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Kalabrien: langsam in der Gegenwart angekommen


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Wer an Kalabrien denkt, denkt an Armut und Mafia, vielleicht noch an den blauen Himmel und an die endlosen, weißen Strände. All das ist aber nur ein Mosaiksteinchen im Gesamtbild dieser vergessenen süditalienischen Region. Namen wie Donnici, Savuto, Pollino, Colline dei Crati, Cirò sind viel wichtiger, sagen aber den meisten Menschen nichts, auch denen nicht, die regelmäßig Wein trinken und in Bordeaux oder in der Toskana jede Straßenbiegung kennen. Es sind die Namen der wichtigsten Weine Kalabriens.  Das ist wohl das Schicksal dieser Region, dass sie zwar zu Italien und zu Europa gehört, aber für die Menschen außerhalb Kalabriens eine terra incognita ist.

Im Winter laufen die Italiener dort Ski

Die Strände und der dahinter liegende Küstenstreifen machen nur zehn Prozent der Landesfläche aus. Der größte Teil ist einsames Hügelland. Rund 40 Prozent ist sogar richtig gebirgig. Die höchsten Gipfel erreichen mit über 2.200 Meter alpine Dimensionen. Im Winter laufen die Italiener dort Ski.

Endlos weiße Strände in Kalabrien
Endlos weiße Strände in Kalabrien

Die Weinberge befinden sich vor allem im Hügelland und ziehen sich bis auf 700 Meter Höhe hin – etwa in den Terre di Cosenza, im Savuto, in Donnici, Pollino oder in den Colline del Crati. In diesen Anbaugebieten herrschen hohe Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht. Sie machen, dass die Trauben trotz der Hitze ihre Frische und Frucht erhalten.

In dem bekanntesten Anbaugebiet Kalabriens um die Hafenstadt Cirò wachsen die Reben etwas tiefer in dem schmalen Streifen zwischen Hügel und Küste. Dort mildert der Wind, der ständig vom Meer her weht, die Temperaturen und bewirkt das Gleiche: die geschmackliche Differenzierung und Nuancierung. Außerdem begünstigt er den biologischen Weinbau. Die Böden sind in Kalabrien übrigens ganz unterschiedlicher Natur: häufig tonig-lehmig, aber auch kalkig-hell oder eisenhaltig-rötlich mit einem niedrigeren ph-Wert, der dem Wein etwas mehr Säure mitgibt.

Kalabrien hat schwere Zeiten hinter sich

Kalabrien hat, zugegeben, schwere Zeiten hinter sich: Massenproduktion und der Versuch, mit Billigprodukten den Markt zu erobern, wobei die Kooperativen eine unrühmliche Rolle gespielt haben. Diese Phase ist vorbei. Wenn etwas voran geht in dieser Region, dann dank engagierter Produzenten wie Nicodemo Librandi, aus dem Norden kommender Önologen wie Giacomo Tachis, dem (kürzlich verstorbenen) Vater des Tignanello, und Attilio Scienza, dem umtriebigen Weinbauprofessor von der Universität Mailand. Sie haben in den vergangenen 15 Jahren zusammen mit dem wachsenden Interesse für autochthone Rebsorten eine Wende in der Region bewirkt.

Der Schatz Kalabriens: die einheimischen Sorten

Mittlerweile ist Kalabrien als diejenige Region in Italien anerkannt, die über den größten Schatz an einheimischen Sorten verfügt. Librandi hat beispielsweise mehr als 300 Sorten in einem kreisförmigem Labyrinth auf seinem Gut Casabona angepflanzt. Und nicht nur er, sondern auch Vertreter der jüngeren Generation wie Antiche Vigne, Colacino, Terre del Gufo, Terre Nobili und Serracavallo spielen ihre autochthonen Trumpfkarten aus: Arvino Nero, Gaglioppo, Greco Bianco, Mantonico Bianco, Magliocco, Nerello und Pecorello – Namen, die man nicht einmal in den einschlägigen Weinlexika findet., obwohl die Weine, die aus ihnen gekeltert werden, oft auf Augenhöhe mit denen berühmterer italienischer Regionen sind – und häufig spannender. Wenn das Interesse der Märkte an autochthonen Rebsorten und an regionalen Besonderheiten jenseits von Chardonnay und Cabernet Sauvignon weiter steigt, wird Kalabrien eine gute Zukunft vor sich haben.


