Weingut Robert Weil: 2010er besser als der 2009er

Flaschen des Weinguts Robert Weil Teaser
Der Jahrgang 2010 wird in Deutschland höchst kontrovers beurteilt. Fast so gut wie 2009, schwärmen die einen. Unreif und sauer, finden die anderen. Jens Priewe hat die 2010er Weine eines Ausnahmeweinguts unter die Lupe genommen und kommt zu dem nicht sonderlich überraschenden Schluss: Wer’s kann, der kann es – auch in 2010. Bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass der 2010er sogar besser ist als der 2009er.

Der Jahr­gang 2010 wird auf jeden Fall in die Anna­len ein­ge­hen – als einer der größ­ten Süßwein-Jahrgänge der letz­ten 25 Jah­re. Bee­ren­aus­le­sen, Tro­cken­bee­ren­aus­le­sen, Eis­wei­ne – ja auch ein­fa­che Aus­le­sen sind dank hoher Säu­ren von einer Klas­se, wie man sie sel­ten antrifft. Nicht nur dass sie lang­le­big sind: Sie besit­zen ein unglaub­li­ches Spiel, sie zei­gen Ras­se  und sind von einer Exqui­se, wie man sie schon lan­ge nicht mehr gehabt hat – jeden­falls beim Riesling.

Aber was ist mit den tro­cke­nen Wei­nen? Tro­cke­ne (bezie­hungs­wei­se tro­cken schme­cken­de) Wei­ne machen 50 Pro­zent der deut­schen Wein­pro­duk­ti­on aus. Und der küh­le Som­mer mit dem nie­der­schlags­rei­chen Sep­tem­ber war für vie­le Win­zer eine Kata­stro­phe. Vor allem Müller-Thurgau, Bac­chus, Weiß­bur­gun­der und ande­re früh­rei­fe Sor­ten faul­ten am Stock oder wur­den in Panik unreif geern­tet. Resul­tat: zahl­lo­se unsau­be­re Wei­ne mit unrei­fer Säu­re und grünen-Apfel-Aromen.

Die Wende kam am 3. Oktober

„Wir sahen das Unheil auch schon auf uns zukom­men“, erin­nert sich Jochen Becker-Köhn vom Wein­gut Robert Weil. Er ist der rech­te Arm des Betriebs­lei­ters Wil­helm Weil. Auf dem renom­mier­ten Rhein­gau­er Wein­gut wur­den aus Sor­ge, das feuch­te, küh­le Wet­ter kön­ne anhal­ten, auch schon Ende Sep­tem­ber die ers­ten Trau­ben gele­sen – doch nur ein ganz klei­ner Teil. Am 3. Okto­ber wen­de­te sich dann plötz­lich das Blatt. Die Son­ne kam durch, die Nie­der­schlä­ge lie­ßen nach. In den Bee­ren begann der Säu­reum­bau. Ein Gol­de­ner Okto­ber setz­te ein, der bis in den Novem­ber hin­ein dau­er­te. Für jene Wein­gü­ter, die Geduld und gute Ner­ven gehabt hat­ten, die letz­te Chan­ce, ihre Trau­ben zur Rei­fe zu bringen.

Bei Robert Weil wur­de die­se Chan­ce genutzt. Ab Mit­te Okto­ber etwa begann die Haupt­le­se. Die Trau­ben konn­ten gesund und voll­reif ein­ge­bracht wer­den, und zwar so, dass weder Kor­rek­tu­ren am Most noch am Wein nötig waren. Damit gehört Robert Weil zu den ganz weni­gen deut­schen Wein­gü­tern, die in 2010 ohne kel­ler­tech­ni­sche Inter­ven­tio­nen aus­ge­kom­men sind. Alles, was die­se Wei­ne mit­brin­gen, ist das Resul­tat des natür­li­chen Aus­rei­fens der Trauben.

Am Ende  haben die Trau­ben die­sel­be Rei­fe auf­ge­wie­sen wie der hoch gelob­te 2009er Jahr­gang. Der Unter­schied bestand in der höhe­ren Säu­re – ein Umstand, der im Fal­le Robert Weil dazu führt, die 2010er noch einen Tick höher ein­zu­schät­zen als die Wei­ne des Vorgänger-Jahrgangs.

