiens gefunden, auch in die Listen der berühmtesten Restaurants zumindest der Region. Das gilt vor allem für den Lambrusco di Sorbara, einen fast roséfarbenen Wein, der teilweise wie ein Champagner auf der Flasche vergoren wird. Die zuständigen Tester sind hocherfreut, dass dieser Lambrusco immer häufiger von kleinen, handwerklich arbeitenden Erzeugern entdeckt und zur Perfektion gebracht wird. Ausserhalb der Lambrusco-Welt gibt es in der Emilia wenig Grund zum Jubeln. Viel Routine, viel Kommerzielles, wenig Terroir-Weine. Von den 3 Gläsern für den Cabernet Sauvignon Montepirolo sind, so scheint mir, weniger dem Wein gewidmet als der bewundernswerten karitativen Zielsetzung der Gemeinschaft von San Patrignano, die drogenabhängige Jugendliche resozialisiert.
Die Romagna, also die Gegend von Bologna bis nach Rimini, ist vor allem Sangiovese-Land. Doch die „Gamberini“, wie die Tester manchmal scherzhaft genannt werden, sind nicht begeistert von der stilistischen Entwicklung, die dieser Wein derzeit durchmacht: zu üppig, zu sehr in die Breite gehend, überreif, zu wenig Frische und Frucht – so lautet ihre Kritik. Ich erlaube mir anzumerken: Genau diesen Stil haben die Damen und Herren des Gambero Rosso jahrelang prämiert. Ähnliches kann man bei dem einzigen interessanten Weisswein der Romagna beobachten, dem Albana. Die Winzer versuchen, ihm mehr Fülle zu geben, was auf Kosten der Frische geht. Löbliche Ausnahme: der Albana von Celli. Er wurde dann auch als einziger mit den begehrten 3 Gläsern prämiert.
Marken: die 3 Gläser-Weine
Castelli di Jesi Verdicchio Cl. Crisio Ris. 2013 CasalFarneto
Castelli di Jesi Verdicchio Cl. Lauro Ris. 2013 Mattioli
Castelli di Jesi Verdicchio Cl. Salmariano Ris. 2013 Marotti Campi
Castelli di Jesi Verdicchio Cl. San Paolo Ris. 2013 Pievalta
Castelli di Jesi Verdicchio Cl. San Sisto Ris. 2014 Fazi Battaglia
Castelli di Jesi Verdicchio Cl. Utopia Ris. 2013 Montecappone
Castelli di Jesi Verdicchio Cl. Villa Bucci Ris. 2014 Bucci
Conero Campo San Giorgio Ris. 2011 Umani Ronchi
Offida Pecorino Artemisia 2015 Spinelli
Kupra 2013 Oasi degli Angeli
Offida Pecorino Guido Cocci Grifoni 2013 Tenuta Cocci Grifoni
Offida Pecorino Rêve 2014 Velenosi
Offida Rosso Vignagiulia 2013 Dianetti
Verdicchio dei Castelli di Jesi Cl. Sup. Il Priore 2014 Sparapani – Frati Bianchi
Verdicchio dei Castelli di Jesi Cl. Sup. Misco 2015 Tavignano
Verdicchio dei Castelli di Jesi Cl. Sup. Sabbionare 2015 Sabbionare
Verdicchio di Matelica Collestefano 2015 Collestefano
Verdicchio di Matelica Mirum Ris. 2014 Monacesca
Verdicchio di Matelica Vign. B. 2015 Belisario
Verdicchio di Matelica Vign. Fogliano 2013 Bisci
Kommentar: Die Weißweine nehmen in der Gambero Rosso-Siegerliste 16 von insgesamt 20 Weinen ein – Beweis dafür, dass die Region Marken ein Wandel stattgefunden hat. Die roten Weine treten in die zweite Reihe zurück. Der Conero ist nur noch einmal vertreten (Umani Ronchi), der Rosso Piceno und der Rosso Conero tauchen gar nicht mehr als 3-Gläser-Weine auf. Nach Aussagen der Gambero-Rosso-Experten liegt das daran, dass die Montepulciano-Traube gut ist für Konzentration, hohe Extrakte und hohen Alkoholgehalt, aber nicht für Geschmeidigkeit und Eleganz. Da ist wohl etwas dran.
