Bremerhavener Aromaforscher haben 14 Merlot-Weine aus aller Welt im Labor analysiert. Das Ergebnis: Ein Leitaroma, das sich wie ein roter Faden durch alle Weine zieht, scheint es im Gegensatz zu anderen Sorten bei der Merlot nicht zu geben. Ist die „Charakterlosigkeit“ der Rebsorte damit belegt, wie sie die amerikanische Filmkomödie Sideways vor einigen Jahren beschwor? Von Ulrich Sautter
Das Technologie-Transfer-Zentrum in Bremerhaven (ttz) koordiniert derzeit ein Forschungsprojekt, in dem es darum geht, sensorische Urteile von Geschmacksexperten in der Laboranalyse zu untermauern. So wurde versucht, die Geruchs- und Geschmackseindrücke von 60 internationalen Weinkontrolleuren, die sie an Hand von 14 Merlot-Weinen gewonnen hatten, chemisch-analytisch nachzuweisen. Das Ergebnis war ernüchternd: Viele der Aromen, die die Experten auf ihre Probenzettel geschrieben hatten, wurden zwar in den Weinen gefunden. Doch ein Leitaroma für die Rebsorte kristallisierte sich dabei nicht heraus. Die Verbindung Furfurethylether (die für einen Karamell-ähnlichen Duft steht) fand sich zwar in französischen Weinen, aber in keinem der untersuchten italienischen Muster. Ethylguaicol (rauchig, holzig) fehlte in allen Tessiner Merlot-Weinen. Und auch die Verbindung Vitispiran (ein Terpen mit kräuterigem Aroma) wurde nur vereinzelt gefunden, nicht aber in allen Weinmustern. Analysiert wurden die Weine sowohl mit einem Gaschromatographen als auch mit einem Hochleistungs-Flüssigkeits-Chromatographen. Immerhin bestätigte die ttz-Studie die häufig gemachte Erfahrung, dass Merlot-Weine aus kühlerem Klima durch intensivere Aromen auffielen: Sie wiesen signifikant höhere Gehalte an fruchtigen Esterverbindungen auf.
Schwäche könnte eine Stärke sein
Im Gegensatz zu Cabernet Sauvignon-Weinen, die das Leitaroma Methanthiol (Cassis) verbindet, oder zu Riesling-Weinen, die neben in einer ganzen Reihe von Terpenen den Aromastoff Linalool gemeinsam aufweisen (Bergamotte), haben die Wissenschaftler für die Sorte Merlot bislang kein vergleichbares Leitaroma gefunden. Spötter könnten daraus folgern, dass die Charakterlosigkeit der Rebsorte Merlot nun wissenschaftlich belegt sei. Aber ist das Fehlen eines konsistenten, sortentypischen Geschmacks tatsächlich ein Mangel? Gar ein Indiz für Charakterlosigkeit? In der berühmten amerikanischen Filmkomödie Sideways, die 2004 in Amerika einen Weinboom ausgelöst hatte, wurde Merlot als uninteressanter, minderwertiger Wein gedeutet: Vor einem Date mit zwei Frauen im Restaurant warnt der Wein-Snob Miles seinen Freund Jack mit den Worten: „Wenn einer von euch Merlot bestellt, haue ich ab. Ich trinke keinen Scheiß Merlot.“ Umgekehrt ließe sich aus der vermeintlichen Charakterlosigkeit der Sorte aber ebenso gut folgern, dass im Merlot das Terroir über die Rebsorte dominiert. Dann wäre das Fehlen eines durchgängigen Leitaromas der Beweis für die Wandlungsfähigkeit der Sorte – und damit eine Stärke.
Hallo,
vielen Dank für den interessanten Bericht – war sehr spannend zu lesen! Ich würde das nun wissenschaftlich belegte Fehlen eines spezifischen Merkmals des Merlots auch eher als Chance, denn als Manko der Sorte sehen. Schließlich gibt es wunderbare Weine, die der Rebe entsprungen sind – nicht zuletzt die weltberühmten Bordeaux-Weine, an welchen die Merlot-Rebe ebenfalls ihren Anteil hat (dazu sei hier ein Artikel zur Ergänzung empfohlen: http://meine-weinwelt.com/merlot/ ).
Herzliche Grüße
Severin