Wäre das Weingut Rings aus Freinsheim eine Aktie, so hätten diejenigen, die sie gezeichnet haben, wesentlich mehr Freude an ihr gehabt als die Zeichner von Facebook-Anteilsscheinen. Denn mit der Rings-Aktie ging es bislang ständig bergauf. Von 1 Traube im Gault Millau-Weinführer auf 3 Trauben, dazu Höchstbewertungen beim Pfälzer Barrique-Forum und Gewinn des Deutschen Rotweinpreises für ihre Cuvée „Das Kreuz“ (aus Cabernet Sauvignon, Merlot, St. Laurent, Cabernet franc). Eichelmann hebt in seinem Führer die „starke, sehr gleichmäßige Kollektion“ hervor. Rudolf Knoll meint, Rings Lagen-Rieslinge seien sogar schon „reif für ein Großes Gewächs“.
Und die Ortsweine? Sie stehen selten im Fokus der Kritiker, weil sie weder die besten noch die billigsten Weine im Sortiment sind. Doch in 2011 sind es gerade die Ortsweine, die zum Frohlocken Anlass geben – zumindest bei den Brüdern Steffen und Andreas Rings. Sie beeindrucken durch geschliffene Frucht und Saftigkeit. Sie besitzen Spannung. Sie sind präzis gearbeitet und bringen den Jahrgang genau auf den Punkt: nicht übertrieben hohe, aber reife Säure, cremige Stoffigkeit und ein himmlisch zarter, fast süßer Schmelz. Dieser Schmelz macht, dass der Wein, obwohl knochentrocken, weich über den Gaumen läuft.
Ortsweine nicht vom Bürgermeister befohlen
Ortsweine heißen nicht etwa so, weil der Ortsbürgermeister sie befohlen hätte. Die Trauben für sie stammen aus verschiedenen Weinbergen, die ein Weingut innerhalb des Ortes besitzt, der auf dem Etikett angegeben ist. Das Weingut Rings hat Weinberge in den Orten Kallstadt, Ungestein und Freinsheim. Aus allen drei Orten kommen Ortsrieslinge. Sie stehen in der innerbetrieblichen Hierarchie über den einfachen Gutsweinen, aber unter den Lagen-Weinen. Weil die Böden in jedem Ort anders sind, differieren auch die Weine geschmacklich.
Freinsheim liegt zum Beispiel 20 Kilometer westlich von Ludwighafen: ein 5000-Einwohner-Städtchen mit viel Fachwerk, kopfstein-gepflasterten Gässchen, lauschigen Cafés und kleinen Boutiquen. „Fränsem“ sprechen die Pfälzer den Ort aus. Er liegt in der Ebene zwischen Rhein und Pfälzer Wald. Die Böden im nahen Kallstadt und in Ungestein weisen viel Kalkmergel auf. In Freinsheim sind sie sandiger. Der Orts-Riesling aus Freinsheim schmeckt daher fruchtiger, die Orts-Rieslinge aus Kallstadt und Ungstein mineralischer.
Keine Prädikate für trockene Weine
Würden sich die Rings der herkömmlichen Nomenklatur bedienen, müssten sie „Spätlese“ auf das Etikett ihrer Ortsweine schreiben. Jeder der drei Rieslinge hat über 90 Grad Oechsle. Doch Prädikate für trockene Weine – das lehnen die Rings-Jungs in bester VDP-Manier ab (obwohl das Weingut kein VDP-Mitglied ist). Dennoch verlangen sie für ihn 10,50 Euro, was für einen Pfälzer Riesling auf den ersten Blick viel sein mag, zumal Freinsheim nun auch nicht so berühmt ist, dass ganz Deutschland ihn mit hochklassigem Riesling in Verbindung bringt.
Aber der Freinsheim-Riesling von Rings ist das Musterbeispiel eines Weins, der im mittleren Bereich angesiedelt ist, aber in 2011 Qualitäten gebracht hat, die von denen der Spitzenweine nicht weit entfernt sind.
Sicher, er besitzt nicht die ausgeprägte Mineralität des Saumagens und nicht die Tiefe des Weilbergs, der beiden Top-Rieslinge des Weinguts. Außerdem liegen die Traubenerträge für Ortsweine deutlich höher. Aber in puncto Dichte steht er den Lagen-Rieslingen nur wenig nach. So gesehen ist er die flüssige Dividende, die das Weingut dieses Jahr ausschüttet.
Bis 2000 nur Fasswein produziert
Steffen und Andreas Rings haben in den letzten Jahren einen Kundenstamm aufgebaut, der auf ihre Weine schwört. Das gilt nicht nur für die Rieslinge, sondern auch für Sauvignon, Chardonnay und die Rotweine. Ihre Topweine sind innerhalb von 14 Tagen ausverkauft. Das ist insofern bemerkenswert, als die Rings-Brüder nicht die klassische Nachfolge-Generation darstellen. Ihr Vater hatte bis 2000 Fasswein produziert. Erst 2001 begann Steffen, heute 34, mit der Erzeugung von Flaschenwein. 2006 stieß der Bruder dazu. 2008 wurde der Betrieb formell auf sie überschrieben. Das heißt: Das Weingut wurde praktisch neu gegründet.
Beide sind keine verkopften Winzer. Sie haben eine Winzerlehre gemacht und die Ausbildung zum Weintechniker absolviert. Keine Fachhochschule, keine Auslandspraktika, keine akademische Ausbildung. Stattdessen learning on the job. Das schließt ein, sich mit befreundeten Winzern auszutauschen und alles zu verkosten, was ihnen ins Glas kommt. Und lieber abends nochmal durch den Weinberg zu gehen, um die Traubenzone zu entblättern, als sich vor den Fernseher zu hocken: „Wir sind echt weinverliebt“, gibt Andreas zu.
Keine Zeit für Fußball mehr
Sicher, ihre Rieslinge besitzen noch nicht die Vielschichtigkeit der eines Rebholz oder die Charakterstärke der von Bürklin-Wolf. Aber sie folgen einer klaren Linie: möglichst gesundes, reifes Lesegut, schonende Kelterung, wenn möglich spontane Vergärung, Reifung im Stahltank, trockener Ausbau – und trocken heißt bei ihnen durchgegoren.
Und die rasante Entwicklung geht weiter. „Jedes Jahr wollen wir ein bisschen besser werden“, sagt Andreas, mit 26 Jahren der Jüngere der Brüder. Er und sein Bruder wollen weiter Gas geben. Sie nehmen bereits seit einigen Jahren am Talentprogramm des VDP Pfalz teil. Und im Gault Millau gehören sie bereits zu den Besten in der 3-Trauben-Kategorie – Aufstieg zu den 4 Trauben nicht ausgeschlossen. Zeit, zum Fußballspielen oder auf den Betzenberg nach Kaiserslautern zu gehen, haben sie schon lange nicht mehr. „Wenn Kaiserslautern, dann um gut essen zu gehen“, sagt Andreas.