Von den 16 Weißweinen, die prämiert wurden, sind 14 aus Verdicchio- und zwei aus Pecorino-Trauben – beides autochthone Sorten, beide sträflich unterschätzt (nach meiner Meinung). Sie ergeben keine Hochgewächse, aber mineralisch-fruchtige Weine im mediterranen Stil, wie sie die Weintrinker in aller Welt lieben, vor allem die, der italienischen Küche zugeneigt sind.
Die Auswahl, die der Gambero Rosso getroffen hat, ist okay. Sie hätte nach meinen Verkostungen auch anders ausfallen können, aber ich unterstelle, dass die Juroren intensiver und genauer probieren konnten als ich stehend im Schnelldurchgang. Intensiver habe ich mich nur mit dem Verdicchio Misco von der Tenuta di Tavignano befasst, der zum Weißwein des Jahres gekrönt wurde. Ich hatte die Aufgabe, die entsprechende Urkunde an die Winzerin zu überreichen. Hab ich gerne getan, aber dass der Misco – bei allem Respekt – nun ganz oben in der Liga der italienischen Weißweine spielen soll, das kann ich mir dann doch nur schwer vorstellen. Allein die beiden Pecorino-Weine haben mir in ihrer Wildheit und extremen Mineralität ein klein wenig besser gefallen.
Umbrien: die 3-Gläser-Weine
Brecciaro 2014 Bussoletti
Cervaro della Sala 2014 Castello della Sala
Montefalco Sagrantino 2012 Pardi
Montefalco Sagrantino Campo alla Cerqua 2012 Tabarrini
Montefalco Sagrantino Collepiano 2012 Arnaldo Caprai
Orvieto Classico Superiore Campo del Guardiano 2014 Palazzone
Orvieto Classico Superiore Il Bianco 2015 Decugnano dei Barbi
Orvieto Classico Superiore Luigi e Giovanna 2013 Barberani
Todi Grechetto Superiore Fiorfiore 2014 Roccafiore
Torgiano Rosso Rubesco Vigna Monticchio Ris. 2011 Lungarotti
Kommentar: Umbrien habe ich schon ein paar Jahre nicht mehr bereist und auch bei der Präsentation in Rom habe ich auf eine Verkostung der Weine verzichtet. Ganz allgemein lässt sich soviel sagen: Umbrien setzt seit einigen Jahren verstärkt auf Weißweine. Die wichtigste Sorte ist diesbezüglich die Grechetto, die die Basis für den Orvieto bildet.
Drei Orvieto-Weine stehen deshalb nicht zufällig auf dem Treppchen, genau genommen, sogar vier, wenn man Antinoris Cervaro della Sala mit dazu zählt (der zwar im Anbaugebiet von Orvieto wächst, aber als Basis Chardonnay hat und nur 15 Prozent Grechetto aufweist und deshalb sich nicht Orvieto nennen darf). Der Cervaro della Sala, im Burgunderstil vinifiziert, ist für mich einer zehn großen Weißweine Italiens. Aber die „echten“ Orvieto von Decugnano dei Barbi und Baberani kommen ihm laut Aussage der Gambero Rosso-Inspektoren diesmal sehr nahe.
Noch begeisterter sind „Gamberini“ allerdings vom Fiorfiore des Weinguts Roccafiore, einem biodynamisch erzeugtem Grechetto aus Todi, der die neue Weisswein-Messlatte darstellen soll. Die Wiederentdeckung der weißen Sorte Trebbiano Spoletino schlägt sich in der Siegerliste dagegen nicht nieder. Doch werden mehrere dieser Weißweine mit zwei Gläsern bedacht, Raina und Perticaia sogar mit zwei roten Gläsern.
Der Montefalco Sagrantino, der wichtigste Rotwein Umbriens, hat diesmal nicht die Herzen der Juroren höher schlagen lassen. Der Jahrgang 2012 war zu kompliziert, sagen sie, die Weine zu hart und wenig komplex. Nur Caprai und Tabarrini dürfen sich mit drei Gläsern schmücken.
