Die meisten Menschen würden mich vermutlich beneiden, wenn sie wüssten, was ich in 2017 alles getrunken habe – quantitativ und qualitativ. Aber Wein ist nun mal mein Beruf, und schreiben über Wein setzt voraus, dass man auch Wein trinkt. Das Trinken – oder sagen wir vornehmer: Verkosten – ist zweifellos der angenehme Teil dieses Berufs. Der weniger angenehme besteht darin, dass man nach dem Verkosten irgendetwas Gescheites zu Papier bringen muss. Das kann manchmal quälend sein und dem Versuch ähneln, Locken auf der Glatze zu drehen. Trotzdem habe ich die Quälerei nicht gescheut, wie die Besucher dieser Website sicher festgestellt haben. Ich habe über gute und weniger gute Weine berichtet, über bescheidene und blasierte, über authentische und angestrengte, über berühmte und namenslose, über obszön teure und beschämend preiswerte. Ob meine Einordnungen und Urteile richtig waren, müssen Sie, liebe Weinkenner, selber entscheiden.
Hier habe ich zum Abschluss ein paar Weine zusammengestellt, die mir besonders im Gedächtnis geblieben sind. Es sind nicht zwangsläufig die besten, die ich trinken durfte. Aber sie waren für mich subjektiv „interessant“: stilistisch, trendmäßig oder qualitativ. Einige dieser Weine habe ich schon im Dezember-Heft des FEINSCHMECKER vorgestellt, für den ich schreibe. Andere sind dazugekommen. Manche habe ich erst vor ein paar Tagen getrunken.
Inhalt:
Die Schaumweine
2016 Pet-Nat | Weingut Brand
Was in den Bio-Zirkeln anderer Länder längst Kult ist, nämlich auch im Keller Bio zu machen, insbesondere bei der Schaumweinherstellung, das praktizieren die Brüder Daniel und Jonas Brand aus Bockenheim in der Pfalz jetzt auch bei uns. Sie haben Deutschlands ersten Pet-Nat auf den Markt gebracht: Eine Weißburgunder-/Silvaner-Cuvée, die während der alkoholischen Gärung auf die Flasche gezogen wurde, um dort weiter zu gären. Resultat: ein flaschen-(teil)vergorener Schaumwein, undosiert, ungeschwefelt, nicht degorgiert, leicht trüb. Originell. In den trendigen Restaurants westlicher Metropolen trinkt man zunehmend Pet-Nat (= petillant-naturel) und lässt Moët oder die Witwe stehen.
€ 16,00 | Vinpur Torben Bunte, Rolandstr. 20, 33615 Bielefeld, Tel. 0521-89724499, www.vinpur.de
2011 Pinot Brut Nature | Weingut Aldinger
Laut neuem VINUM-Weinführer Deutschlands bester Winzersekt. Bingo. Eine gute Wahl. Im FEINSCHMECKER, für den ich regelmäßig schreibe, hatte ich den Aldinger Crémant Brut Nature allerdings schon einen Monat vorher als besten deutschen Winzersekt vorgestellt. Ich bin, pardon, kein Fan von Riesling-Sekten. Der Aldinger Brut, der aus Burgundertrauben gewonnen ist, bestätigt mich hierin. Er ist aus Chardonnay, Pinot Noir, Pinot Meunier gewonnen und hat 5 Jahre auf der Hefe gelegen: ein raffinierter, hochfeiner Luxus-Crémant, der Emotionen weckt. Einmal im Jahr wird man sich Gefühle wohl leisten dürfen.
€ 50,00 | www.weingut-aldinger.de
2007 Franciacorta Dosage Zéro Noir | Ca’ del Bosco
Nicht der teuerste, aber der rarste aller Franciacorta aus dem Hause Ca’ del Bosco – und für mich der beste. Ein reinsortiger Pinot Nero aus drei kleinen, bis zu 466 Meter hoch über dem Iseo-See gelegenen Parzellen, die mit blauen Burgunderreben bestockt sind. Was den Reiz dieses außergewöhnlichen Franciacorta ausmacht? Sein Stoffigkeit (schmilzt am Gaumen weg wie Butter), seine Mineralität (spektakulär), sein heiterer Ernst. Macht Spaß.
