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1997er Colheita: Der Portwein, der zum Fine Dining dazu gehört

Die großen Verlierer der letzten zehn Jahre sind die Süßweine. Die Kataloge der Auktionshäuser sind voll von Auslesen, Beerenauslesen, Trockenbeerenauslesen. In Bordeaux reduzieren nahezu alle Domaines und Châteaux, die nicht gerade Yquem heissen, die Produktion des edelsüßen Sauternes und setzen auf trockene Weine. Andere Süßweine Frankreichs führen schon seit Jahren nur noch ein Nischendasein. Während Schokoriegel, Limonaden und anderes Süßzeug bei Konsumenten jeden Alters und jeder Herkunft hoch im Kurs stehen, verschmähen die Weinkonsumenten zunehmend den süßen Geschmack.

Die großen Zeiten des Portweins sind vorbei

Auch Portwein hat darunter zu leiden. Die Zeiten, in denen Vintage Port kistenweise eingelagert wurde und gereifte Tawnys in keinem gut bestückten Weinkeller fehlen durften, sind vorbei. Die Millennials haben keinen Bezug mehr zu dem aufgespriteten, süßen Rotwein aus Portugal. Die Quintas im Douro-Tal mussten umdenken. Sie benutzen schon länger einen mehr oder minder großen Teil ihrer Portwein-Trauben, um einen trockenen Roten aus ihnen zu keltern. Ohne Zweifel: Es gibt hervorragende trockene Douro D.O.C. Aber mein Favorit ist – ich bekenne es – der trockene Rotwein nicht: zu schwergewichtig, zu üppig, ohne in gleichem Maße Feinheit zu zeigen. Mein Wein ist der Port. Ich habe ihn erst spät im Leben entdeckt, aber die Liebe zu ihm flaut nicht ab. Im Gegenteil: Sie wächst.

Die Süße des Portwein wirkt wie eine Insulinspritze beim Diabetiker

Das hat auch etwas mit dem Essen zu tun. Wenn ich Mittags aus beruflichem oder sonstigen Anlass gegessen habe, reichen mir abends ein paar Salzmandeln oder eine Handvoll Cachew-Nüsse. Dazu wird ein Glas Port eingeschenkt. Ein Stück Käse, vorzugsweise mit Edelschimmel (es muß gar kein Stilton sein), lässt ebenfalls den Wunsch nach einem Schluck Portwein aufkommen. Am dringendsten verlangt es mich nach einem Portwein, wenn ein mehrgängiges Fine Dining-Menu serviert wird, so wie neulich: Gruss aus der Küche: Lauchpüree und Kaviar in Nussbutter. Erste Vorspeise: Schillerlocken-Paté mit Topinampurcreme. Zweite Vorspeise: Ravioli mit Blutwurstfüllung. Fischgang: Hummer mit Sauce Nantua. Erster Hauptgang: Dreierlei von der Entenleber in Trüffeljus. Ein weiterer Hauptgang sollte folgen. Doch vor der Entenleber kam der Sommelier mit einer Magnumflasche 1997er Colheita an den Tisch und schenkte ein Gläschen dieses Portweintyps ein. Er erkannte wohl, dass Galle des Gastes, der am Tisch saß, mit Generalstreik drohte. Nussbutter, Paté, Blutwurst und die mit Crème Fraîche montierte Hummersauce – so viel Fett auf einmal überfordert den Organismus. Und es sollte ja noch ein Fleischgang folgen. Die Süße des Portweins wirkte wie die Insulin-Spritze bei einem Diabetiker. Gleichzeitig spaltete der Alkohol die Fettmoleküle. Folge: Der Magen des Gastes war in kürzester Zeit wieder aufgeräumt und bereit, auch noch die bekanntlich nicht gerade fettarme Entenleber aufzunehmen (der Gast war natürlich ich).

1997 Colheita: Ein Gläschen reicht… © Weinkenner.de

Die segensreichen Wirkungen des Portweins beim Essen

Sicher, man kann ein solches Menu für dekadent halten. Aber Menschen, die ihren Verstand nicht an der Garderobe abgeben, wenn sie ein Feinschmecker-Lokal bestellen, leisten es sich auch nur ein- oder zweimal im Jahr und geben acht, dass die nächsten drei Tage bei ihnen zu Hause wieder Schmalhans Küchenmeister ist. Im Übrigen wollte ich hier nicht das Für und Wider eines Fine Dining-Menus diskutieren, sondern auf die segenreiche Wirkung des Portweins hinweisen. Colheita ist nämlich ein Portwein. Und seine segensreiche Wirkung besteht nicht nur aus dem, was seine Würze und Süße am Gaumen ausrichten, sondern auch aus seiner digerierenden Funktion.