Abruzzen und Molise: die 3-Gläser-Weine
Cerasuolo d’Abruzzo Villa Gemma 2015 Masciarelli
Montepulciano d’Abruzzo 2012 Valentini
Montepulciano d’Abruzzo 2014 Villa Medoro
Montepulciano d’Abruzzo Amorino 2012 Castorani
Montepulciano d’Abruzzo Chronicon 2013 Zaccagnini
Montepulciano d’Abruzzo Colline Teramane Zanna Ris. 2011 Illuminati
Montepulciano d’Abruzzo Luì 2013 Terraviva
Montepulciano d’Abruzzo Mo Ris. 2012 Tollo
Pecorino 2015 Tiberio
Pecorino Frontone 2013 Cataldi Madonna
Trebbiano d’Abruzzo Bianchi Grilli per la Testa 2014 Torre dei Beati
Trebbiano d’Abruzzo V. del Convento di Capestrano 2014 Valle Reale
Kommentar: Die Region Abruzzen, jahrzehntelang geprägt von Genossenschaften und der Weinindustrie, hat sich in den letzten Jahren abseits der großen Öffentlichkeit zu einer dynamischsten Regionen Italiens entwickelt. Viele Weinbauern, die früher ihre Trauben brav an die Genossenschaften ablieferten, erzeugen jetzt selbst Wein. Und viele junge, gut ausgebildete Winzersöhne und -töchter haben sich entschlossen, ihre Arbeit in den Wein zu investieren statt sich von düsteren Berufsaussichten deprimieren zu lassen. Dass Abruzzen feine Weine erzeugen kann, steht außer Frage. Valentini und Masciarelli beweisen es seit Jahren. Auch diesmal wurden sie wieder mit 3 Gläsern ausgezeichnet. Dass es im Falle von Masciarello eine Rosé wurde, überrascht mich (und andere). Bei allem Respekt für den Wein: mit 2 Gläsern wäre er mehr als gut bedient. Valentinis Rosé, den ich aus früheren Verkostungen kenne, hätte dagegen die 3 Gläser verdient (und früher auch regelmässig bekommen): ein Cerasuolo von einem anderen Stern. Der Montepulciano d’Abruzzo ist freilich auch ein würdiger Vertreter der Region. Mehr noch: ein Leuchtturm.
Ansonsten befremdet mich die Auswahl der Gambero-Rosso-Juroren schon ein wenig: zu wenig Weißwein, zu viel Montepulciano. Obwohl die 3-Gläser-Montepulciano alle von renommierten Produzenten kommen, sind die meisten, die ich verkosten konnte, sperrig, wild, unbalanciert mit ungehobeltem Tannin und oft überreifen und gleichzeitig grünen Noten. Ob die Weine mit den Jahren ausgewogener werden, weiß nur der liebe Gott. Ich habe meine Zweifel.
Noch mehr befremdet mich aber, dass nur zwei Pecorino-Weißweine und kein einziger Passerina-Weißer unter den Prämierten sind. In den hoch gelegenen Weinbergen an den Hängen des Apennin, wo die Böden extrem karg und steinig sind, bringen diese beiden Sorten Weine von einer Mineralität hervor, die es sonst nirgendwo in Italien gibt.
Molise: die 3-Gläser-Wein
Molise Tintilia 2013 Di Majo Norante
Kommentar: Tintilia ist die wohl hochwertigste rote Sorte in Molise, und was Di Majo Norante daraus macht, ist aller Achtung wert. Der Ehrlichkeit halb sollte aber hinzugefügt werden, dass dieser Wein nicht mit anderen großen Rotweinen des Landes auf Augenhöhe ist.
Latium: Die 3-Gläser-Weine
Antium Bellone 2015 Casale del Giglio
Cesanese del Piglio Sup. Hernicus 2014 Coletti Conti
Fiorano Rosso 2011 Tenuta di Fiorano
Frascati Sup. Epos Ris. 2015 Poggio Le Volpi
Habemus 2014 San Giovenale
Montiano 2014 Falesco
Poggio della Costa 2015 Sergio Mottura
Kommentar: Sehr kritisch gehen die Juroren des Gambero Rosso mit den Weinen aus Latium zu Gericht. Besonders zahlreich waren die 3-Gläser-Weine aus dieser mittelitalienischen Region nie. Aber jetzt sind sie noch weniger geworden, was nach Gambero-Rosso-Version auf die problematischen Jahrgänge 2014 (regnerisch) und 2015 (zu heiß) zurückzuführen ist. Besser gesagt: darauf, dass die Winzer sich schwer getan haben, mit den klimatischen Unbilden umzugehen. Besonders in der Frascati-Region südlich von Rom, aber auch um Viterbo im Norden haben nur wenige Winzer so sorgfältig verlesen, dass gute Weine herausgekommen sind. Ein mutiges journalistisches Statement! Am Ende sind die Klassiker übriggeblieben: der Cabernt franc Habemus von San Giovenale, der Montiano von Falesco (Bordeaux Cuvée) und der weiße Poggio alla Costa (Grechetto) von Sergio Mottura. Zustimmung ja, Begeisterung nein.
