Pet Nat von Mark Barth: trüber Sektgenuss

Merian Ausgabe Frankfurt
© Sektgut Barth
Wem Champagner zu teuer, Prosecco zu billig und Sekt zu bieder ist, trinkt Pet Nat. Das ist naturtrüber, flaschenvergorener Bio-Schaumwein. Mark Barth aus dem Rheingau hat erstmals einen Pet Nat erzeugt. Patrick Hemminger hat mit ihm gesprochen.

Meck Pom kennt jeder. Aber Pet Nat? Ist das ein neu­es Bun­des­land? Eine neue Mar­ke für bio­lo­gi­sches Hun­de­fut­ter? Eine sich selbst kom­pos­tie­ren­de Plas­tik­fla­sche? Weit gefehlt. Pet Nat ist die Abkür­zung für Pétil­lant Natu­rel. Auf deutsch: natür­lich pri­ckelnd. Gemeint sind damit schäu­men­de oder pri­ckeln­de Wei­ne, ähn­lich wie Cham­pa­gner oder Pro­sec­co. Nur Bio-Qualität: Pet Nat-Weine sind natur­trüb, haben Schlie­ren, duf­ten anders als kon­ven­tio­nel­le Wei­ne. Sie gären auf der Mai­sche an, wer­den auch ganz anders ver­sek­tet: auf der Fla­sche. In die­se aber wird gären­der Wein, kein fer­ti­ger Wein gefüllt wie bei einer klas­si­schen Fla­schen­gä­rung. Die Hefe wird nach Abschluss der Gärung auch nicht ent­fernt. Sie bleibt in der Fla­sche, die danach gar nicht mehr geöff­net wird. Das Deg­or­gi­e­ren (Ent­he­fen) ent­fällt. Pet Nat-Weine kön­nen daher auch kei­ne Süß-Dosage bekom­men und nicht geschwe­felt wer­den – sol­len sie auch nicht. Sie sol­len Natur­wei­ne sein: spon­tan ver­go­ren, unver­fälscht, unge­schönt und mit Kron­kork verschlossen.

Hefetrüb ist nicht gesundheitsschädlich

Trü­ber, schlie­ri­ger Wein im Glas mag irri­tie­rend wir­ken – vor allem in fei­nen Restau­rants. Aber das ist eine Fra­ge der Gewöh­nung. Hefe­trüb ist nicht gesund­heits­schäd­lich. Beim Wei­zen­bier trinkt man eben­falls die Hefe mit. In der Naturwein-Szene ist Pet Nat jeden­falls der neu­es­te Schrei. Halb­ver­go­re­nen Wein in die Fla­sche zu fül­len und sich selbst zu über­las­sen, ist span­nend, das Resul­tat nicht vor­her­seh­bar. Manch­mal gärt der Wein durch, ist also tro­cken. Manch­mal bleibt die Gärung ste­cken und der Natur­sekt behält eine klei­ne Rest­sü­ße. Manch­mal pri­ckelt er nur, manch­mal schäumt er richtig.

Ähnlich wie Méthode Ancestrale und Méthode Rurale

Pet Nat ist etwas Neu­es und etwas Altes zugleich. Métho­de Ances­tra­le oder Métho­de Rura­le nennt sich die tra­di­tio­nel­le Her­stel­lungs­me­tho­de, deren Anfän­ge für den Beginn des 16. Jahr­hun­derts in Süd­frank­reich ver­brieft sind. Dabei goren Wei­ne im Früh­jahr, wenn es wär­mer wur­de, spon­tan nach, wobei Koh­len­säu­re ent­stand. Aus den geplan­ten stil­len Wein wur­de so ein pri­ckeln­der oder schäu­men­der Wein. Über die Jahr­hun­der­te nahm kaum jemand davon Notiz. Die Wei­ne gal­ten als regio­na­le Spe­zia­li­tät in eini­gen Ecken Frank­reichs. Sie waren zu einem gro­ßen Teil für den Pri­vat­ge­brauch von Win­zern gedacht, die eigent­lich Still­wei­ne hat­ten pro­du­zie­ren wollen.

Stillwein gewollt, Schaumwein bekommen

Die Geburts­stun­de des Pet Nat schlug erst Mit­te der 1990er Jah­re. Eine alte Idee bekam plötz­lich ein Hipster­ge­wand über­ge­wor­fen. Chris­ti­an Chaus­sard, einer der Vor­rei­ter der Natur­weinsze­ne an der Loire, hat­te einen Chen­in blanc als demi sec abge­füllt. Weil er ihn nicht fil­triert hat­te, gär­te der rest­sü­ße Wein spä­ter auf der Fla­sche nach. Chaus­sard dach­te, die kom­plet­te Char­ge sei rui­niert – und er ver­mut­lich auch. Aber dann schmeck­te das, was sich da unbe­ab­sich­tigt ent­wi­ckelt hat­te, so gut, dass er sich dazu ent­schloss, den Wein als Pétil­lant Natu­rel, als Pet Nat zu ver­kau­fen. Es lief gut, und so mach­ten es ihm ande­re Win­zer nach. Zunächst nur an der Loire, spä­ter auch in ande­ren Tei­len Frank­reichs, seit eini­gen Jah­ren auch in Öster­reich, Ita­li­en und ande­ren euro­päi­schen Ländern.