Die Colheita ist ein Tawny-Port aus einem einzigen Jahrgang

Die Colheita ist ein Tawny-Port aus einem einzigen Jahrgang. Im Gegensatz zum Vintage Port, der schon nach zwei Jahren auf die Flasche kommt, liegt der Tawny mehrere Jahre im Holzfässern, bevor er gefüllt wird: mal fünf, mal zehn, mal 20 oder mehr Jahre. Dabei durchläuft er traditionell eine Solera, eine Pyramide verschiedener Holzfässer, die mit Weinen älterer Jahrgänge gefüllt sind (wie beim Sherry). Mit ihnen vermischt sich der Tawny im Laufe der Jahre. Er stammt dann nicht aus einem einzigen Jahrgang, sondern ist ein Verschnitt vieler, auch ältester Jahrgänge. Anders die Colheita. Sie durchläuft keine Solera, sondern reift ganz normal in Holzfässern, den Pipas. Das sind zigarrenförmige Fässer mit 500 bis 600 Liter Inhalt.

Trotz hohem Alkohol und hoher Süße fast schlank

Das Portweinhaus Niepoort ist ein Spezialist für Colheitas. Seine besten Trauben gehen, wenn sie nicht für den Vintage Port reserviert werden, in die Colheita. Diese wird, wie der Vintage Port auch, nur in guten Jahren produziert. 1997 war ein Spitzenjahr, das besonders reiche Weine hervorgebracht hat. Der Wein hat 18 Jahre lang in Pipas gelegen, bevor er gefüllt wurde. Die Farbe ist, bedingt durch das lange Holzfasslager, orange- bis ziegelrot, das Bouquet zeigt Noten von getrockneter Aprikose, Rosinen und Pflaumenmus, die Süße erinnert an Karamell und dunklen Kandis: ein raffinierter, vielschichtiger Wein, der trotz seiner 100 Gramm Restzucker und seiner 20 Vol.% Alkohol fast schlank wirkt. Ich trinke nur ein Gläschen oder zwei von ihm, nicht mehr. Das Gute ist, dass sich Portwein auch nach dem Öffnen gut und gerne zwei, drei Monate hält, ohne dass er an Geschmacksintensität verliert. Eine Colheita wird auch gern zum Dessert serviert, etwa zu Crème Brûlé oder zu einem Schokoladenflan. Ich persönlich ziehe salzige Speisen vor. Übrigens: Angst, dass eine Colheita zu alt und damit unattraktiv werden könnte, habe ich nicht. Vor einigen Jahren schenkte mir Dirk van der Niepoort, als ich ihn in Porto besuchte, eine 1934er Colheita ein: einer der größten Portwein-Genüsse, an die ich mich erinnern kann.

1997 Colheita, Niepoort
Preis: 75,55 Euro
Bezug: www.s-weinkeller.de

 

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2 Kommentare

  1. Hallo Herr Priewe,

    ich habe ein par Fragen zum Thema Portwein und vielleicht können Sie diese hier beantworten:

    a) Lagert man Portwein stehend oder liegend?
    b) bei welcher Temperatur lagert man eine geöffnete Flasche Portein?
    c) wie lange kann man einen Portwein nach der Öffnung “frisch” halten, wenn das überhaupt geht, bzw. wie schnell muss man diesen austrinken?

    Besten Dank für Ihre Antwort,

    K. Klammrot

    • Portwein wird liegend gelagert wie andere mit Kork verschlossene Weine auch. Allerdings sollte man nur Vintage Ports länger lagern. Tawneys und Colheitas sind trinkbereit, wenn sie auf den Markt kommen. Wenn die Flasche geöffnet ist, sollte Port am besten bei 12 und 16 °C aufbewahrt werden.Er darf zwar wärmer getrunken werden. Aber bei höheren Temperaturen verfliegt der Alkohol zu leicht. In diesem Zustand hält sich ein Portwein gut und gerne zwei, drei Monate ohne Qualitätseinbussen. Alkohol konserviert.

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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