1997er Colheita: Der Portwein, der zum Fine Dining dazu gehört

Colheita
© Weinkenner.de
Portwein ist ein Wein gegen alle Trends: süß, alkoholschwer, füllig. Jens Priewe erklärt, wann und warum man diesen Wein unbedingt braucht.

Die gro­ßen Ver­lie­rer der letz­ten zehn Jah­re sind die Süß­wei­ne. Die Kata­lo­ge der Auk­ti­ons­häu­ser sind voll von Aus­le­sen, Bee­ren­aus­le­sen, Tro­cken­bee­ren­aus­le­sen. In Bor­deaux redu­zie­ren nahe­zu alle Domain­es und Châ­teaux, die nicht gera­de Yquem heis­sen, die Pro­duk­ti­on des edel­sü­ßen Sau­t­er­nes und set­zen auf tro­cke­ne Wei­ne. Ande­re Süß­wei­ne Frank­reichs füh­ren schon seit Jah­ren nur noch ein Nischen­da­sein. Wäh­rend Scho­ko­rie­gel, Limo­na­den und ande­res Süß­zeug bei Kon­su­men­ten jeden Alters und jeder Her­kunft hoch im Kurs ste­hen, ver­schmä­hen die Wein­kon­su­men­ten zuneh­mend den süßen Geschmack.

Die großen Zeiten des Portweins sind vorbei

Auch Port­wein hat dar­un­ter zu lei­den. Die Zei­ten, in denen Vin­ta­ge Port kis­ten­wei­se ein­ge­la­gert wur­de und gereif­te Taw­nys in kei­nem gut bestück­ten Wein­kel­ler feh­len durf­ten, sind vor­bei. Die Mil­len­ni­als haben kei­nen Bezug mehr zu dem auf­ge­sprite­ten, süßen Rot­wein aus Por­tu­gal. Die Quin­tas im Douro-Tal muss­ten umden­ken. Sie benut­zen schon län­ger einen mehr oder min­der gro­ßen Teil ihrer Portwein-Trauben, um einen tro­cke­nen Roten aus ihnen zu kel­tern. Ohne Zwei­fel: Es gibt her­vor­ra­gen­de tro­cke­ne Dou­ro D.O.C. Aber mein Favo­rit ist – ich beken­ne es – der tro­cke­ne Rot­wein nicht: zu schwer­ge­wich­tig, zu üppig, ohne in glei­chem Maße Fein­heit zu zei­gen. Mein Wein ist der Port. Ich habe ihn erst spät im Leben ent­deckt, aber die Lie­be zu ihm flaut nicht ab. Im Gegen­teil: Sie wächst.

Die Süße des Portwein wirkt wie eine Insulinspritze beim Diabetiker

Das hat auch etwas mit dem Essen zu tun. Wenn ich Mit­tags aus beruf­li­chem oder sons­ti­gen Anlass geges­sen habe, rei­chen mir abends ein paar Salz­man­deln oder eine Hand­voll Cachew-Nüsse. Dazu wird ein Glas Port ein­ge­schenkt. Ein Stück Käse, vor­zugs­wei­se mit Edel­schim­mel (es muß gar kein Stil­ton sein), lässt eben­falls den Wunsch nach einem Schluck Port­wein auf­kom­men. Am drin­gends­ten ver­langt es mich nach einem Port­wein, wenn ein mehr­gän­gi­ges Fine Dining-Menu ser­viert wird, so wie neu­lich: Gruss aus der Küche: Lauch­pü­ree und Kavi­ar in Nuss­but­ter. Ers­te Vor­spei­se: Schillerlocken-Paté mit Topin­am­pur­creme. Zwei­te Vor­spei­se: Ravio­li mit Blut­wurst­fül­lung. Fisch­gang: Hum­mer mit Sau­ce Nan­tua. Ers­ter Haupt­gang: Drei­er­lei von der Enten­le­ber in Trüf­fel­jus. Ein wei­te­rer Haupt­gang soll­te fol­gen. Doch vor der Enten­le­ber kam der Som­me­lier mit einer Magnum­fla­sche 1997er Col­hei­ta an den Tisch und schenk­te ein Gläs­chen die­ses Port­wein­typs ein. Er erkann­te wohl, dass Gal­le des Gas­tes, der am Tisch saß, mit Gene­ral­streik droh­te. Nuss­but­ter, Paté, Blut­wurst und die mit Crè­me Fraîche mon­tier­te Hum­mer­sauce – so viel Fett auf ein­mal über­for­dert den Orga­nis­mus. Und es soll­te ja noch ein Fleisch­gang fol­gen. Die Süße des Port­weins wirk­te wie die Insulin-Spritze bei einem Dia­be­ti­ker. Gleich­zei­tig spal­te­te der Alko­hol die Fett­mo­le­kü­le. Fol­ge: Der Magen des Gas­tes war in kür­zes­ter Zeit wie­der auf­ge­räumt und bereit, auch noch die bekannt­lich nicht gera­de fett­ar­me Enten­le­ber auf­zu­neh­men (der Gast war natür­lich ich).

