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Montebruna – sprechendes Etikett für einen Barbera, der rockt

Das Piemont ist ein Land großer Rotweine. Die bekanntesten heißen Barolo und Barbaresco. Wer aber das Piemont genau kennt weiß, dass auch der Barbera ein großer Wein sein kann. Bricco dell’Uccellone, Bricco della Bigotta, Ai Suma – Namen, die für große, festliche Barbera stehen. Alle drei kommen aus dem Weingut Braida. Braida gilt im Piemont als Pionier des modernen Barbera.

Auch der Montebruna ist ein Braida-Barbera. Aber er ist kein festlicher Wein, sondern ein Alltagswein, allerdings einer von der gehobenen Qualität. Er wird gekeltert aus Barbera-Trauben und gereift in einem Weinberg gleichen Namens: eine langgestreckte Südostlage mit sandig-lehmigem Untergrund. Die Reben sind mit 8000 Stöcken pro Hektar so dicht gepflanzt, dass sie nur kleine Trauben mit dicker Schale hervorbringen – genau das, was qualitätsorientierte Winzer wollen.

Kein Neuholzmonstrum, sondern ein klassischer Barbera

Sicher, der Montebruna wird nicht extrem ertragsreduziert produziert wie Braidas Spitzenweine. Und er wird nicht in Barriques ausgebaut. Er reift ganz traditionell in großen Fässern aus slawonischer Eiche. Ein klassischer Barbera also, kein neuholzgesättigtes Monstrum mit einem Alkoholgehalt, der sich eher zum Flambieren als zum schluckweisen Genießen eignet.

Auf der anderen Seite ist der Montebruna auch keiner dieser banalen, kirschfruchtigen Weine, die so schnell im Schlund verschwinden wie sie in die Mundhöhle eingetreten sind. Er ist ein dichter, vollmundiger Wein von beträchtlicher Konzentration, der nach Blaubeeren, frischen Pflaumen, Kirschkompott, Veilchen und erdiger Würze schmeckt. Besonders angenehm ist die feine, erfrischende Säure.

Wer mag, kann ihn bei Kerzenlicht zu einem Gänsebraten trinken. Doch besser noch passt er zu einem Teller guter Spaghetti Bolognese oder einem Risotto mit Geflügelleber – dem Lieblingsgericht von Raffaella Bologna.

Giacomo Bologna – Träumer und Barbera-Visionär

Bologna ist der Name der Familie, der das Weingut gehört. Es umfasst insgesamt 61 Hektar Weinberge und liegt in dem kleinen Dorf Rocchetta Tanaro nahe der Stadt Asti. Gegründet wurde es 1978 von Giacomo Bologna, Raffaellas Vater. Er war ein Feinschmecker und Weinliebhaber von hohen Gnaden, berühmt in der ganzen Welt für seine Lebensfreude und Großzügigkeit. Zugleich war er ein Träumer und Visionär, der nach der Devise lebte: Mit jedem Schluck Wein, den du mit einem Fremden trinkst, geht ein Stück der Seele des Landes, aus dem dieser kommt, auf deinen Gast über.

Für Giacomo Bologna galt Gleiches übrigens auch für feste Nahrung. Zu einer Präsentation bei Dallmayr in München erschien er in den achtziger Jahren einmal mit einem Jackett, dessen Taschen prall gefüllt von weißen Trüffeln waren. Jeder, der ein Glas seines Weins kostete, bekam von ihm zur Belohnung eine Knolle. Doch das Interesse an Barbera war damals gering. So verschenkte er seine Trüffel am Ende des Tages an die weißbeschürtzten Damen des Personals.

Ein Drittel seines Weins trank er selber

Später, als der Wein in aller Munde war, tauchte Giacomo Bologna auf Messen gern mit zwei großen Imperialflaschen Barbera unterm Arm auf und schenkte jedem ein, der ihm sein Glas entgegenstreckte. Ein Drittel des Weins, den er produzierte, verkaufte er. Ein Drittel verschenkte er. Ein Drittel trank er selbst. So weiß es die Legende. Weit von der Wahrheit ist sie nicht entfernt.

Giacomo Bologna ist 1990 gestorben. Heute wird das Weingut Braida von seiner Tochter Raffaella und seinem Sohn Giuseppe geführt. Letzterer, kurz Beppe genannt, hat die 16 Hektar, die die Familie in der Lage Montebruna besitzt, von 35 einzelnen Weinbauern mühsam zusammengekauft. „Damit geht ein Traum in Erfüllung, den mein Vater immer hegte: diese Lage zu besitzen“, berichtet Raffaella.

Doch Montebruna ist nicht nur vom weinbaulichen Standpunkt eine tolle Lage. Sie besitzt auch einen ästhetischen Wert. Die Hänge fallen sanft ab, die Hügellinie ist sanft in sich geschwungen. Feldgehölze rahmen den Rebenkörper ein. Keine flurbereinigte Landschaft also, sondern „ein magischer Ort“, wie die Tochter schwärmt.

Das Etikett ist die literarische Karte des Weinbergs

Braida bittet alle drei Jahre Künstler, Musiker, Poeten, sich von der Magie ihres Weinbergs inspirieren zu lassen. Was sie empfinden und niederschreiben, taucht dann als Versfragment und poetischer Riff auf dem Etikett des Montebruna auf.

Das Etikett ist dadurch zur literarischen Karte der Lage geworden. Der Konsument kann sie entziffern – sofern er gute Augen hat und der italienischen Sprache mächtig ist. „Der Weinberg beginnt zu sprechen.“

Die Jahrgänge 2005 bis 2007 tragen zum Beispiel die Worte von Roby Facchinetti auf dem Etikett, des Sängers und Kopfes der italienischen Pop Rock-Band Pooh. Was ihm im Angesicht des Weinbergs einfiel, ließe sich so übersetzen: „Hören, was der Mond und die hellen Nebelschwaden zu sagen haben, und schon entsteht in der heiteren Stille der Nacht ein neuer Song.“

Warum der Barbera weiblich ist

Der Commedian Giorgio Faletti, der unter anderem Songs für Milva, Mina und Angelo Branduardi komponiert hat, kam der Anblick des Weinbergs vor wie ein „Liebestraum, der sich weder erfüllt noch wiederkommt“ (2003-2004).

Derzeit zieren die Worte von Omar Pedrini das Etikett des Montebruna, des Sängers und Lead-Gitarristen der italienischen Rockband Timoria. Ihn führte der Anblick der Lage Montebruna zu einer tieferen Erkenntnis: „Deshalb ist der Barbera weiblich, weil er für Fruchtbarkeit, Mühsal und Glück steht“.

Wenn die Worte wahr sind und die Seele eines Weinbergs sich im Wein spiegelt, dann muss der Montebruna ein Wein sein, der rockt. „Alle Künstler, die wir um einen Vers bitten, sind Freunde unseres Weinguts “, sagt Raffaella. „Sie mögen unsere Weine. Ob der Montebruna deswegen ein rockiger Wein ist, weiß ich nicht. Wir Bolognas lieben jedenfalls beides: Rockmusik und unseren Wein.“

Und natürlich den Weinberg selbst. Beppe, der Bruder, hat von den 35 Parzellen, die er zusammengekauft hat, eine für sich behalten. Er will dort ein Haus bauen, für sich, seine Frau und seine Kinder. Sie wollen in dem Weinberg leben.

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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