Librandi Antonio & Nicodemo, Cirò Marina

Librandi ist der Qualitätspionier Kalabriens. Das Weingut am Ortsrand von Cirò Marina umfasst 230 Hektar Rebland und wird heute von Nicodemo Librandi geleitet. Zusammen mit seinem (vor einigen Jahren verstorbenen) Bruder Antonio hat er die Weine auf einen Qualitätsstandard gebracht, der ihm als einzigem kalabresischen Produzenten zur Auszeichnung „Winzer des Jahres“ verholfen hat. Und dieser Qualitätsstandard gilt nicht für ein paar 10.000 Flaschen, sondern mittlerweile für 2,2 Millionen Flaschen pro Jahr. Der 71-Jährige ist trotz seines Alters unternehmungslustig wie ein Junger.

Nicodemo Librandi
Nicodemo Librandi

Den Pickup, mit dem wir in den Hügeln um das Gut mit durchdrehenden Reifen abenteuerliche Steigungen bewältigen, steuert er selbst, die kargen Böden von Casabona kennt er in allen Details. Das Rebenspektrum umfasst sowohl die autochthonen Sorten als auch internationale wie Cabernet Sauvignon, Chardonnay und Sauvignon Blanc, mit denen es in den 1980er Jahren gelungen ist, die regionalen Grenzen zu überwinden und in Italien, wie auf dem Weltmarkt, Fuß zu fassen. In den 1990er Jahren begann er mit der Sammlung und Pflege der alten, oft schon durch die Griechen importierten Sorten. Librandi sorgte mit Unterstützung universitärer Fachleute dafür, dass sie neu angepflanzt, erforscht und hinsichtlich der Resultate im Keller mit einer großen Zahl von Mikro-Vinifikationen unter die Lupe genommen wurden.

2015 Val di Neto IGT Bianco; Efeso, Librandi (Mantonico)

Nase geprägt von reifen Frühäpfeln, Pfirsich und etwas Zitrus; am Gaumen exotische Früchte, aromatische Äpfel und etwas Honig, leicht ölig und süß, dazu feine vegetabile Noten, gute Spannung, dicht und lang.

Bewertung: 87 Punkte

2012 Gravello Val di Neto IGT Rosso, Librandi (Gaglioppo 60%, Cabernet Sauvignon 40%)

Kräftiges, dichtes Dunkelrot; im von grüner Paprika und etwas Bitterschokolade geprägten Duft fast an einen Cabernet Franc von der Loire erinnernd, wohl als Antwort auf die Supertuscans gedacht; am Gaumen jedoch relativ weich und – auch vom Barrique geprägt – fast süß, was die Frucht etwas in den Hintergrund treten lässt, gute Struktur, eher schlanker Körper, langer Nachhall.

Bewertung: 88 Punkte

2013 Magno Megonio Val di Neto IGT Rosso, Librandi (Magliocco)

Kräftiger bräunlicher Rubin; im Duft Kirsche und Schattenmorelle mit einem Hauch von Waldboden und Tabak; am Gaumen füllig, dicht, kraftvoll und gut strukturiert, geschliffene, reife Frucht, viel Spannung zwischen der feinen Süße und den kräftigen Tanninen, warmer, langer Nachhall, gutes Entwicklungspotenzial.

Bewertung: 90 Punkte

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Antiche Vigne, Marzi

Unmittelbar mit dem Niedergang der eine Zeit lang im Weinbau von Kalabrien verfolgten Genossenschaftsidee verbunden ist das Weingut Antiche Vigne in Marzi. Es liegt im Tal des Savuto, das über eine eigene, 150 Hektar umfassende, noch ziemlich unbekannte DOC verfügt.

Die Winzer in diesem teilweise extrem steilen Tal hatten nur kleine, meist aus der Selbstversorgung resultierende Flächen und lieferten ihre Erträge von 1.000, 2.000, 3.000 Kilogramm Trauben pro Hektar zunächst bei einer Genossenschaft ab. Ein ausgebautes Straßensystem gab es bis zum Beginn der 1980er Jahre nicht, die Trauben mussten mit Mulis oder mit der Eisenbahn transportiert werden.