Apulien: die 3-Gläser-Weine
Castel del Monte Nero di Troia Ottagono Ris. 2014 Torrevento
Gioia del Colle Primitivo 17 2013 Polvanera
Gioia del Colle Primitivo Muro Sant’Angelo Contrada Barbatto 2013 Chiaromonte
Gioia del Colle Primitivo Ris. 2013 Cantine Tre Pini
Gioia del Colle Primitivo Senatore 2010 Coppi
Negroamaro 2014 Carvinea
Oltremé Susumaniello 2015 Tenute Rubino
Primitivo di Manduria 2015 Felline
Primitivo di Manduria Passo del Cardinale 2014 Cantine Paolo Leo
Primitivo di Manduria Raccontami 2014 Vespa – Vignaioli per Passione
Salice Salentino Rosso 50° Vendemmia 2014 Leone De Castris
Salice Salentino Rosso Selvarossa Ris. 2013 Cantine Due Palme
Kommentar: Schwer nachzuvollziehen, dass 7 von 12 Siegerweinen den Namen Primitivo auf dem Etikett tragen. Hochgradig beliebt zwar bei „Leckertrinkern“ wegen ihrer süßen Mon-Chérie-Note, von ernsthaften Weintrinkern jedoch vehement abgelehnt und niedergeschrieben. Ich habe die prämierten Weine probiert, vor allem den angeblich so eleganten und zum „Rotwein des Jahres“ erklärten Gioa di Colle Primitivo „Muro Sant’Angelo Contrada Barbatta“ von Chiaromonte. Charakter: behäbig. Geschmack: eindimensional. Trinkfluss: null. Oder den hochgelobten Gioia del Colle Primitivo „Senatore“ aus der Kellerei Coppi: schwarzrot in der Farbe, mit süßer, sirupartiger Frucht, geschmolzener Schokolade, 16,5 Vol.% Alkohol. Er macht mich ratlos. Was soll so ein mopsiger Wein? Wenn man böse ist, könnte man sagen: ein schlechter Port. Die prämierten Negroamaro-Weine mögen regional überzeugen, genügen aber internationalen Maßstäben nicht, jedenfalls nicht denen von Spitzenweinen. Ein kleiner Lichtblick ist der rote Susumaniello, der eine gewisse Frische zeigt und ohne aufdringliche meridionale Noten auskommt. Mein Urteil steht fest: Apulien ist das Land einfacher, delikater Weißweine und erfrischender Rosés. Dazu kommen viele Rotweine – aber nur wenige interessante.
Kampanien: die 3-Gläser-Weine
Caiatì 2014 Alois
Campi Flegrei Piedirosso 2015 Agnanum
Costa d’Amalfi Furore Bianco 2015 Marisa Cuomo
Costa d’Amalfi Ravello Bianco Vigna Grotta Piana 2015 Sammarco
Falanghina del Sannio Biancuzita 2014 Torre a Oriente
Falanghina del Sannio Janare 2015 La Guardiense
Falanghina del Sannio Svelato 2015 Terre Stregate
Falanghina del Sannio Taburno 2015 Fontanavecchia
Fiano di Avellino 2015 Colli di Lapio
Fiano di Avellino 2015 Sarno 1860
Fiano di Avellino 2014 Ciro Picariello
Fiano di Avellino 2014 Rocca del Principe
Fiano di Avellino Pietramara 2015 Favati
Fiano di Avellino V. della Congregazione 2015 Villa Diamante
Greco di Tufo 2015 Pietracupa
Greco di Tufo V. Cicogna 2015 Ferrara
Montevetrano 2014 Montevetrano
Paestum Bianco 2015 San Giovanni
Sabbie di Sopra il Bosco 2014 Nanni Copè
Taurasi Coste 2011 Contrade di Taurasi
Trentenare 2015 San Salvatore
Zagreo 2015 I Cacciagalli
Kommentar: Neapel und sein Hinterland sei die italienische Region, die die meisten Neuentdeckungen bereithält, meinen die Damen und Herren des Gambero Rosso. Auch unter den 3-Gläser-Weinen sind mehrere Neulinge. Etwa der rote Piedirosso des Weinguts Agnanum in den Campi Flegrei am nördlichen Stadtrand von Neapel. Oder der Ravello Bianco des 80jährigen Ettore Sammarco, der auf den Handtuch-kleinen, schwer zugänglichen Parzellen der amalfitanischen Küste einen tollen Weißwein keltert. Schließlich mehrere Fiano di Avellino der Tenuta Sarno 1860 und der in Tonamphoren auf der Maische vergorene Zagreo, ein Orange-Wein aus Fiano-Trauben, gewachsen am Fuße des (erloschenen) Vulkans Roccamonfina. Oder der bei Paestum gewachsene Fiano „Trentenare“ des Hoteliers und Mozzarella-Produzenten Giorgio Pagano.