Keine Entsäuerung, kein BSA

 Wilhelm Weil und Jochen Becker-KöhnFast alle ande­ren deut­schen Wein­gü­ter waren 2010 gezwun­gen, die Säu­re zu kap­pen. Zu hoch war der Anteil der Apfel­säu­re im Wein, bedingt durch die ver­spä­te­te Blü­te, den küh­len Som­mer und die kur­ze Rei­fe­zeit. Die meis­ten Win­zer haben in die­ser Situa­ti­on ein­fach einen bio­lo­gi­schen Säu­re­ab­bau gemacht, wie sie es an den Wein­bau­schu­len in Gei­sen­heim und anders­wo gelernt haben. Dabei wird die Apfel­säu­re in wei­che Milch­säu­re umge­wan­delt, so dass der Wein weni­ger „sau­er“ und weni­ger hart schmeckt. „Ein bio­lo­gi­scher Säu­re­ab­bau ist für uns grund­sätz­lich tabu“, stellt Becker-Köhn klar und kreuzt die Fin­ger. „Er ver­än­dert den Cha­rak­ter des Riesling.“

Bes­se­re Win­zer ent­säu­ern den Wein mit koh­len­saurem Spe­zi­al­kalk – genau­er gesagt: den Most. Dadurch wird die Säu­re in gewünsch­tem Maß abge­baut. Das Cal­ci­um wird noch vor der Gärung aus­ge­fällt und kann aus dem Most ent­fernt wer­den. Mit Fin­ger­spit­zen­ge­fühl durch­ge­führt, ist die Mostent­säue­rung nicht nur eine erlaub­te, son­dern auch eine not­wen­di­ge Maß­nah­me, um in schwie­ri­gen Jah­ren har­mo­ni­sche Wei­ne zu bekommen.

Vor allem ist eine Mostent­säue­rung  alle­mal bes­ser, als Wei­ne mit hoher Säu­re hin­ter­her mit Süß­re­ser­ve abzu­run­den – was beque­me Win­zer am liebs­ten tun. Lieb­li­che Wei­ne mit unrei­fer Säu­re – grau­en­haft!  Sel­ten wur­den so vie­le rest­sü­ße Wei­ne gefüllt wie 2010.

Das Geheimnis: gute Lagen und Geduld

Auf all die­se Inter­ven­tio­nen kann ein Wein­gut frei­lich nur dann ver­zich­ten, wenn es Spit­zen­la­gen besitzt. Lagen, in denen die Trau­ben auch in Jah­ren mit gerin­ge­rer Licht- und Son­nen­en­er­gie aus­rei­fen kön­nen. Die 75 Hekt­ar, die das Wein­gut Robert Weil um Kied­rich bewirt­schaf­tet, sind fast aus­schließ­lich Berg­la­gen, bis 240 Meter über dem Rhein gele­gen: gut belüf­te­te Wein­ber­ge, die das Fäul­nis­ri­si­ko mini­mie­ren, sowie kar­ge, stein­rei­che Böden an den Hän­gen des Tau­nus, an denen man die Trau­ben lan­ge hän­gen und rei­fen las­sen kann. Mit dem Grä­fen­berg, dem Turm­berg und dem Klos­ter­berg besitzt das Wein­gut Robert Weil außer­dem drei Ers­te Lagen (nach der VDP-Klassifikation).

Weils Wei­ne zeich­nen sich auch in 2010 durch einen kräf­ti­gen Kör­per, durch blitz­saube­re Frucht, durch fei­ne Mine­ra­li­tät und rei­fe Säu­ren aus mit einem hohen Anteil an Wein­säu­re. Mir gefiel an den 2010ern beson­ders die kräf­ti­ge, druck­vol­le Art, die ver­steck­te Fines­se und die für tro­cke­ne Spit­zen­wei­ne rela­tiv mode­ra­ten Alko­hol­ge­hal­te, die die 13 Vol.% prak­tisch nicht über­schrei­ten. Beson­ders der Rhein­gau Ries­ling, der Guts­wein, bringt mit 12 Vol.% Alko­hol viel Kör­per und eine exzel­len­te Struk­tur mit. Das Ers­te Gewächs vom Grä­fen­berg kommt erst im Sep­tem­ber in den Han­del. Die edel­sü­ßen Spe­zia­li­tä­ten (ein­schließ­lich einer klei­nen Men­ge Eis­wein) dürf­ten zu den bes­ten, je geern­te­ten Wei­nen gehö­ren. Sie wur­den im Rah­men die­ser Ver­kos­tung nicht probiert.

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