Antje Wiedemann, Jahrgang 1978, war der Wein nicht in die Wiege gelegt. Sie ist in Hoyerswerda geboren und aufgewachsen. Beruflich mit Wein in Berührung kam sie erstmals auf dem Sächsischen Staatsweingut Schloss Wackerbarth. 2003 wurde sie Sächsische Weinkönigin, 2004 Deutsche Weinprinzessin. Seit 2005 ist sie Geschäftsführerin und Mitgesellschafterin des kleinen Radebeuler Weinguts Drei Herren. Das Weingut befindet sich in den Gemäuern des denkmalgeschützten Haus Hermannsberg und besitzt Reben in den steilen, terrassierten Lagen am Elbhang. Neben trockenen Weißweinen wie Scheurebe, Grauer Burgunder und der sächsischen Spezialität Goldriesling werden auch charaktervolle Rotweine erzeugt – in der trockenen Geschmacksrichtung selbstverständlich.
„Mein erster Gedanke, wenn ich heute an die Geschmacksvorlieben von Ost und West denke, ist: Es gibt keine Unterschiede mehr. Ganz abgesehen, dass ich es nicht befürworte, dass wir immer noch eine Trennung von Ost und West vornehmen. Wir sind ein Land, und wenn ich an den deutschen Wein denke, bin ich stolz, in diesem Land zu leben. Und dann noch in Radebeul, einer tollen sächsischen Weinstadt.
Aufgewachsen bin ich in Hoyerswerda – definitiv keine Weinregion. Getrunken wurde damals, was es gab – Domino Tischwein, Rosentaler Kadarka oder Grauer Mönch: Weine aus Rumänien, Bulgarien und Ungarn. Diese waren süß und schlecht. Wir fanden es in Ordnung, wir kannten ja nichts anderes – sozialistische Geschmacksvorgabe.
Sächsischer Wein war zu DDR-Zeiten wie eine dritte Währung. Kaufen konnte man ihn praktisch nicht. Aber zahlen konnte man mit ihm. Heute ist er immer noch rar. Aber man kann ihn kaufen. Und viele favorisieren ihn sogar gegenüber anderen Weinen. Wie ist es dazu gekommen?
Nach der Wende stand die Welt für uns plötzlich offen. Wir reisten und brachten das Fernweh mit nach Hause. Getrunken wurden Weine aus Spanien, Italien und Ende der Neunziger aus der Neuen Weinwelt. Alles was nicht aus der Heimat kam, war besser. Der Geschmack war international – wie die Weinregale und Weinkarten.
Nachdem wir uns in der Welt umgesehen hatten, stellten wir fest: Zu Hause ist gar nicht alles schlecht. Das Bewusstsein für Regionalität wuchs, auch beim Wein. Deutsche Produkte waren bei uns wieder gefragt. Weinhändler und Gastronomen führen sie vermehrt im Sortiment. Wir trauten uns, wieder zu unserem Land, zu unserer Region, zu unseren Produkten zu stehen. Frei nach dem Motto: Zu Hause ist es doch am Schönsten.
Ganz besonders galt das für Sachsen und Saale-Unstrut. Mit dem Rotkäppchen-Sekt hatte es begonnen. Dann wuchs die Weinanbaufläche insgesamt. Neue Privatweingüter wurden gegründet. Die Menschen favorisierten plötzlich Produkte der Region. Auch beim Wein. Ausgebaut wurde dieser, wie es in Sachsen und Saale-Unstrut eigentlich immer üblich war – nämlich trocken. Also in jener Geschmacksrichtung, die in ganz Deutschland vorherrscht.
Zugegeben: Ich bin weder eine Journalistin noch eine gelernte Winzerstochter. Und ich bin noch jung, was das Thema Wein angeht. Aber mich begeistert die Tatsache, dass wir beim Weingeschmack einen so positiven Wandel erlebt haben.
Nur ein Vorbehalt ist geblieben, auch nach der Zeit des Reisens. Und aus meiner Sicht nicht nur auf der östlichen, sondern auch auf der westlichen Seite des Harzes: deutscher Rotwein, das geht nicht. Doch ich glaube, auch das schaffen wir auch noch. Weniger französischen Wein importieren und dafür etwas mehr französischen Stolz übernehmen. Ich bin Optimist.“