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Welcher Wein passt zu Wildgerichten?

Reh gilt unter Feinschmeckern als besondere Delikatesse. Es ernährt sich wilden Kräutern und saftigem Gras, nagt an den austreibenden Knospen der Bäume,  frißt junge Blätter. Entsprechend würzig und zart ist sein Fleisch. Wer, kaum dass es auf dem Teller liegt, den feinen Wildgeschmack genießen will, muß Wein trinken. Wer für ihn unempfindlich ist, trinkt Bier. Dessen Bitterstoffe zerreißen schon beim ersten Schluck den leicht wildigen Aromenschleier und lassen das arme Reh wie x-beliebiges Fleisch schmecken. Schade.

Zum Reh: ein roter Burgunder ist erste Wahl

Aber welcher Wein? Rot sollte er sein, auf jeden Fall. Darüber sind sich Weinexperten und Küchenchefs einig. Ein Pinot Noir (Blauburgunder) ist erste Wahl. Zumindest beim Rehrücken. Der Rücken ist das zarteste Stück vom Reh, und da er nach heutiger Lehrmeinung am besten schonend gegart und rosa serviert wird, kontrastiert das fruchtig-süße Aroma des Burgunders wunderbar mit dem Geschmack des Fleisches.

2015 St. Laurent, Leo Hillinger (16,90 Euro, www.weinfurore.de)

Schon ein einfacher Bourgogne Pinot Noir ergänzt den Rehgeschmack aufs Trefflichste. Aber auch Österreich besitzt wunderbare Pinot Noirs. Sie sind wie geschaffen für edles Wild. Oder ein würzig-fruchtiger St. Laurent aus dem österreichischen Burgenland. Einen Zweigelt wird ein guter Sommelier eher nicht empfehlen. Zu eindimensional-fruchtig sein Geschmack, zu leicht der Wein für ein schweres Gericht. Schon eher einen Blaufränkischen. Er ist etwas kräftiger, und wenn das Filet vom Hirsch stammt, kann Blaufränkisch mit seinem Tannin gut dagegenhalten. Im Idealfall verschmilzt es perfekt mit dem Saft des Fleisches. Dann gilt das Wort von Oscar Wilde: „Nach einem guten Essen und einem guten Wein kann man allen Menschen vergeben, selbst den Verwandten.“ Mich hat folgender Spätburgunder aus der Südpfalz sehr begeistert:

2014 PINOTIMES Pinot Noir, Weingut Stern (Sonderpreis: € 13,14 bei www.wein.de)

Zu Brust, Schulter, Schlegel: ein Rhônewein

Natürlich bestehen Hirsch und Reh nicht nur aus Rücken. Brust, Schulter, Schlegel sind ebenfalls hochwertige Teile. Sie werden drei, vier Stunden im Rohr geschmort und mit einer dunklen Sauce als Braten oder Gulasch serviert. Ein feingliedriger Pinot Noir würde da untergehen wie Napoleon bei Waterloo. Besser passt zu Schmorgerichten einer der wuchtigen Weine von der Rhône, egal ob Châteauneuf-du-Pape, Gigondas oder ein einfacher Côtes du Rhône. Sie entwickeln, wenn sie ein paar Jahre gereift sind, leichte Portweinnoten. Diese können die Preiselbeere ersetzen, die gern zu Wild gereicht wird, um den Haut Goût zu übertönen. Ein kräftiger, gleichwohl fruchtiger Gigondas von der Südlichen Rhône wäre ideal. Ich habe einen entdeckt, der diese Voraussetzungen perfekt erfüllt.

2016 Gigondas, Domaine Les Chênes Blancs (€ 16,90 bei www.vandermeulen-wein.de)

Zu Hirschragout, Hasenpfeffer, Täubchen: zum Beispiel ein Syrah

Eine gute Wahl wären auch Barbaresco oder Barolo aus dem Piemont. Deren Aroma erinnert teilweise an Moos und Waldboden – Aromen, die original aus der Welt des Wilds stammen. Zu einem Hirschragout, einem Hasenpfeffer, einem Wildschweingulasch passen Weine aus der Nebbiolo-Traube bestens. Zu Federwild, sprich: Wildente oder Taube, ist wiederum ein Burgunder erste Wahl. Zu einem Brüstchen einer Wildtaube, das etwas strenger schmeckt als das einer Zuchttaube, könnte man allerdings auch einen Syrah in Betracht ziehen, zum Beispiel aus aus dem südfranzösischen Languedoc (Vin de Pays d’Oc). Der Sorte Syrah sagt man häufig ein leicht „animalisches“ Aroma nach, was in diesem Fall vorteilhaft wäre. Ein besonders feinen Wein dieser Sorte kommt aus Südafrika. Er blüht bei einem Täubchen, aber auch bei anderen Wildgerichten richtig auf.

2014 Edgebaston Syrah, Finlayson (€ 17,50, www.capewine.de)

Im Endeffekt gilt natürlich die Formel: erlaubt ist, was schmeckt. Aber zu geschmortem Wild werden schwere, gereifte Rotweine auch jenen Menschen besser schmecken, die normalerweise eher leichte Weine bevorzugen.  Wenn diese dann etwas höher im Alkohol sind – so what? Man spart sich den Digestiv.

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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