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Weingärtner Cleebronn und Güglingen: Preisgekrönter Trollinger

Wie lieb die Weingärtner aus Cleebronn & Güglingen ihren Trollinger haben, ist für Außenstehende nur schwer zu ermessen. Aber es ist davon auszugehen, dass sie ihn, hätte er zwei Beine, herzen und umarmen würden. Denn er hat die Weingärtner wieder mal in die Schlagzeilen gebracht. Beim deutschen Trollingerpreis 2011 belegte ihr 2009er Trollinger „St. Michael“ den ersten Platz.

Sicher, der deutsche Trollingerpreis, ausgelobt von der Vereinigung Württemberger Weingüter e. V., gehört nicht zu den herausragenden Wettbewerben in Deutschland. Wichtig genommen wird er nur im Ländle, und da – um ehrlich zu sein – auch nur von den Weinproduzenten selbst und ihrem unmittelbaren Umfeld. Außerhalb Württembergs wird der Trollinger höchstens von ein paar Exil-Schwaben getrunken, und selbst in Württemberg sind viele Menschen längst dem Reiz dunklerer, gehaltvollerer Rotweine erlegen, selbst wenn sie aus dem Ausland kommen.

Der Trinkfluss reißt nicht ab

Trotzdem: Trollinger ist ein Stück Heimat, und Heimat hat seinen eigenen Geschmack. Den gilt es zu respektieren. In diesem Sinne ist der Cleebronner Trollinger zweifellos ein besonders kräftiger, knackiger, eindeutiger, sauberer Wein. Die Farbe leuchtet erdbeerrot (obwohl der prämierte Wein schon ein Jahr alt ist und sich gegen die Konkurrenz der 2010er durchsetzen musste), und der sprichwörtliche Trinkfluss reißt tatsächlich nicht ab, wie jeder ehrliche Verkoster leicht schon nach einem Glas feststellen kann.

Für 5,59 Euro darf man allerdings auch erwarten, mehr als koloriertes Wasser zu bekommen. 150 Kilometer Luftlinie weiter südlich, in Südtirol, wo dieselbe Sorte unter dem Namen Vernatsch angebaut wird, gibt es zu diesem Preis ja auch hochanständige Weine, die ebenfalls samtig und weich über die Zunge laufen.

Sowohl der Gault Millau als auch der Eichelmann-Weinführer haben die Leistungen der Cleebronner & Güglinger Weingärtner erkannt und entsprechend gewürdigt. Nach ihrem Urteil stellen sie die beste Genossenschaft Württembergs dar. Insofern ist die Verleihung des Trollingerpreises an sie keine Überraschung.

Mit Maischeerwärmung vinifiziert

Überraschend ist allerdings auch nicht, dass viele Rotweine der Cleebronner nach schlechtem Württemberger Brauch immer noch erwärmt oder erhitzt werden, um Farbe zu extrahieren und Frucht zu generieren – auch der prämierte Trollinger. Diese Behandlung der Maische ist weder behutsam noch zeugt sie von großem Respekt vor der Natur, den die Cleebronner in ihren Grundsätzen eigentlich für sich in Anspruch nehmen.

In diesem Punkt sind die Südtiroler Genossen ihren Württemberger Kollegen weit voraus. Weder erhitzen noch erwärmen sie, und erhalten trotzdem genauso fruchtige und obendrein langlebigere Weine aus der Sorte Vernatsch als die Württemberger aus der Sorte Trollinger. In seinen besten Qualitäten kann ein Vernatsch-Wein, etwa ein St. Magdalener, fast burgunderhafte Anklänge aufweisen, was einem Trollinger noch nie jemand nachgesagt hat.

Allerdings schwebt den Südtirolern auch ein etwas anderer Weintyp vor als den Trollinger-Produzenten. Während diese nur einen kleinen Teil des Weins auf der Maische vergären, werden Kalterersee & Co. zur Gänze maischevergoren. Entsprechend kräftiger ist ihr Wein.

Vielleicht fühlten sich die Cleebronner von dem Südtiroler Weintyp inspiriert, als sie ihren Spitzen-Trollinger „Herzog Christoph“ konzipierten: auf 7000 Kilogramm (pro Hektar) reduzierte Erträge im Weinberg und eine durchgängige Maischegärung. Dieser Wein landete beim Trollingerpreis in der zweiten Wettbewerbskategorie („Trollinger individuell“) zwar nur auf Platz zwei, ist aber um Längen besser als der erstplazierte „St. Michael“-Trollinger: wesentlich kompakter und straffer, würziger und leicht taninbetont. Er zeigt, was wirklich in der Sorte Trollinger steckt. Ob er den heimattreuen Schwaben schmecken wird? Möglicherweise nicht. Aber das spielt gar keine Rolle. Mit 9,09 Euro ist er den notorischen „Vierteleschlotzern“  sowieso zu teuer.

Ergebnisse des deutschen Trollingerpreises 2011

Platzierungen in der Kategorie “Originale Trollinger”

  1. 2009 St. Michael Trollinger, trocken | Weingärtner Cleebronn-Güglingen
  2. 2010 Kirchheimer Kirchberg Trollinger, trocken | WZG Möglingen
  3. 2010 der Trollinger, trocken | Weingut Gruber, Obersulm-Eschenau

Platzierungen in der Kategorie „Individuelle Trollinger“

  1. 2009 Beilsteiner Steinberg Trollinger Kabinett, trocken | Weingut Amalienhof, Heilbronn
  2. 2009 Herzog Christoph Trollinger, trocken | Weingärtner Cleebronn-Güglingen
  3. 2009 Beilsteiner Steinberg Trollinger -A-, trocken QbA | Weingut Amalienhof, Heilbronn
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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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