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Das seltsame Erblassen südfranzösischer Rosés

Wer sich jetzt die Regale mit Roséweinen in Supermärkten anschaut, wird sich die Augen wischen. Die Farbskala der Weine reicht von lachsrot über zwiebelrot bis zu pfirsichfarben – zumindest bei südfranzösischen Rosés. Bei manchen dieser Weine muss man schon genau hinschauen, um überhaupt einen rötlichen Schimmer zu erkennen. Sie sind von Weißweinen kaum zu unterscheiden. Im hellen Erdbeerrot  leuchten nur spanische und italienische Roséweine. Die Rosés aus dem Languedoc, aus der Provence, teilweise auch aus Bordeaux sind dagegen regelrecht erblasst.

Von Jahr zu Jahr blasser

Selbst die Franzosen beginnen sich zu wundern. „Wenn man sich anschaut, was jetzt in den Bistros und Cafés an der Côte d’Azur getrunken wird, könnte man glauben, die Rosés leiden alle an Anämie“, witzelte die Tageszeitung Nice Matin. Und der Blogger auf der französischen Website Intothewine konstatiert: „Unsere Rosés werden von Jahr zu Jahr blasser. Ich fürchte, bald werden sie als Rosé kaum noch zu erkennen sein.“

Sicher, Farbe kann man nicht schmecken. Aber die Farbe ist ein Indikator dafür, wie lange der Most auf der Maische gestanden hat. Je heller der Wein, desto kürzer war die Standzeit. Wenn der Schalenkontakt so kurz war, dass nicht einmal die Farbe in den Wein übergehen kann, dann können auch kaum Aromen aus den Schalen extrahiert worden sein. Deshalb schmecken auch viele dieser anämischen Weine wie schlichte Weiße, aber nicht wie ein Rosé.

Nicht im Sinne der Erfinder

RoséweinIm Sinne des Erfinders ist das nicht. Denn die Idee, die die Franzosen hatten, als sie den Roséwein kreierten, bestand darin, ihm ein wenig vom Duft und Geschmack der roten Trauben mitzugeben, aus denen er gekeltert ist. Zum Beispiel ein Hauch von Himbeere, von schwarzer Johannisbeere, von Kirsche. Oder eine pfeffrige Note. Wenn der Rosé nur noch nach Apfel, Birne oder Pfirsich schmeckt, ist er ein Weißwein. Blanc de Noirs sagen die Franzosen: ein Weißwein, aus roten Trauben gewonnen.

Die Konsumenten müssten eigentlich gegen solche Pseudo-Rosés protestieren. Tun sie aber nicht. Rosé ist derzeit die am stärksten wachsende Weinkategorie in Deutschland. Ignoranz? Schwer zu sagen. Vielleicht ist den Rosétrinkern die Farbe schlicht egal. Hauptsache, der Wein ist gut gekühlt. Oder das blass-pinkfarbene Outfit des Weins passt besser zum hellen Kostüm oder der Handtasche, die man gerade trägt.

Den Franzosen ist der Spott egal

Vielleicht signalisiert die helle Farbe ja auch Unbeschwertheit und Leichtigkeit, was in Anbetracht des Alkoholgehalts südfranzösischer Rosés zwar ein Irrtum ist (der liegt meist bei 13 Vol.%). Aber Menschen sind Augenwesen. Was sie sehen, denken sie intuitiv auch. Und was sie denken, schmecken sie. Häufig jedenfalls.

Château La GordonneDen Franzosen wird der Spott egal sein. Moden gibt es auch beim Wein. Und dass Weinschreiber grundsätzlich etwas gegen Rosés haben, ist in Produzentenkreisen so bekannt wie die Abneigung der deutschen Bundeskanzlerin gegen den französischen Präsidenten in Politikerkreisen.

