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Krachers Rosenmuskateller 2008

Silvester wird es laut. Mit dem Knallen von Sektkorken und dem Krachen von Böllern begrüßen die Menschen das neue Jahr. Auch Gerhard Kracher wird das eine oder andere Glas Wein zu sich nehmen. Aber was wird darin sein? Sekt? Champagner? Rotwein? Oder eine seiner umwerfenden Trockenbeerenauslesen des Jahrgangs 2008, die vor wenigen Monaten freigegeben worden sind?

Der 29jährige Winzer aus dem Burgenland weiß es selbst noch nicht. Aber so viel ist sicher. Der Jahrgang 2008, der gerade auf den Markt gekommen ist, fällt durch seine präzise Frucht und die außerordentliche Frische auf – ein deutlicher Kontrast zu den opulenten 2007ern und den fetten 2006ern. Kracher, der das Weingut erst vor drei Jahren von seinem verstorbenen Vater Alois übernommen hat, trinkt Trockenbeerenauslesen (TBA) gern zum Essen – aber nicht zum Dessert.

Etikett Nr. 4Er findet, dass süße Weine besser zu salzigen Gerichten passen: „Ganze Menus lassen sich von Süßwein vorzüglich begleiten“, glaubt er. Das Wort Dessertwein hört er deshalb nicht gern. Thunfisch in Sesamkruste und eine Scheurebe-TBA – eine gelungene Kombination. Geräucherter Aal und eine Traminer-TBA – genial. Zu Gänsebrust mit röstiger Haut ein Glas Chardonnay-TBA  zu trinken, gibt diesem Traditionsgericht geradezu einen Kick. Der ultimative Tipp: eine TBA vom Rosenmuskateller zur Ente. Das saftige Fleisch mit der fettunterlegten, krossen Haut und die kräftige Würze des Weins mit seinem Rosenöl-/Muskatnussaroma  – das eröffnet eine ganz neue, ungewohnte Geschmackswelt.

„Für uns ungewohnt“, relativiert Kracher. „Die Japaner sehen das zum Beispiel ganz anders. Sie träufeln TBA über den Sushireis und trinken eine TBA auch zu Sashimi.“

Kracher produziert jedes Jahr zwischen einer TBA (2003) und 15 verschiedenen TBA’s (1995): hochfeine, edelsüße Weine, die mit den großen französischen Sauternes auf einer Ebene stehen. Sie sind aus den typischen österreichischen Rebsorten gewonnen und wachsen im Seewinkel, wie das flache Land zwischen Neusiedlersee und ungarischer Grenze genannt wird. Was in Sauternes die herbstlichen Nebel bewirken, die über dem Flüsschen Ciron aufsteigen, das besorgen dort zahlreiche flache Steppenseen, deren Inhalt durch den heißen, von Ungarn herüberwehenden Fön verdunstet: die Ausbreitung der Edelfäule.

Sie befällt alle Trauben, die in der Nähe der „Lacken“ stehen, wie die Burgenländer ihre Steppenseen nennen. Die Beeren schrumpeln und haben, wenn sie im November, teilweise auch erst im Dezember gelesen werden, nur noch die Größe von Rosinen. Der wenige Saft, der später aus der Kelter fließt, ist zuckersüß. Er bildet die Basis für hochkonzentrierte, cremige Nektare, die selten über 10,5 Vol.%, oft bei nur 7 Vol.% Alkohol liegen, aber gewaltige Restzuckermengen aufweisen, weil sie in der Gärung stecken bleiben.

Im Oktober hat Kracher seine 2008er Kollektion vorgestellt: 12 TBA’s, von 1 bis 12 durchnummeriert entsprechend der Süße des Ausgangsmosts. Sie lassen sich in zwei Gruppen einteilen: die meist zuckerstarken expressiv-fruchtigen Weine wie Chardonnay, Welschriesling, Zweigelt sowie die würzig-aromatischen Weine vom Typ Scheurebe, Traminer, Muskat Ottonel und Rosenmuskateller. Jede dieser Sorten hat ihre Fans.

Der Rosenmuskateller ist übrigens erst 2006 in das Sortiment aufgenommen worden, nachdem Kracher diese seltene, bislang nur im Südtirol angebaute Rebsorte (wo sie einen aromatischen, mild-süßen oder trocken ausgebauten Wein ergibt) im Seewinkel ausgepflanzt hatte. Auf den Etikett taucht übrigens nicht der Name, sondern nur die Rose als Symbol für die Rebsorte auf. Rosenmuskateller ist in Österreich keine zum Anbau empfohlene Rebsorte.

Flaschen Nr. 3 und Nr. 4Neben dem Traminer Nr. 10 und der Scheurebe Nr. 11 ist der Rosenmuskateller Nr. 4 das Highlight der 2008er Kollektion: ein echter Edelstoff, der allein durch seine leuchtend granatrote Farbe zum Trinken animiert. Er schmeckt nicht einfach nur süß, sondern ist auch reich an Mineralien und besitzt eine schöne, erfrischende Säure, die verhindert, dass der Gaumen nach dem ersten Glas ermüdet.

Im Moment ist der Rosenmuskateller Nr. 4 noch stark vom neuen Holz geprägt (er reifte 17 Monate in neuen Barriques).  Aber Kracher hat in 2008 noch einen weiteren Rosenmuskateller in seinem Sortiment, der nur im Edelstahltank ausgebaut wurde. Er trägt die Nr. 3. Zur Silvesterente wäre diese TBA die bessere Wahl. Oder einer der bereits reiferen Rosenmuskateller aus 2007 und 2006.

Alle TBA’s von Kracher sind in 0,375 l-Flaschen abgefüllt. Wer sie nicht ganz austrinkt, kann sie bedenkenlos über mehrere Tage stehen lassen. Sie bauen nicht ab, sondern legen sogar noch zu.

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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