Überhaupt sind Weißweine die Stärke dieser süditalienischen Region geworden. Fiano di Avellino und Greco del Tufo waren und bleiben die Spitzengewächse. Aber Marisa Cuomo aus Furore an der amalfitanischen Küste erzeugt seit Jahren mit ihrem Fiorduva einen der rarsten und besten Weißweine Italiens. In diesem Jahr haben es die Inspektoren des Gambero Rosso allerdings vorgezogen, ihren einfacheren Furore Bianco zu prämieren. In den letzten Jahren sind die Falanghina-Weine aus dem Sannio um die Stadt Benevento dazugekommen. Wer denkt, Weißweine aus diesen Breitengraden besäßen keine Säure, sollte sie mal probieren. Ich persönlich präferiere in diesem Jahr den Falanghina von Fontanavecchia. Nicht schlecht auch der hochmineralische Caiati aus Pallagrello-Trauben, einer seltenen, fast schon ausgestorbenen Sorte, die in einigen alten Weingärten der Vulkanzone um Caserta noch zu finden ist.
Die Rotweine Kampaniens dagegen waren nicht so überzeugend. Häufig dominiert das Neuholz – 40 Jahre nach Einführung des Barriques in Italien sollte das eigentlich nicht passieren. Eine löbliche Ausnahme, davon habe ich mich degustatorisch überzeugen können, war der Montevetrano aus dem Hinterland von Salerno, eine Cuvée aus Cabernet Sauvignon, Aglianico und Merlot, die Robert Parker einmal übermütig „Sassicaia des Südens“ bezeichnet hatte. Trotz Dauerregens hat Silvia Imparato in 2014 einen feinen, aromenstarken Wein auf die Flasche gebracht. Bei den Taurasi-Weinen gab es weniger Auszeichnungen. 2011 und 2012 waren warme bis heiße Jahre, was die Qualität nicht begünstigt. Der Taurasi von Contrade di Taurasi hat wahrscheinlich davon profitiert, dass er aus biologischem Anbau stammt. Ohne Stickstoffdünger und Bewässerung wurzeln die Reben tiefer im Boden als bei konventionellem Anbau. Ein großer Rotwein ist dieser Taurasi, pardon, jedoch nicht. Alle anderen Rotweinproduzenten müssen sich in Demut üben, einschließlich Mastroberardino, Feudi di San Gregorio, Villa Matile und Galardi, der für seinen normalerweise hoch gelobten Terra di Lavoro in 2014 nicht einmal zwei rote Gläser bekommen hat.
Basilicata: die 3-Gläser-Weine
Aglianico del Vulture Gricos 2014 Grifalco della Lucania
Aglianico del Vulture Il Repertorio 2014 Cantine del Notaio
Aglianico del Vulture Re Manfredi 2013 Re Manfredi – Cantina Terre degli Svevi
Aglianico del Vulture Titolo 2014 Elena Fucci
Kommentar: Den Aglianco von Grifalco della Lucania kenne ich nicht, mit den drei anderen Weinen bin ich hundertprozentig einverstanden. Auch vermisse ich keinen Kandidaten. Der Aglianco von Basilisco, der jahrelang ein Abo auf die 3 Gläser hatte, schien sich mir nicht zwingend aufzudrängen (hatte ihn vor ein paar Wochen in München probiert). Das Weingut gehört seit einigen Jahren zu Feudi di San Gregorio. Der Aglianico Don Anselmo von Paternoster ist schon seit Jahren nicht mehr ganz der Höhe. Die Inhaberfamilie ist zerstritten, das Weingut inzwischen an Tommasi aus Verona verkauft. Die verbliebenen Kleinwinzer haben teilweise sehr schöne Weine erzeugt. Für die höchste Kategorie reicht es indes nicht ganz.