€ 65,50 | www.belvini.de
2011 Champagne Ambonnay Grand Cru | Marguet
Ein Winzer-Champagner, aber was für einer: eigenwillig, sperrig, jenseits aller Moden und Stile. Bénoit Marguet, der Winzer, sagte mir: „Meine Champagner sind Weißweine. Sie haben nichts Hinzugefügtes, sind spontan vergoren und haben keine Dosage und keinen Schwefel. Dosage ist Gift.“ Okay. Also kein Champagner für Silvester oder für die Hochzeitsparty. Für den Rest des Jahres dafür umso mehr, zu gutem Essen und für alle, denen die Markenchampagner zu den Ohren raushängen. Ein wenig liegen könnte der Ambonnay allerdings schon, finde ich.
€ 57,00 | www.vinaturel.de
Die Weißweine
2016 Pinot Blanc Einstern* | Markus Molitor
Markus Molitor hat nicht nur ein Händchen für Riesling. Auch der Weißburgunder – eigentlich eher ein Fremdling an der Mosel – gelingt ihm hervorragend. Die Einstern-Qualität schätze ich deshalb besonders, weil hinter ihr ein saftiger, geradliniger Wein verbirgt, der ohne exotische Fruchtaromen auskommt und mich eher an Apfeltarte erinnert als an Mango oder Litschi (wie die Zwei- und Dreistern-Varianten). Kammermusik statt sinfonische Klangfülle.
€ 14,80 | www.wirwinzer.de
2016 Piesporter Schubertslay Riesling Kabinett | Julian Haart
Wie „der Flügelschlag eines Schmetterlings“ hat ein Weinkritiker über diesen Riesling geschrieben. Schön gesagt: extrem zartfruchtig und filigran. Der Schubertslay Kabinett des jungen Julian Haart, der seinen eigenen Weg außerhalb des elterlichen Weinguts geht, gilt vielen, die bessere Moselkenner sind als ich, neben Egon Müllers Kabinett als der beste dieser Kategorie an der Mosel. Könnte stimmen.
€ 16,00 | www.pinard.de (leider ausverkauft)
2016 Uhlen Riesling „Alte Reben“ | Lubentiushof
Die „Alten Reben“ aus den Terrassen vom Uhlen und der Gäns sind Monumente einer alten Riesling-Kultur, von der wir bis heute nicht sicher sind, ob sie überleben wird. Die Arbeit in den unzugänglichen Terrassen ist eigentlich unbezahlbar, und die Menschen, die diese Arbeit machen, werden immer seltener. Andreas und Susanne Barth aus Niederfell an der Untermosel gehören dazu. Ihre Weine sind einmalig. Wer sich an Sponti-Nase und purer Mineralität nicht stört, könnte nach ihnen süchtig werden.
€ 20,00 | www.lubentiushof.de
2014 St. Péray Pur | Domaine du Tunnel
Genialer Weißwein von 100-jährigen Marsanne-Reben, gewachsen an steilen Granithängen am Rande der Stadt Valence an der Rhône. Riesling-Hooligans werden die niedrige Säure bemängeln, Leichtmatrosen den hohen Alkohol. Stéphane Robert, der Winzer, swürde darüber schmunzeln. Sein Saint Péray ist so, wie die Natur ihn schuf, und Fülle ist nun einmal das Markenzeichen der Rhône-Weine. Ich bin nicht der allwissende Kenner der Region, aber dieser Weiße mit den exotischen Fruchtaromen, der rauchigen Note und dem röstigen Unterton ist für mich das Tor zu einem neuen, anderen Weißwein-Universum.
€ 42,50 | www.weine-wuttke.de
Die Rotweine
2012 Nero d’Avola „Vrucara“ | Feudo Montoni
Der burgundischste aller sizilianischen Nero d’Avola, aus einem Weingarten mit uralten Rebstöcken im Hinterland von Agrigent stammend, die noch aus der Vor-Reblaus-Zeit stammen. Habe ihn erstmals im Ristorante Vicara in Noto getrunken. Schwer beeindruckt. Dann auch in Deutschland gefunden.