Weinberge bei Marzi
Weinberge bei Marzi

15 Kleinwinzer schlossen sich Mitte der 1990er unter Führung von Antonio Pironti zusammen, gaben ihrer Unternehmung den Namen „Antiche Vigne“ und kelterten die ersten 3.000 Kilogramm Trauben. Allerdings, so Gianfranco Pironti, Sohn und Nachfolger des Gründers, handelte es sich bei den Genossen um sehr starke Individualisten mit ständig neuen Ideen. Die Unternehmung kam auf keinen grünen Zweig und machte Schulden. Der Vater löste daher den Verbund nach zehn Jahren auf und begann unter gleichem Namen mit Hilfe von Gennaro Convertini einen eigenen Betrieb aufzubauen. Das Gut umfasst mittlerweile in Höhenlagen zwischen 450 und 900 Meter ganze 15 Hektar Reben. Als Aufgabe wird nach wie vor gesehen, das Zusammenspiel der unterschiedlichen Böden mit den Rebsorten zu verstehen. Produziert werden acht unterschiedliche Weine.

2014 Savuto Classico DOC Rosso, Antiche Vigne (Magliocco/Arvino und Greco Nero)

Kräftiges Rubinrot; Aromen von sehr reifen Früchten, vor allem Schwarzkirsche und Heidelbeeren, unterlegt mit einem Hauch von Waldboden; am Gaumen relativ reif und rund mit feinen Tanninen, viel geschliffener Frucht, kultiviert, mit feinen Anklängen an Eisen und etwas Blut, feine Bitternoten, relativ langer Nachhall.

Bewertung: 87 Punkte

2012 Savuto Superiore DOC, Antiche Vigne (Magliocco/Arvino und Greco Nero)

Auslese aus über 50-jährigen Rebstöcken, 20-25 hl/ha

Tiefes Rubinrot mit granatrotem Rand; beeindruckender Duft nach Kirschen und würzigen Waldbeeren mit einer Spur Holz; sehr elegant; auch am Gaumen dominieren die mit einer Spur Schokolade unterlegten reifen Waldbeeren, mittlerer Körper, sehr feine geschliffene Tannine, ein komplexer, eleganter Wein mit gutem Entwicklungspotenzial.

Bewertung: 89 Punkte

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Colacino, Marzi

Mit 20 Hektar noch etwas größer ist das Weingut der Geschwister Maria Teresa und Mauro Colacino, ähnlich engagierten Vertretern regionaler Traditionen. Es liegt ebenfalls in Marzi. Ihr Vater Vittorio, ein angesehener Arzt, erfüllte sich mit der Gründung des Guts im Jahr 1968 einen länger gehegten Traum. Als früher und entschiedener Anhänger des damals wenig beachteten Terroir-Prinzips arbeitete er auf Anhieb so erfolgreich, dass der angesehene Weinkritiker Mauro Soldati 1975 schrieb, außer dem von ihm aus autochthonen Reben erzeugten Wein „Britto“ sei Savuto nichts!

Mauro Colacino
Mauro Colacino

Die terrassierten Weinberge befinden sich in Südlagen auf 500 Meter Höhe und profitieren stark von den durch die Wälder des benachbarten Sila-Massivs und den Fluss Savuto bewirkten Temperaturunterschieden zwischen Tag und Nacht. Die Rebhänge sind so steinig, dass der Wein früher auch „Il succo di pietra“, Steinsaft, genannt wurde. Das ist – mit niedrigen Erträgen von nunmehr 40-jährigen Anlagen und mineralisch-stoffigen, kraftvollen Weinen – heute eigentlich nicht anders. Ungewöhnlich ist neben der Qualität dieses „Safts“, zu 80 Prozent Rotwein, sein Erfolg außerhalb von Italien: 80 Prozent gehen in den Export. Und der wichtigste Markt ist Japan.

2014 Savuto DOCG Vigna Colle Barabba, Colacino (Arvino,Greco Nero, Magliocco Canino, Nerello Cappuccio)

Kräftiger Rubin; in der Nase intensive Noten von Waldbeeren und Pflaumensaft, einem Hauch von Eisen und etwas Tabak; am Gaumen sehr eigenständig, fleischig, mit Anklängen an Pflaumen und Pflaumenhaut, schöne Mineralität, gut eingebundene Tannine, feinbitterer Nachhall.