Auch renommierte Versekter versuchen sich in Pet Nat

Pet_Nat-Flasche vom Sektgut Barth

Nach­dem die ers­ten Pet Nats vor ein paar Jah­ren auf den deut­schen Markt kamen, ver­such­ten sich auch deut­sche Win­zer – jun­ge vor allem und sol­che mit Bio-Hintergrund – an die­sem Pro­dukt. Die Brü­der Dani­el und Jonas Brand aus dem rhein­hes­si­schen Bocken­heim waren die ers­ten, die mit einem Pet Nat auf den Markt kamen. Inzwi­schen erfasst die grü­ne Wel­le auch renom­mier­te Ver­sek­ter, etwa das Sekt­wein­gut Barth aus dem Rhein­gau. Mark Barth, der Junior-Chef, hat 2017 erst­mals einen eige­nen Pet Nat Rosé auf die Fla­sche gebracht. Und der ist gut gelun­gen, fin­det Patrick Hem­min­ger. Er hat sich mit ihm unterhalten.


Interview mit Mark Barth

Was war der ers­te Pet Nat, den Sie pro­biert haben? Was hat Sie begeis­tert – oder was fan­den Sie nicht gut?

Mark Barth: Vor ein paar Jah­ren habe ich den wei­ßen Pet Nat von Marc Wein­reich pro­biert und fand ihn ganz span­nend. Der ers­te Rosé Pet Nat war vom Wein­gut Jurtschitsch aus Öster­reich – der hat mir auch sehr gut gefallen.

Wann sind Sie auf die Idee gekom­men, sel­ber einen Pet Nat zu machen?

Mark Barth: Die Idee schwirr­te schon seit län­ge­rem im Kopf umher. Als Bio-Weingut, dass selbst ver­sek­tet, hat mich das „natür­li­che Pri­ckeln“ von Anfang an inter­es­siert. Der fes­te Ent­schluss selbst einen Pet Nat zu machen kam jedoch erst kurz vor der Ern­te 2017.

Wie lief das ab? Woher haben Sie die Infos bekom­men, wie so etwas geht?

Mark Barth: Da Pet Nat damals nicht zu den Ausbildungs- bzw. Stu­di­en­in­hal­ten in Gei­sen­heim gehör­te, habe ich mich in das The­ma ein­ge­le­sen, mit Kol­le­gen aus­ge­tauscht und natür­lich von unse­rer Erfah­rung im Sekt­be­reich Gebrauch gemacht. Das wich­tigs­te ist ja das Timing der Abfül­lung für die Rest­gä­rung auf der Flasche.

War­um haben Sie sich für Caber­net Sau­vi­gnon als Reb­sor­te entschieden?

Mark Barth: Ich hat­te in den Jah­ren zuvor neben einem kräf­ti­gen Rot­wein auch immer wie­der Rosé-Varianten von unse­rem Caber­net ver­go­ren und fand die­se immer sehr aus­drucks­stark. Daher woll­te ich den ers­ten Ver­such mit unse­rem Caber­net machen.

Ging zu Anfang auch mal was schief?

Mark Barth: Zum Glück nicht. Ich bin wirk­lich zufrie­den damit. Aber wie bereits gesagt, habe ich mich vor­her infor­miert und auch von Kol­le­gen ein paar Hin­wei­se bekom­men, was schief gehen könnte.

Wie waren die Reak­tio­nen von Kunden?

Mark Barth: Sehr posi­tiv. Ein Pet Nat ist zwar nicht jeder­manns Sache, aber ich war erstaunt, wie vie­le unse­rer tra­di­tio­nel­len Sekt­kun­den auch vom Pet Nat ange­tan waren.

Wer kauft bei Ihnen Pet Nat?

Mark Barth: Das ist ganz gemischt. Pri­vat, Gas­tro­no­mie, Händ­ler und auch ein wenig Export. Die ers­te Run­de war noch sehr limi­tiert und muss­te ent­spre­chend auf­ge­teilt wer­den. Vom neu­en Jahr­gang wird es mehr Fla­schen geben.

Was ist der Reiz an Pet Nat für Sie als Winzer?

Mark Barth: Ich fin­de das Geschmacks­er­leb­nis total span­nend und eben ganz anders als bei unse­rem Wein oder Sekt. Zudem ist er immer sehr herb und erfri­schend. Die Hefe gibt noch das gewis­se Etwas, und gefühlt ver­än­dert er sich von Schluck zu Schluck. Das abso­lu­te Gegen­teil von Mainstream.

Wie bewer­ten Sie die Situa­ti­on von Pet Nat in Deutsch­land allgemein?

Mark Barth: Ich ken­ne kei­ne Zah­len oder Sta­tis­ti­ken dazu. Dafür ist das The­ma noch jung. Ich den­ke auch, dass es immer eine Nische blei­ben wird – ähn­lich wie beim Oran­ge Wein. Durch mein eige­nes Inter­es­se bekom­me ich natür­lich mehr mit und hof­fe, dass der Markt für Pet Nat zunimmt, auch in der Gastronomie.

Zu wel­cher Gele­gen­heit oder mit wel­chem Gericht trin­ken Sie Ihren Pet Nat am liebsten?

Mark Barth: Da mein Pet Nat eine aus­ge­präg­te Aro­ma­tik nach Erd­bee­re, Rha­bar­ber und Jogurt hat, kann er viel­leicht eine klei­ne Mahl­zeit ersetz­ten. Ansons­ten sehe ich ihn eher als Aperitif.

Haben Sie einen Lieblings-Pet-Nat – außer Ihrem eigenen?

Mark Barth: Im Kopf geblie­ben ist mir der Fuchs & Hase Rosé Pet Nat aus dem gleich­na­mi­gen Wein­gut im öster­rei­chi­schen Kamptal.

Der Pet Nat vom Sekt­gut Barth kos­tet 19 Euro/Flasche

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