€ 24,90 | www.lacantinetta-shop.de
2015 Grands Echézeaux | Domaine de la Romanée-Conti
Dieser Wein kommt erst 2018 auf den Markt und dürfte schwierig zu beschaffen sein. Ich konnte ihn im Keller der Domaine aus dem Fass probieren. Das war letzten Sommer. Zu diesem Zeitpunkt hat er mir von allen DRC-Weinen am besten gefallen. „Ist gut, nicht wahr?“ bestätigte Aubert de Villaine. Und: „Wir nennen ihn Le Grand.“ Auch wenn es nur eine Fassprobe war: einer der Höhepunkte des Jahres.
ca. € 1.300,00 (noch nicht auf dem Markt)
2014 Clos Apalta | Lapostolle
Zweifellos einer der besten Rotweine aus Chile. Der Weinkritiker James Suckling hat dem 2014er glatte 100 Punkte gegeben (bei ihm weiß man allerdings nie, ob seine Skala nicht bis 110 geht). Auf jeden Fall ist diese Cuvée aus Cabernet Sauvignon, Merlot, Carmenère ein Ultra Premium-Wein mit Grandezza. Jedes Steak möchte möchte mit diesem Wein verschlungen werden.
€ 99,99 | www.chilenus.de
2014 Château Pierrail Reserve Bordeaux Supérieur | Château Pierrail
Vielleicht wirkt es ein bisschen komisch, wenn in dieser Aufstellung keiner der großen Bordeaux auftaucht, stattdessen ein ziemlich unbekannter Bordeaux Supérieur, der auch noch weit weg von der Gironde an der Grenze zu Bergerac wächst. Aber Pierrail ist schon kein Geheimtipp mehr, und 2014 war ein so großartiges Jahr, daß die Besitzerfamilie sich entschloß, eine Reserve du Château abzufüllen. Das passiert nicht oft, zuletzt 2010. Diese Merlot-/Cabernet Sauvignon-Cuvée zeigt, dass tolle Weine in guten Jahren nicht nur von den goldenen Äckern Pomerols und des Médoc kommen.
€ 23,95 | www.vandermeulen-wein.de
2013 Barolo Gavarini | Elio Grasso
Alle Jahre wieder: Die Barolo von Gianluca Grasso liegen auch in 2013 wieder ganz oben im Jahrgangsranking. Ich habe sie im November im Weingut probieren können. Im Gegensatz zu Parker sehe ich den Gavarini Chiniera noch ein Tick besser als den Grassos zweiten Barolo Casa Matè. Warum? Weil es die kühlere Lage ist und 2013 ein warmes Jahr war. Aber das sind Kleinigkeiten.
€ 69,00 | www.gute-weine.de
2011 Barolo Falletto Riserva Vigna Le Rocche | Bruno Giacosa
Es gibt rund 200 verschiedene Barolo-Erzeuger. Höchstens 50 erzeugen Weine, die des Namens Barolo würdig sind. Große Barolo gibt es wenige, vielleicht ein Dutzend. Die Riserva Falletto Vigna Le Rocche von Bruno Giacosa gehört dazu. Ich habe mir zu Weihnachten die eben auf den Markt gekommene 2011er Riserva gegönnt. Magisch, was Dante Scaglione, der Kellermeister, mit der Hilfe von Bruna Giacosa, der Tochter, da auf die Flasche gebracht hat. Nicht zu vergessen der große Meister selbst, der inzwischen zwar alt und mobilitätseingeschränkt ist, aber täglich in den Keller kommt und seine Weine verkostet. Seine Riserva ist der beste Barolo, den ich bisher aus dem Jahrgang 2011 getrunken habe (ist übrigens schon jetzt antrinkbar), wenngleich ich zugebe, dass 2011 zwar ein Maximum an Opulenz bietet, an Feinheit jedoch vom 2013er Jahrgang übertroffen wird. Warten wir mal ab, wie Giacosas Riserva ausfällt, wenn sie auf den Markt kommt.
€ 440,00 | www.koelner-weinkeller.de
2012 Ribeira del Duero „Pingus“ | Dominio de Pingus
Wenn Englisch meine Muttersprache wäre, würde die Rezension dieses Weins aus nur zwei Worten bestehen: simply perfect. Ganz allein stehe ich mit diesem Urteil nicht. Wie Peter Sisseck es geschafft hat, einen derart komplexen Wein so elegant hinzubiegen, daß er schon jetzt mit Genuss getrunken werden kann, weiß ich nicht. Aber es ist so. Bleibt nur der Preis. Den muss man schlucken.
€ 825,00 | www.ungerweine.de
Da gemäss Giacosas Philosophie der Barolo Le Rocche je nach Jahrgang entweder als weisse Etikette oder als Riserva auf den Markt kommt und es den 2013er Le Rocche bereits gibt, wird es wohl keine 2013er Riserva geben. Scheinbar wird aber der 2014er als Riserva vermarktet.