Bewertung: 88 Punkte

2012 Britto Savuto superiore DOC, Colacino (Arvino, Greco Nero, Magliocco Canino, Nerello Cappuccio)

Dunkler Rubin; intensive, leicht balsamische Aromen von Waldbeeren, Veilchen und Flieder; am Gaumen gut strukturiert, Waldbeeren und Pflaumen, dicht und stoffig, sehr langer, noch etwas vom Holz geprägter Nachhall. Gutes Entwicklungspotenzial!

Bewertung: 89 Punkte

2008 Savuto superiore DOC, Britto, Colacino (Arvino, Greco Nero, Magliocco Canino, Nerello Cappuccio)

Dunkler Rubin, leicht bräunlicher Rand; vornehmer, anspruchsvoller Duft nach reifen Waldbeeren, Waldboden und bestens integriertem Holz; am Gaumen intensive, überreife Waldbeeren und etwas Pflaume, hohe Konzentration; ein kultivierter stoffiger Wein, schön entwickelt, aber mit sehr gutem Entwicklungspotenzial.

Bewertung: 91 Punkte

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Roberto Ceraudo, Strongoli

Eng verbunden mit dem Wiederaufstieg Kalabriens ist auch Roberto Ceraudo, auf seinem 20 Hektar umfassenden Weingut bei Strongoli, der nach einem lebensgefährlichen Spritzmittel-Unfall einer der Väter des biologischen und mittlerweile biodynamischen Weinbaus in Kalabrien wurde. Sein Gut ist angeblich eines der ältesten in ganz Italien, die angepflanzten Reben sollen, wie Ceraudo stolz erzählt, von Kreuzfahrern aus Griechenland mitgebracht worden sein. Er ist nicht nur Winzer und Olivenbauer, sondern auch Besitzer des ersten Restaurants in Kalabrien mit einem Michelin-Stern. Das von seiner Tochter Caterina geführten „Dattilo“ wäre wegen seiner Lage, seiner Atmosphäre und seiner Küche auch ohne Weinbau einen Besuch wert.

Roberto Ceraudo und Tochter Susy
Roberto Ceraudo und Tochter Susy

So aber gehört es einem wirklichen „Aficionado“ auf der ständigen Suche nach Wegen zur weiteren Qualitätsverbesserung. Das in den letzten Jahren durchgeführte Projekt „Del Terroir e delle Uve del Cirò“ geht wesentlich auf seine Initiative zurück. „Un uomo innamorato della sua terra di Calabria“ ist er genannt worden: ein passionierter Mann seiner kalabresischen Heimat. „Inammorato“ ist er aber auch in seine Familie, die große Tochter Susy, die sich um die geschäftlichen Belange kümmert, den Sohn Guiseppe, der die Produktion in Weinberg und Keller überwacht und natürlich Caterina, die ausgebildete Önologin und kundige Gastgeberin im „Dattilo“. Nicht zuletzt sie ist neben dem Kellermeister und Önologen Fabrizio Ciuffoli auch verantwortlich für die extreme Ertragspolitik des Guts: 20-35 Hektoliter/Hektar im Mittel.

2015 IGT Val di Neto Bianco, Grisara, Ceraudo (Pecorello)

Weißgold; im Duft Mandeln und überreife Frühäpfel; am Gaumen kultiviert, mit feiner Süße, leichten Grapefruit-Noten, leicht nussigen Anklängen, schöner innerer Spannung und relativ langem Nachhall.

Bewertung: 89 Punkte

2011 IGT Val di Neto Rosso, Dattilo, Ceraudo (Gaglioppo)

Kräftiger Rubin; intensive Aromen von Waldbeeren mit einer Spur Teer, unterlegt mit etwas Holz; am Gaumen feine Süße, sehr geschliffen und kultiviert, aber im Nachhall etwas bitter.

Bewertung: 86 Punkte

2011 IGT Val di Neto Rosso, Petraro, Ceraudo (Gaglioppo 50 %, Cabernet Sauvignon 50 %)

Kräftiges, relativ dichtes Rubinrot; geschliffene Waldbeeren-Frucht und Schattenmorellen mit Anklängen an Weihrauch; am Gaumen schöner Stoff mit kräuterwürzigen, leicht minzigen Noten, feiner Süße und etwas Bitterschokolade, Holz noch nicht ganz integriert, recht schöner Nachhall.

