Wer schon zum Frühstück eine Flasche Vega Sicilia aufmacht, wird von diesen Weinen enttäuscht sein. Wer aber kein Etikettentrinker ist und nicht das Haushaltsgeld einer ganzen Woche in eine einzige Flasche investieren kann, wird nach dem ersten Glas El Cacho überrascht sein: Man muss nicht reich sein, um gute Weine zu trinken.
El Cacho ist eine Crianza aus dem nordspanischen Anbaugebiet Campo de Borja: eine wenig bekanntes Hügelzone in der Provinz Zaragossa, einsam, wildromantisch, nicht weit von der D.O. Navarra entfernt. Doch im Gegensatz zu Navarra regiert in der D.O. Campo de Borja die Garnacha-Traube. In vielen Weinbergen findet man noch alte Rebstöcke dieser Sorte, die nach dem Krieg gepflanzt und nie durch junge, ertragreichere Reben ersetzt wurden. In der Tiefe der Provinz, da wo die Weinindustrie noch nicht angekommen ist, ist Spanien ein sehr traditionelles Land.
El Cacho – vor Frucht strotzend
Garnacha-Trauben bilden die Basis des El Cacho. Sie sind in ihm zu 60 Prozent enthalten. Sein Bouquet strotzt vor Frucht, in erster Linie Marzipankirsche und Pfläumchen, dazu eine markante Würze, die von Café bis zu Süßlakritze reicht. Fast spielerisch-leicht fließt der Wein über den Gaumen, obwohl es ein opulenter, reicher Wein ist – so reich, dass er am Glas, wenn es leer ist, bläulich-rote Spuren hinterlässt. Das Tannin ist perfekt verschmolzen. Kein trockenes, schon gar kein pelziges Gefühl auf der Zunge. Man schmeckt, dass man in Spanien ist.
El cacho heißt auf Spanisch der Joint. Ein riskanter, aber zutreffender Name: Dieser Wein kann süchtig machen. Er fließt wie von selbst aus der Flasche. So übersteht man mit ihm leicht verregnete Sommertage, was gefährlich werden kann. Erstens hat der El Cacho 14 Vol.% Alkohol. Man schmeckt ihn zwar nicht. Aber wenn jemand versehentlich die ganze Flasche trinken sollte, wegen anhaltenden Regens sogar am liebsten eine zweite entkorken würde, wird er den Alkohol schnell spüren.
Wo der Hammer wirklich hängt
Zweitens ist der Preis einer Flasche dieses Weins so konsumfreundlich kalkuliert, dass selbst die zweite Flasche noch keine schmerzhaften Einschnitte im Haushaltsbudget nach sich zöge. Mit unfassbaren 6,90 Euro zeigt der El Cacho allen Discountern, wo der Hammer wirklich hängt.
Nur einen Tipp in diesem Zusammenhang: Wer die Wetterberichte abhört und erfährt, dass ein neues Tief im Anzug ist, sollte die Flasche schon einen Tag vorher öffnen. Oder dekantieren. Die packende, herrlich frische Frucht tritt klarer zu Tage, das Profil wird schärfer. Kleine, unrunde Nebentöne, die nach dem Öffnen da sein können, verschwinden.
Das Projekt Tarantinto
Der Wein kommt von den Bodegas Borsao, ist jedoch eine Händlerabfüllung. Die Bodegas haben diese Cuvée komponiert und als Crianza ausgebaut (neben Granacha enthält sie 20 Prozent Tempranillo und 20 Prozent Cabernet Sauvignon und wurde je zur Hälfte in französischer und amerikanischer Eiche gereift). Das deutsche Weinhändler-Ehepaar Silke und Wolfgang Spruch, Inhaber der Silkes Weinkeller GmbH in Velbert und Spanienspezialist, haben den El Cacho aus hundert spanischen Cuvées ausgewählt und abfüllen lassen.
Er ist das Herzstück eines Projekts, das den Namen Tarantinto trägt. Das Ziel: Menschen, die keinen Wert auf bekannte Etiketten legen, hochwertige spanische Weine zu günstigen Preisen zugänglich zu machen. Drei Weine gehören zu dem Tarantinto-Projekt. Jeder trägt ein künstlerisch gestaltetes Etikett und ist ein Unikat. In seiner jeweiligen Zusammensetzung gibt es ihn nur einmal.
Syrah mit richtig Power!
Der zweite Wein aus dem Tarantinto-Projekt ist ein Syrah aus dem Anbaugebiet Jumilla. Dieser Wein von Casa Castillo ist für Menschen gemacht, denen ein Rotwein gar nicht genug Power haben kann. Er ist hochkonzentriert, besitzt eine größere Dichte und deutlich mehr Tannin als der El Cacho: ein Wein von tiefroter, undurchdringlicher Farbe, geschliffener Frucht und einer pikanten Note von Graphit und schwarzem Pfeffer. Typisch Syrah!
Er stammt aus einem wertvollen, hoch gelegenen Weinberg, in dem auch uralte Monastrell-Stöcke stehen. Monastrell ist in diesem Wein zu 15 Prozent enthalten. Mit 12,90 Euro kostet der Tarantinto-Syrah zwar etwas mehr als der El Cacho. Aber im Vergleich zu anderen spanischen Syrahs – etwa dem von Marques de Griñon – ist das nur halb so viel.
Der einzige Nachteil dieses Weins ist, dass er noch so jung ist. Wer ihn aus Verzweiflung über das trübe Wetter jetzt schon trinken will, sollte die Flasche sogar zwei Tage lang offen stehen lassen – oder den Wein doppelt dekantieren. Der Wein braucht viel Luft, zeigt dann aber seine Klasse.
Ein Weißer – falls der Sommer noch kommt
Der dritte Tarantinto-Wein ist weiß und auf eine unspektakuläre Weise genial. Er ist erfrischend und leicht zu trinken, aber gleichzeitig gehaltvoll mit feinen Noten von Grapefruit, Banane, Honigmelone.
Für spanische Verhältnisse besitzt er eine sehr lebendige Säure, die reif und magenschonend ist, auch wenn man ein zweites oder drittes Glas konsumiert: ein toller Wein aus Godello (85%), Albariño (20%) und Treixadura (5%), der aus der wenig bekannten DO Monterrei in Galicien kommt und nur bescheidene 6,90 Euro kostet – halb so viel wie die Weissweine aus der benachbarten D.O. Rias Baixas. Zu einem sommerlichen Salat, einer Gemüsetarte, einer Scampi-Pfanne schmeckt er am besten. Oder einfach zu ein paar Scheiben Serrano-Schinken. Es könnte ja sein, dass die Sonne mal wieder rauskommt…
Bezug der Weine: www.internetoase.de Die drei Tarantinto-Weine gibt es derzeit in einem Probierpaket für 69 Euro (je drei Flaschen)