Kalabrien: die 3-Gläser-Weine
Gravello 2014 Librandi
Grisara 2015 Ceraudo
Masino 2014 iGreco
Kommentar: Kalabrien ist das Schlusslicht im italienischen Geleitzug. Nur drei Weine waren diesmal der 3 Gläser würdig. So wenig Spitzenweine hat keine andere Region aufzuweisen. Die Gründe dafür sollen hier nicht diskutiert werden. Eine Bemerkung erlaube ich mir dennoch: Kalabrien besitzt tolle Rot- und Weißweine, die vielleicht keine Spitzenweine sind, aber nicht selten mehr Charakter haben als viele toskanische Weine zum Beispiel. Und: Die drei prämierten Rotweine verdienen die 3 Gläser voll und ganz (sind – mit Ausnahme von Librandi – in Deutschland leider sehr schwer zu finden).
Sizilien: die 3-Gläser-Weine
Alcamo Beleda ’15 Rallo
Cerasuolo di Vittoria Cl. Dorilli ’14 Planeta
Cerasuolo di Vittoria „Giambattista Valli Paris“ ’12 Feudi del Pisciotto
Eloro Pachino Saro ’13 Rudinì
Etna Bianco Alta Mora ’14 Cusumano
Etna Rosso Prephylloxera La Vigna di Don Peppino ’14 Tenuta delle Terre Nere
Etna Rosso San Lorenzo ’14 Girolamo Russo
Etna Rosso Vigna Barbagalli ’13 Pietradolce
Etna Rosso Zottorinoto Ris. ’12 Cottanera
Faro ’14 Casematte
Faro Palari ’12 Palari
Favinia La Muciara ’14 Firriato
Lorlando ’15 Assuli
Nero d’Avola Sosta Tre Santi ’10 Nicosia
Passito di Pantelleria Ben Ryé ’14 Donnafugata
Saia ’14 Feudo Maccari
Shymer ’13 Baglio di Pianetto
Sicilia Carricante Buonora Tascante ’15 Tasca d’Almerita
Sicilia Mandrarossa Carthago ’14 Settesoli
SP 68 Rosso ’15 Arianna Occhipinti
Tripudium Rosso Duca di Castelmonte ’13 Pellegrino
Kommentar: Sizilien und seine Weine zu bewerten, ist immer eine heikle Angelegenheit. Der qualitative Wettbewerb unter den Erzeugern ist groß, und der Proporz zwischen Westsizilien (Provinzen Trapani), Zentral-Sizilien (Provinz Palermo) und Südost-Sizilien (Provinz Ragusa) muss gewahrt bleiben. Schließlich müssen die tonangebenden Kellereien berücksichtigt werden. Zu groß ist deren internationale Reputation inzwischen, als dass man sie einfach übergehen könnte. Das wäre allerdings auch nicht angezeigt. Damit nicht immer dieselben Weine der Etablierten prämiert werden (oder ein Weingut nicht mehrmals 3 Gläser bekommt), weicht der Gambero Rosso gern auf neue oder auf Nebenweine aus. Etwa auf den am Ätna gewachsenen weißen Carricante von Tasca d’Almerita, was dann dazu führt, dass Tascas bedeutendster Rotwein, der Rosso del Conte, mit nur 2 (roten) Gläsern abgespeist wird. Ähnlich Donnafugata, dessen (wieder einmal genialer) Spitzen-Rotwein Milleeunanotte dasselbe Schicksal erleidet, weil der Süßwein Ben Rye die 3 Gläser für sich beansprucht (übrigens zu Recht, wie ich finde). Der Leistungsstand Siziliens lässt sich unter diesen selbst auferlegten Restriktionen des Gambero Rosso so natürlich nicht ermitteln.