Bewertung: 88 Punkte

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Terre del Gufo, Albo San Martino/Donnici

Terre del Gufo, das Gut von Guiseppe Muzzillo in Albo, mit herrlichem Blick auf Cosenza, fällt zunächst durch den wellenartigen Schwung seines rotbraunen Daches auf. Der Name des Weinguts zitiert den früheren Spottnamen der Mitschüler von Guiseppe, die ihn wegen seiner Brille und der spitzen Nase als „Eule“ (gufo) bezeichneten. Seinen beruflichen Erfolg nutzte der ehemalige Architekt in der Zeit des Niedergangs der Genossenschaften zur Gründung eines Weinguts, das – mit hohem Qualitätsanspruch – nicht mehr als 20.000 Flaschen produziert.

Eugenio Muzzillo
Eugenio Muzzillo

Heute führt sein Sohn Eugenio den Betrieb. Das Ziel ist unverändert: hohe Pflanzdichte von bis zu 7.500 Rebstöcken pro Hektar, Konzentration auf die autochthonen Sorten, Produktion nach biologischen Grundsätzen, niedrige Erträge um die 35-40 Hektoliter/Hektar, extraktreiche, kraftvolle, aromastarke Weine, die nur selten zu schwer wirken.

2012 Terre di Cosenza Donnici, Kaulos, Terre del Gufo (Calabrese 60%; Magliocco 40%)

In der Farbe sehr dunkel und dicht; Aromen von reifen Waldbeeren, unterlegt mit relativ kräftigen Holznoten; am Gaumen dicht, rosinig-süß und ölig, fast etwas an einen Maury erinnernd, durch einen Säurewert von 7,5 % aber nicht fett oder brandig wirkend, sehr langer Nachhall, außerordentlich konzentriert!

Bewertung: 88 Punkte

2011 IGP Calabria Rosso, Timpamara, Terre del Gufo (Uva Francese = Syrah)

Dichtes dunkles Purpurrot; im Duft leicht rosinig, tief, kompakt, kräuterwürzig und etwas schokoladig; am Gaumen sehr dicht und stoffig, ein Wein zum Kauen, noch nicht voll entwickelt; Holz im Augenblick etwas dominant, kräftige Tannine, gutes Säuregerüst, langer, leicht frischer Nachhall. Der Wein hat im Moment von allem etwas viel und braucht noch Zeit!

Bewertung: 88 Punkte

2015 Terre di Cosenza Donnici, Portapiana, Terre del Gufo (Magliocco dolce 60%, Mantonico 30%, Greco nero 10%)

Kräftiges Rubinrot; im aromatischen Duft rote Beeren, kräuterwürzig und sehr mineralisch mit einem Hauch von trockenem Holz und Anklängen an Waldpilze und Blauschimmelkäse; am Gaumen Waldbeeren und etwas Holz, gut strukturiert, viel Extrakt, sehr mineralisch (Feuerstein) und salzig. Ein sehr eigenständiger, kultivierter und eleganter Wein mit recht langem Nachhall.

Bewertung: 89 Punkte

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La Pizzuta del Principe, Strongoli

Die Pizzuta del Principe, ein kleines Zehn-Hektar-Weingut bei Strongoli, 20 Kilometer nördlich von Crotone in Sichtweite des Ionischen Meers gelegen, wurde Anfang der 1990er Jahre von dem Pharmazeuten Albino Bianchi auf dem Landgut der Familie seiner Frau Clara Ranieri, ebenfalls Pharmazeutin, gegründet. „Klein“ heißt hier nicht „ohne Anspruch“.

Albino Bianchi
Albino Bianchi

Von Anfang an war es das Ziel, mit professioneller Beratung erstklassige Weine aus autochthonen Reben zu produzieren. Das ist gelungen, auch wenn die ziemlich fruchtbaren, weitgehend in der Ebene des Flüsschens Viravo liegenden, gut bewässerten Ton-Sand-Böden große Sorgfalt bei der Ertragskontrolle und der präzisen Bestimmung des Lesezeitpunkts verlangen. Noch heute kümmert sich Bianchi, der neben seinen weinbaulichen Interessen ein homme de lettres und Bewunderer Goethes ist, um alle Einzelheiten im Weinberg. Im Keller wird er vom Önologen Umberto Trombelli unterstützt.

2013 Zingamaro Val di Neto IGT, La Pizzuta del Principe (Greco Nero)

Kräftiges Dunkelrot, schmaler Rand; intensiver Duft nach Brombeeren mit einem Hauch von Jod; am Gaumen intensive Noten von Waldbeeren und Schattenmorellen, dicht, stoffig und gut strukturiert, das feine Holz ist bestens integriert; geschliffene feinbittere Tannine, nicht zu schwer, mit langem Nachhall.

