Montag, Dezember 9, 2024
0.7 C
München
spot_img

Österreicher Weintriumph: Kamptaler Riesling siegt in London

75 Rieslinge hatte der Londoner Wine Consultant und Social Media Sommelier Robert Giorgione zusammengetragen und einer Jury von 29 englischen Weinexperten zur Verprobung gereicht. Das Ergebnis: Platz Eins für den 2004 Riesling Gaisberg aus dem Weingut Hirsch aus Kammern bei Langenlois. „Ich wusste nichts von der Probe“, war Johannes Hirsch, der junge Weingutsbesitzer, überrascht. „Mein Importeur muss die Flaschen eingeliefert haben. Aber ich bin natürlich sehr erfreut über das Ergebnis.“

Dabei fehlte es der Riesling-Probe nicht an großen Namen: Egon Müller, Dr. Loosen, Leitz und Dönnhoff aus Deutschland, Jurtschitsch, Prager, Loimer aus Österreich, aus dem Elsass Trimbach, André Ostertag, Domaine Weinbach, dazu alle großen Riesling-Erzeuger Australiens und Neuseelands.

„Die besten Weine waren meiner Meinung nach der 2004 Riesling Gaisberg von Hirsch und 2007 Riesling Smaragd Steinriegel von Prager“, bekannte zum Beispiel Tim Atkin, einer der renommiertesten englischen Weinjournalisten und Master of Wine. Und Richard Hemming, der für Jancis Robinsons Website schreibt: „Für mich präsentierten sich die elsässer und deutschen Weine am besten, aber die österreichischen Rieslinge waren herausfordernder…“

Etikett Gaisberg 2009Man muss die Ergebnisse von Blindproben nicht bierernst nehmen. Oft spielt der Zufall eine Rolle, nicht selten sind es die unkomplizierten Weine, die zum Sieger gekürt werden, während die schwierigen, sehr guten Weine im Mittelfeld landen.

Die Weine des jungen Johannes Hirsch, des vielleicht eigensinnigsten, aber auch genialen Winzers des Kamptals, gehören sicher nicht zu den schwierigen, unnahbaren Weinen. Sie besitzen Saft und Trinkfluss und sind auch in jungem Stadium bereits sehr attraktiv. Doch sie bleiben auch attraktiv, wenn sie älter werden, wie die Londoner Probe gezeigt hat. Sowohl Hirschs Riesling vom Heiligenstein (Wüstensandstein) als auch sein ewiger „Konkurrent“ vom Gaisberg (verwitterter Glimmerschiefer) sind extrem mineralische, vielschichtige Weine, die gleichzeitig feinste Marillen- beziehungsweise Mango-Noten durchschimmern lassen und ein großes Alterungspotenzial besitzen.

Der Londoner Siegerwein ist bereits über sechs Jahre alt und in bestechender Form. In England ist der 2004 Gaisberg noch auf dem Markt – beneidenswerte Engländer. In Österreich und Deutschland ist sogar der 2009er Gaisberg-Riesling schon ausverkauft. Dort gilt Hirsch als der „Hirtzberger des Kamptals“. Ältere Jahrgänge sind noch bei www.pinard.de erhält (Preis: 25 Euro).

Hirsch hatte 2002 die Weinszene gegen sich aufgebracht, weil er auch für seine Spitzenweine Schraubverschlüsse benutzte. Der Falstaff, Österreichs wichtigstes Weinmagazin, sah die Weinkultur in Gefahr und rief zum Boykott der Hirsch-Weine auf. Inzwischen ist auch der Falstaff auf den „Schrauber“ eingeschwenkt und erweist den Weinen Johannes Hirschs höchste Reverenz.

Bevor die Ergebnisse der Londoner Riesling-Probe bekannt waren, hat Jens Priewe den Lesern des FEINSCHMECKER (04/2011) den fantastischen 2009er Riesling Gaisberg von Johannes Hirsch zum Kauf empfohlen: „Sollten Sie an ernsthafteren Weißweinen interessiert sein, dann gehört der 2009 Riesling Gaisberg vom Weingut Hirsch unbedingt auf Ihre Einkaufliste. Dieser Schraubverschluss-Wein eines jungen, biodynamisch arbeitenden Winzers aus dem österreichischen Kamptal ist herausragend: herrlich saftig mit viel Grapefruit und ein klein wenig Mango im Geschmack, gleichzeitig mineralisch-straff und cremig, weil lange im großen Holzfass auf der Hefe gelegen. Der Wein ist spontan vergoren und hat eine leichte Restsüße, schmeckt jedoch trocken. So ein Wein gelingt nicht jedes Jahr und wird auch nach fünf oder zehn Frühlingen noch gute Gefühle auslösen (Preis: 22,80; www.weinshop24.at).“

Hier die ersten drei Platzierungen der Londoner Riesling-Probe:

  1. 2004 Gaisberg, Weingut Hirsch, Kamptal
  2. 2008 Scharzhofberger, Egon Müller, Saar
  3. 2007 Steinriegel Smaragd, Weingut Prager, Wachau

Die weiteren Platzierungen:

2004 Cuvée Fréderic Emile, Trimbach, Alsace
2008 Heissenberg, André Ostertag, Elsass
2008 Jean Sipp, Alsace,
2009 Red Slate, Dr. Loosen, Mosel
2006 Berg Kaisersteinfels, Weingut Leitz, Rheingau,
2008 Reiterpfad, Reichsrat von Buhl, Pfalz,
2008 Polish Hill River, Paulett’s, Clare Valley, Australien
2008 Hanlin Hill, Petaluma, Clare Valley, Australien
2009 Limited Edition Dry, Little Beauty, Marlborough, Neuseeland

- Anzeige -spot_img
- Anzeige -spot_img

Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

Must know

- Anzeige -spot_img

Ähnliche Artikel

- Anzeige -spot_img