Begeisterung haben bei den Juroren einmal mehr die Ätna-Weine ausgelöst – die roten. Nach meinen Verkostungen kann ich die Auszeichnungen für Terre Nere, Girolamo Russo, Cottanera und vor allem Pietradolce nachvollziehen. Alle vier sind Weine, die in die höchste Kategorie gehören (auch wenn meine Begeisterung für den Ätna nicht ganz die luftigen Höhen erreicht wie die der Juroren, siehe meine Bewertungen vom Juli dieses Jahres. Komisch nur, dass das beste Ätna-Weingut in dem Weinführer gar nicht gelistet ist: Passopisciaro von Andrea Franchetti. Ist er etwa, was Qualität und Reputation angeht, schon so weit entfernt von den anderen, dass die Bewertungsskala nicht mehr ausreicht, um ihn zu erfassen?
Die wichtigsten Rotweine der Insel, die Nero d’Avola, sind diesmal auffällig unterpräsentiert. Die Juroren haben smarte Blends aus Nero d’Avola und internationalen Rebsorten favorisiert wie den Tripudium von Pellegrini, den SP 68 Rosso von Arianna Occhipinti, den Shymer von Baglio di Pianetto, den Sosta di Tre Santi von Nicosia. Die großen Nero d’Avola-Klassiker mussten sich diesmal mit zwei Gläsern (roten) bescheiden. Planeta und Baglio di Pisciotto haben sich, statt mit ihren tollen Nero d’Avola, diesmal mit ihren jeweiligen Cerasuolo-Weinen in die Siegerliste eingetragen (die wohl keiner zu den Spitzenweinen zählen würde), Tasca d’Almerita und Cusumano mit ihren Ätna-Weißweinen, Firriato mit einem Weißwein von der Insel Favignana. Als Nero d’Avola überzeugt haben die Verkoster in diesem Jahr nur der Saia von Feudo Maccari, ein Abonnements-Gewinner, der eher duftig-leichte Lorlando von Assuli aus Trapani, der altmodisch-rustikale Eloro von Rudini und der sensationelle Carthago von Mandrarossa – letztere drei Newcomer.
Sardinien: die 3-Gläser-Weine
Alghero Torbato Terre Bianche Cuvée 161 2015 Sella & Mosca
Barrile 2013 Contini
Cannonau di Sardegna Cl. D53 2013 Dorgali
Cannonau di Sardegna Cl. Dule 2013 Gabbas
Cannonau di Sardegna Senes Ris. 2012 Argiolas
Capichera 2014 Capichera
Carignano del Sulcis 6Mura 2011 Giba
Carignano del Sulcis Buio Buio Ris. 2013 Mesa
Falconaro 2011 Dolianova
Latinia 2010 Santadi
Vermentino di Gallura Sup. Sciala 2015 Surrau
Vermentino di Sardegna Stellato 2015 Pala
Kommentar: Sehr speziell die Auswahl der sardischen Weine durch die Gambero Rosso-Inspektoren. Nach meinem Eindruck bieten alle 12 Weine nur gepflegtes Mittelmaß. Wenn ich einen Wein herausheben müsste, dann die Cannonau Riserva von Argiolas, die zum ersten Mal produziert wurde (der bekanntere Turriga erhielt diesmal nur 2 rote Gläser). Die anderen prämierten Rotweine präsentierten sich mehr oder minder marmeladig, mal rustikal, mal glatt und international wie die Cuvée Falconara von Dolianova. Einfach, aber charaktervoll dagegen die Vermentino-Weißweine und auch die weiße Torbato-Cuvée von Sella & Mosca, wenngleich 2015 kein Spitzenjahrgang für Weißweine war: Es war einfach zu warm. Die Weine mögen „lecker“ sein, aber nicht elegant. Das renommierte Weingut Santadi hat auch interessantere Weine im Keller als den Dessertwein Latinia. Warum gerade dieser Wein demonstrieren soll, „was man in dieser Kategorie aus getrockneten (Niello-) Trauben machen kann“, wie mir ein Gambero-Verkoster verriet, erschließt sich mir nicht ganz. Ebenso wenig, weshalb ausgerechnet der weiße Vermentino von Capichera ausgezeichnet wurde und nicht einer seiner famosen Rotweine.