Bewertung: 87 Punkte

2012 Jacca Ventu Melissa DOC Rosso Superiore, La Pizzuta del Principe (Gaglioppo 95%, Greco nero 5%)

Kräftiger Rubin; im nuancierten Duft reife rote Früchte, eine Spur Tabak, Eichenmoos und Waldpilze; am Gaumen reif, weich und leicht süß, feine, noch etwas kreidige Tannine mit angenehmen Bitternoten; mittlerer Körper und langer Nachhall.

Bewertung: 88 Punkte

2011 IGP Val di Neto Rosso, Anno Quinto, La Pizzuta del Principe (Gaglioppo und Greco Nero)

Mittlerer Rubin mit orangem Rand; Duft geprägt von leicht kandierten Hiffenmark-Aromen  und Kräutern; am Gaumen transparente Noten von reifen Kirschen, Preiselbeeren und süßen Zwetschgen, sehr differenziert und elegant, schöner Schliff und beachtlich langer Nachhall.

Bewertung: 91 Punkte

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Serracavallo, Bisignano

Demetrio Stancati vom Gut Serracavallo in den Colline del Crati bei Bisignano verbindet einen ansteckenden Optimismus mit dem Spaß an präziser Qualitätsarbeit. Das macht ihn zu einer Leitfigur für die Winzer der DOP Terre di Cosenza. Nach seinem Medizinstudium hatte er sich in den 1990er Jahren entschlossen, den ererbten Landbesitz selbst zu bewirtschaften. Im Anschluss an „Forschungsreisen“ durch Burgund, Bordeaux und die Provence widmete er sich dem Weinbau und begann, die wenigen verbliebenen beziehungsweise neu hinzugestoßenen Winzer der Region von den sich durch die Agrarpolitik der EU neu eröffnenden Chancen zu überzeugen.

Demetrio Stancati
Demetrio Stancati

Er tat das mit solchem Engagement, dass er, obwohl er erst 1998 die ersten Flaschen abgefüllt hatte, als Initiator eines umfassenden, durch Investitionen und professionelle Berater unterstützten Erneuerungsprojekts bald zum Präsidenten des Consorzio der Colline del Crati DOP gewählt wurde, dem mittlerweile gut 40 von 50 Winzern mit 1.400 Hektar Rebfläche angehören (Gesamtumfang der DOP: ca. 2.500 Hektar).

Auf seinem bis vor seiner Übernahme fast aufgegebenen Gut mit einem phantastischen Rundblick über die benachbarten Hügel und Höhenzüge findet auch das „Forum“ für ihre Weine statt. Eingeleitet wird die Präsentation durch eine über Stock und Stein führende Traktorfahrt durch die Rebanlagen im Umkreis des neuen Gehöfts. Danach weiß man mehr über die Bedingungen, unter denen hier gearbeitet wird: Höhenlagen bis 700 Meter, Vielfalt der granitgeprägten sandigen Böden, große Hitze bei Tag und ausgesprochen kühle Temperaturen in der Nacht.

„Abbiamo una bella curva aromatica!“, betont Stancati und die ausgiebige Probe bestätigt das. Dabei spielt auch das 25 Kilometer westlich hinter der nächsten Hügelkette gelegene Tyrrhenische Meer eine wichtige Rolle: Stets weht ein leichter Wind. Aber Stancati geht noch weiter in der Nutzung des Terroirs: am Rand der Rebzeilen stehen überall Stauden und Büsche einheimischer Aromapflanzen, die den Trauben ihre besondere Würze vermitteln sollen: Biodiversität, die nicht nur schön anzuschauen ist, sondern auch nützt. Momentan produziert Stancati 60.000 Flaschen pro Jahr, die Obergrenze liegt für ihn bei 150.000 Flaschen.

2012 Terraccia Terre di Cosenza DOP, Serracavallo (Magliocco Dolce 90 %, Cabernet Sauvignon 10 %)

Purpurrot, schmaler Rand; in der Nase Waldbeeren, trockene Kräuter, Unterholz, Vanille und ein Hauch Tabak; am Gaumen sehr kraftvoll und gut strukturiert, dicht und würzig mit reifen, samtigen Tanninen, Anklängen an Süßholz und Schokolade; im langen Nachhall erstaunliche Frische und Mineralität.