1997 Col­hei­ta: Ein Gläs­chen reicht… © Weinkenner.de

Die segensreichen Wirkungen des Portweins beim Essen

Sicher, man kann ein sol­ches Menu für deka­dent hal­ten. Aber Men­schen, die ihren Ver­stand nicht an der Gar­de­ro­be abge­ben, wenn sie ein Feinschmecker-Lokal bestel­len, leis­ten es sich auch nur ein- oder zwei­mal im Jahr und geben acht, dass die nächs­ten drei Tage bei ihnen zu Hau­se wie­der Schmal­hans Küchen­meis­ter ist. Im Übri­gen woll­te ich hier nicht das Für und Wider eines Fine Dining-Menus dis­ku­tie­ren, son­dern auf die segen­rei­che Wir­kung des Port­weins hin­wei­sen. Col­hei­ta ist näm­lich ein Port­wein. Und sei­ne segens­rei­che Wir­kung besteht nicht nur aus dem, was sei­ne Wür­ze und Süße am Gau­men aus­rich­ten, son­dern auch aus sei­ner dige­rie­ren­den Funktion.

Die Colheita ist ein Tawny-Port aus einem einzigen Jahrgang

Die Col­hei­ta ist ein Tawny-Port aus einem ein­zi­gen Jahr­gang. Im Gegen­satz zum Vin­ta­ge Port, der schon nach zwei Jah­ren auf die Fla­sche kommt, liegt der Taw­ny meh­re­re Jah­re im Holz­fäs­sern, bevor er gefüllt wird: mal fünf, mal zehn, mal 20 oder mehr Jah­re. Dabei durch­läuft er tra­di­tio­nell eine Sole­ra, eine Pyra­mi­de ver­schie­de­ner Holz­fäs­ser, die mit Wei­nen älte­rer Jahr­gän­ge gefüllt sind (wie beim Sher­ry). Mit ihnen ver­mischt sich der Taw­ny im Lau­fe der Jah­re. Er stammt dann nicht aus einem ein­zi­gen Jahr­gang, son­dern ist ein Ver­schnitt vie­ler, auch ältes­ter Jahr­gän­ge. Anders die Col­hei­ta. Sie durch­läuft kei­ne Sole­ra, son­dern reift ganz nor­mal in Holz­fäs­sern, den Pipas. Das sind zigar­ren­för­mi­ge Fäs­ser mit 500 bis 600 Liter Inhalt.

Trotz hohem Alkohol und hoher Süße fast schlank

Das Port­wein­haus Nie­po­ort ist ein Spe­zia­list für Col­heitas. Sei­ne bes­ten Trau­ben gehen, wenn sie nicht für den Vin­ta­ge Port reser­viert wer­den, in die Col­hei­ta. Die­se wird, wie der Vin­ta­ge Port auch, nur in guten Jah­ren pro­du­ziert. 1997 war ein Spit­zen­jahr, das beson­ders rei­che Wei­ne her­vor­ge­bracht hat. Der Wein hat 18 Jah­re lang in Pipas gele­gen, bevor er gefüllt wur­de. Die Far­be ist, bedingt durch das lan­ge Holz­fass­la­ger, orange- bis zie­gel­rot, das Bou­quet zeigt Noten von getrock­ne­ter Apri­ko­se, Rosi­nen und Pflau­men­mus, die Süße erin­nert an Kara­mell und dunk­len Kan­dis: ein raf­fi­nier­ter, viel­schich­ti­ger Wein, der trotz sei­ner 100 Gramm Rest­zu­cker und sei­ner 20 Vol.% Alko­hol fast schlank wirkt. Ich trin­ke nur ein Gläs­chen oder zwei von ihm, nicht mehr. Das Gute ist, dass sich Port­wein auch nach dem Öff­nen gut und ger­ne zwei, drei Mona­te hält, ohne dass er an Geschmacks­in­ten­si­tät ver­liert. Eine Col­hei­ta wird auch gern zum Des­sert ser­viert, etwa zu Crè­me Brûlé oder zu einem Scho­ko­la­den­flan. Ich per­sön­lich zie­he sal­zi­ge Spei­sen vor. Übri­gens: Angst, dass eine Col­hei­ta zu alt und damit unat­trak­tiv wer­den könn­te, habe ich nicht. Vor eini­gen Jah­ren schenk­te mir Dirk van der Nie­po­ort, als ich ihn in Por­to besuch­te, eine 1934er Col­hei­ta ein: einer der größ­ten Portwein-Genüsse, an die ich mich erin­nern kann.

1997 Col­hei­ta, Niepoort
Preis: 75,55 Euro
Bezug: www.s-weinkeller.de

 

2 Kommentare

  • Hal­lo Herr Priewe,

    ich habe ein par Fra­gen zum The­ma Port­wein und viel­leicht kön­nen Sie die­se hier beantworten:

    a) Lagert man Port­wein ste­hend oder liegend?
    b) bei wel­cher Tem­pe­ra­tur lagert man eine geöff­ne­te Fla­sche Portein?
    c) wie lan­ge kann man einen Port­wein nach der Öff­nung “frisch” hal­ten, wenn das über­haupt geht, bzw. wie schnell muss man die­sen austrinken?

    Bes­ten Dank für Ihre Antwort,

    K. Klamm­rot

    • Port­wein wird lie­gend gela­gert wie ande­re mit Kork ver­schlos­se­ne Wei­ne auch. Aller­dings soll­te man nur Vin­ta­ge Ports län­ger lagern. Taw­neys und Col­heitas sind trink­be­reit, wenn sie auf den Markt kom­men. Wenn die Fla­sche geöff­net ist, soll­te Port am bes­ten bei 12 und 16 °C auf­be­wahrt werden.Er darf zwar wär­mer getrun­ken wer­den. Aber bei höhe­ren Tem­pe­ra­tu­ren ver­fliegt der Alko­hol zu leicht. In die­sem Zustand hält sich ein Port­wein gut und ger­ne zwei, drei Mona­te ohne Qua­li­täts­ein­bus­sen. Alko­hol konserviert.

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