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„Prosecco vom Führer“: wieder Hitler-Weine in Italien aufgetaucht

 

Perverser Umsatzbringer: die Hitler-Etiketten der Familienkellerei LunardelliDer Winzer heißt Alessandro Lunardelli, und sein Weingut befindet sich in Colloredo di Prato, einem Vorort von Udine. Genau genommen ist es kein Weingut, sondern eine Familienkellerei, die von rund 30 Kleinwinzern aus allen Teilen des Friauls Jungwein kauft, diesen ausbaut, abfüllt und vermarktet.

Wegen der hohen Qualität ihrer Weine ist die 1967 gegründete Kellerei allerdings noch nicht aufgefallen, umso mehr wegen der Etiketten, die auf den Flaschen kleben. Sie zieren barbusige Frauen, Reproduktionen von Meisterwerken Van Goghs und Monets, vor allem aber faschistisch-militärische Motive: Landser mit Stahlhelm,  Kinder, die mit Hitlergruß salutieren, Mussolini auf einem Panzer und Hitler in allen Variationen: mal als Portrait (Aufschrift: «Ein Volk, ein Reich, ein Führer»), mal mit offenem Feldherrenmantel (Aufschrift: «Sieg Heil»),  mal mit Balkenkreuz (Aufschrift : «Der Führer»). Auch Konterfeis von Hermann Göring, Rommel, Himmler und Eva Braun gehören zur Flaschenausstattung.

«Der Prosecco vom Führer»

Etikett "Der Prosecco vom Führer"
Etikett “Der Prosecco vom Führer”

Die Hälfte der insgesamt 100.000 Flaschen, die produziert werden (Pinot Bianco, Pinot Grigio, Verduzzo, Cabernet franc und andere), sind mit Motiven dieser als «historische Serie» verharmlosten Etiketten beklebt. Im Online-Shop der Kellerei werden die Weine zum Einheitspreis von 8 Euro angeboten. Auch ein Prosecco (9,90 Euro) gehört dazu. Auf seinem Etikett findet man ein Jugendportrait Hitlers, darüber eine Banderole mit den Worten: «Der Prosecco vom Führer».

Die «historische Serie» der Kellerei Lunardelli umfasst zwar auch Portraits von Karl Marx, Lenin, Stalin und anderen Kommunisten. Doch die Portraits faschistischer Führer nehmen eindeutig den größten Platz ein.

Alessandro Lunardelli ist stolz auf die Marketingidee, die von seinem Sohn Andrea stammt. «Dank dieser originellen Idee», so der Firmeninhaber zynisch, «haben wir große Aufmerksamkeit durch die internationalen Medien erfahren…»

Hitler-Marketing in Italien nicht verboten

Hitler als WerbefigurTatsächlich scheint es, dass die Hitler-Motive reinem Marketingdenken entspringen. Denn rechtsradikaler Umtriebe sind die Lunardellis unverdächtig. Sie sind nur am Verkauf ihrer Weine interessiert und bauen darauf, dass faschistische und rassistische Gruppierungen die Flaschen als Devotionalien erwerben. Strafrechtliche Konsequenzen hat diese Art des Marketing offenbar nicht. Die Verwendung von Hitler-Motiven auf Weinflaschen verstößt nicht gegen italienisches Recht.

Der Norden ist eine Hochburg der Rechtsradikalen

Die Heroisierung der braunen Zeiten ist nicht nur geschmacklos. Sie ist auch gefährlich. Denn das rechtsradikale Potenzial ist groß in Italien, vor allem im Norden des Landes. Mailand ist eine Hochburg  der rechten Lega Nord und der Forza Italia, der Partei von Silvio Berlusconi. Gerade hat der Lega Nord-Abgeordnete Roberto Calderoli die erste schwarze Ministerin des Landes öffentlich als «Orang Utan» bezeichnet. Seine Parteikollegin Dolores Malandro fragte vor einigen Monaten auf Facebook : «Gibt es denn niemanden, der diese Frau entführt?»

Berlusconi : «Unser kleines Negerlein»

In Fußballstadien Italiens sind rassistische Schmähgesänge gegen dunkelhäutige Spieler schon lange eine traurige Begleiterscheinung. In den letzten Monaten haben sie erschreckend zugenommen. Der italienische Meister Juventus Turin wurde gerade zu einer Geldstrafe von 30.000 Euro verurteilt, weil seine Fans afrikanische Spieler gegnerischer Mannschaften rassistisch attackiert haben. Gleiches geschieht regelmäßig bei den römischen Clubs AS Rom und Lazio Rom. Und wo nicht geschmäht wird, wird diskrimiert. «Unser kleines Negerlein» nannte Sandro Berlusconi, der Bruder Silvios, den aus Ghana stammenden Mittelstürmer Mario Balotelli, der für den AC Milan Tore schießt, angeblich liebevoll. Der Club gehört der Familie Berlusconi.

Übrigens hatte die Kellerei Lunardelli schon im letzten Jahr mit Hitler-Weinen für Schlagzeilen gesorgt.  Ein Supermarkt in Verona hatte sie ins Sortiment genommen und war so ins Fadenkreuz öffentlicher Kritik geraten. Die Flaschen verschwanden wortlos aus dem Regal. Jetzt sucht Lunardelli seine rechte Kundschaft über den eigenen Online-Shop. Neben Italienisch sind die Shop-Sprachen Englisch und Deutsch angeboten.

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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