Bewertung: 90 Punkte

2011 IGT Valle del Crati Vigna Savuco, Serracavallo (Magliocco Dolce)

Dichter Rubin; intensiver, leicht rosinig-süßer Duft nach Schwarzkirschen mit Amarena-Aromen und Kräuterwürze, ein Hauch Bitterschokolade; am Gaumen dicht, stoffig und eigenständig mit viel Schmelz und noch leicht kreidigen Tanninen; beeindruckender Körper, sehr langer Nachhall mit feiner Säure, schöner Spannung und vorzüglichem Entwicklungspotenzial.

Bewertung: 91 Punkte

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Terre Nobili, Montalto Uffugo

Es ist nicht selbstverständlich, dass man von der Besitzerin eines Weinguts ein kleines, von ihr mitfinanziertes historisches Werk über die Gattin eines antiken Kaisers geschenkt bekommt. In diesem Fall handelt es sich um Theodora, die Frau des großen oströmischen Herrschers Justinian, eine ehemalige Prostituierte und Frauenrechtlerin.

Widerfahren ist mir das bei einem Besuch auf der Tenuta Terre Nobili von Lidia Matera. Sie Ist eine warmherzige, engagierte Frau mit historischen Interessen, eine kundige Winzerin und vorzügliche Köchin. Nach dem Studium in Bologna und ersten beruflichen Schritten im Norden beschloss sie 1990, nach Kalabrien zurückzukehren. Als väterliches Erbe bewirtschaftet sie auf ihrem Landgut in den Hügeln und Talflächen von Montalto Uffugo unweit der Berge von Pollino 16 Hektar Rebland und 15 Hektar Oliven.

Lidia Matera
Lidia Matera

Erster Schritt war eine von Mikrovinifikationen begleitete Klonenselektion zur Ermittlung der am besten adaptierten Traubensorten aus ihren Weinbergen. Das anfängliche Misstrauen ihrer Zunftkollegen gegenüber einer Frau in diesem fordernden Beruf hat sie zügig überwunden. Binnen 20 Jahren wurde die Produktionsmenge von 8000 Flaschen jährlich verzehnfacht. Und Lidia kann es sich leisten, ihre Klientel in der gehobenen Gastronomie selbst auszusuchen.

Ihre Weine, bevorzugt aus Nerello, Magliocco und Greco Bianco, sind bei recht fruchtbaren lehmigen Böden dicht und kraftvoll, oft kräuterwürzig, manchmal aber auch etwas voluminös und schwer. Beraten wird sie von dem angesehenen Önologen Mario Ercolino, der ihr auch empfohlen hat, zur Gewinnung von Frische und Erhaltung der Aromen in der Nacht zu lesen.

2015 IGP Calabria, Don ‚Eleono‘, Tenuta Terre Nobili (Nerello 50%, Magliocco 50%)

Kräftiges Kirschrot; am Gaumen füllig und kompakt (14,5 % Alkohol), Kirsche und Himbeere, feiner Biss; im recht langen Nachhall feine, bekömmliche Zitrus-Noten. Ein kraftvoller Rosé-Typus, der mühelos ein ganzes Essen begleiten kann, von Meeresfrüchten und  gegrillten Fisch bis zu kräftigen Wurstwaren und Lammkoteletts.

Bewertung: 87 Punkte

2014 IGP Calabria, Alarico, Tenuta Terre Nobili (Nerello Cappuccio und Mascalese)

Tiefdunkler Purpur; in der Nase sehr reife Waldbeeren und leicht getrocknete Schwarzkirschen mit einer kleinen Spur Graphit; am Gaumen kraftvoll, füllig und fast cremig, bei aller Wucht recht elegant, feine Holznoten, großer Körper, sehr langer Nachhall.

Bewertung: 89 Punkte

2012 IGP Calabria, Teodora, Tenuta Terre Nobili (Nerello)

Tiefdunkler Purpur, schmaler Rand; intensiver Duft nach überreifen Waldbeeren und Schwarzkirsche, unterlegt mit einem Hauch Sattelleder; auf der Zunge schmelzig und süß, Anklang an Amarenakirsche, bei enormem Volumen beeindruckende Struktur, gutes Entwicklungspotential, sehr langer, leicht mentholiger Nachhall. Ein Meditationswein.

Bewertung: 89 Punkte

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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