Insofern bin ich selbst ein wenig erstaunt darüber, dass ich neulich einen südfranzösischen Rosé gefunden habe, der Gnade vor meinen Augen fand. Er heißt La Chapelle und ist die Premiumversion des Château La Gordonne aus der Provence. Zwar kommt auch er über ein laues Zwiebelrot nicht hinaus. Aber er ist ein sehr guter Rosé. Ob er der Beste ist, weiß ich nicht. Wer hat schon alle Roséweine probiert, die zwischen Korsika und der Champagne erzeugt werden?

Ein Rosé zum Dekantieren – gibt’s das? Ja!

Rosé La Chapelle
Rosé La Chapelle

Der La Chapelle ist aus Grenache Noir mit einem kleinen Anteil Syrah gekeltert und hat wenigstens ein paar Stunden auf der Maische gegoren, was zwar nicht zu viel Farbe, aber zu einem äußerst feinen, von florealen Noten und zartem Himbeeraroma geprägtem Aroma geführt hat. Am Gaumen ist er schmelzig-weich und süß (obwohl er analytisch natürlich trocken ist). Vor allem hört er, wie die meisten Rosés, nicht gleich hinter den Zähnen auf. Insgesamt ein höchst respektabler, vielleicht sogar nobler Rosé, wie man ihn selten findet. Lieber eine Flasche von ihm als zwei Flaschen Billigrosé aus der Resteverwertung.

Allerdings brauchte dieser La Chapelle Zeit, um sich zu entwickeln. Mindestens 24 Stunden. In dem jungen Stadium, in dem sich der 2012er derzeit befindet, muss man ihn dekantieren – so komisch das bei einem Rosé klingt. Denn nach dem Öffnen der Flasche ist er spröde, abweisend, fast bitter. Aber das ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass ein Rosé eine Maischegärung gemacht hat.

Das Chateau La Gordonne gehört zum Champagner-Imperium Vranken Pommery, was erklärt, dass der Wein nicht billig ist. Er kostet um die 18 Euro pro Flasche. Zugegeben, viel Geld. Es gibt Leute, die halten es für Wahnsinn, mehr als 9 Euro für einen Rosé zu zahlen. Aber für 9 Euro werden sie kaum einen Wein bekommen, den sie mit Anstand auch mal zu einem Hummer oder Steinbutt servieren können. Und schon gar keinen Rosé, der im nächsten Sommer noch besser schmeckt als in diesem.

Der Wein


Etikett 2012 Côte de Provence Rosé La Chapelle2012 Côte de Provence Rosé La Chapelle | Château La Gordonne
Bewertung: 91/100 Punkte
Preis: 18,90 Euro
Bezug: Belvini


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1 Kommentar

  1. Ich kann das teilweise nachvollziehen, denn viele Weintrinker wollen beim Rosé nicht auf zu viel Gerbstoffen “rumbeißen”. Zudem ist eindeutig ein Trend zu leichteren Rosés zu beobachten. Viele provencalische oder spanische Rosés haben über 13% Alkohol, was viele Verbraucher abschreckt. Dies geht dann oft mit der Farbe der Weine einher…… Sicherlich sind die hochwertigen Rosés, die ja auch zum Teil in Barriques ausgebaut sind, teilweise sehr bemerkensert (hervorheben würde ich aus Deutschland den Top-Rosé von Knipser), stellen aber eine absolute Nische dar, da es ja reichlich Weißweine gibt, die man zu Hummer und Steinbutt trinken kann. Ich mag mag auch sehr gerne Saignées, die aus den Trauben von Top-Rotweinen gemacht sind. Als Paradebeispiel fällt mir hier der Essenziell Rosé vom Weingut Zimmerle aus Württemberg ein.

    Zufällig habe ich letzte Woche einen Rosé entdeckt, der 4 Fliegen mit einer Klappe schlägt: er hat eine fantastische kräftige Farbe, er hat nur 10,5% Alkohol, er schemckt eindeutig nach Rotwein (Brombeere, Cassis) und zeigt eine wunderbare Frische mit einer delikaten Spritzigkeit. Es ist ein Vinho Verde Rosé von der Qunta da Lixa. Und das Beste: er kostet nur 4,95 EUR. Das ist viel Rosé fürs Geld.

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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