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Im Namen des Rosé: Wenn das Auge mittrinken möchte…

Sommer ist Rosé-time. Fast zehn Prozent der Weine, die in dieser Zeit getrunken werden, sind rosafarben. Das Spektrum reicht von blassem Kupferrot über Lachsrot, Zwiebelrot, Himbeerrot bis zu neonfarbenem Pink. Manchmal wird in dem ganzen Farbengemisch der Geschmack zur Nebensache.

Direktpressung oder Mazeration

Manche glauben, ein guter Rosé müsse blassrot sein. Tatsächlich sagt die Intensität des Rosétons gar nichts über die Qualität aus. Roséwein, ebenso wie Rotwein, bekommt seine Farbe nur vom Kontakt mit Traubenschalen – dabei kommt es auf die Länge des Schalentkontakts und die Rebsorte an. Grundsätzlich ist Roséwein entweder direkt aus dem abfließenden Most der roten Trauben gewonnen oder durch Kurzmazeration auf den Schalen hergestellt. Bei der Direktpressung beschränkt sich der farbgebende Schalenkontakt auf die ein bis zwei Stunden des Pressvorgangs. Beim mazerierten Rosé werden die Trauben für einige Stunden oder sogar über Nacht eingemaischt.

Erst Mazerieren, dann Schönen

Von Blassrot bis Pink: Roséwein
Von Blassrot bis Pink: Roséwein

Die logische Schlussfolgerung wäre, dass die blassesten Rosés die kürzeste Mazeration erfahren haben – dem ist aber nicht immer so. Es sind nämlich nicht nur die Anthozyane (Farbpartikel), die aus den Schalen kommen, sondern auch Gerbstoff und – viel wichtiger – Aromenvorläuferstoffe. Diese geben dem Wein Geschmack, Würze und Charakter. Dabei passiert es häufig, dass mazerierte Roséweine später geschönt werden, um den Gerbstoff und das Zuviel an Farbe wieder zu entfernen. Man möchte den Erwartungen der Konsumenten entsprechen. Da jegliche Schönung auch immer etwas Geschmack raubt, ist die Prozedur eine Gratwanderung, die allerdings sehr viele Weingüter, vor allem in der Provence, wo der Roséwein erfunden wurde, perfektioniert haben.

Bei AOC Provence sind beide Methoden erlaubt: sowohl die Direktpressung als auch die Mazeration. Bei der DO Navarra hingegen, der berühmtesten spanischen Rosé-Appellation mit besonders vollfruchtigen Rosados (wie sie auf Spanisch heißen), ist Mazeration dagegen vorgeschrieben. Rosés aus Navarra werden allerdings meist ungeschönt auf den Markt gebracht. Das heißt: in ihrer vollen Farbpracht.

Mancher Rosé ähnelt einem Blanc de Noirs

Maischegärung
Maischegärung

Und es wird noch komplizierter: Weingüter mit jungen Reben, deren Traubenqualität noch nicht für einen seriösen Rotwein reicht, machen oft köstlich frische, direkt gepresste Rosés – zum Beispiel aus Pinot Noir. Insbesondere Deutschland brilliert mit duftig-feinen Spätburgundern, die direkt aus der Presse in den Tank laufen.

Direktpressung eignet sich auch, wenn irgendwo auf der Welt das Wetter nicht so ideal war und ein verlängerter Schalenkontakt nur „grüne“, unreife Aromen in den Wein bringen würde. Unter solchen Umständen sollte der Schalenkontakt nicht länger als nötig sein. Oder besser gesagt: gerade kurz genug, damit nur die Anthozyane in den Most übertreten können, nicht aber der Gerbstoff. Direkt gepresste Rosés ähneln deshalb oft robusten Weißweinen beziehungsweise Blanc de Noirs.

Saftabzug oder Saignée

Rosé aus Tavel
Rosé aus Tavel

Auch bei der Mazerations-Methode gibt es Differenzierungen: In Rosé-spezialisierten Appellationen wie Tavel an der Südlichen Rhône werden Trauben gezielt für Rosés angebaut. Der Unterschied: Sie werden früher gelesen, als wenn sie für Rotweine vorgesehen wären. Man möchte so mehr Säure in den Wein bekommen.

In anderen Gebieten – oder besser: bei anderen Winzern – ist der Rosé ein Nebenprodukt der Rotweinerzeugung. Da wird direkt nach der Eimmaischung (beziehungsweise wenige Stunden danach) ein Teil der Flüssigkeit aus der Maische genommen, um einen konzentrierteren Rotwein zu bekommen. Dieser Saftabzug – französisch Saignée – wird nicht etwa entsorgt. Es wird Roséwein aus ihm gemacht. Das kann, je nach Trauben und Qualitätsanspruch des Winzers, zu einem himmlischen oder scheußlichen Wein führen. Einer, der auf diese Art einen himmlischen Rosé keltert, ist der burgenländische Winzer Josef Umathum. Sein Rosé heißt wie die Farbe: Rosa. Und so leuchtet er auch im Glas.

Umathums RosaUmathums ertragsreduzierte Zweigelt-, Sankt Laurent- und Blaufränkischtrauben seiner Spitzenweine lieben die burgenländischen Sonne: „Es ergibt sich eine sehr hohe Reife der Trauben und ein intensiver Geschmack der Beeren“, sagt der biodynamisch arbeitende Winzer. „Wenn man dann davon Saft abzapft, ist klar, dass ein hochwertiges Produkt rauskommt.“

Umathums erklärtes Ziel ist es, einen „Stil von Rosé zu schaffen, der einerseits hohen Qualitätsanforderungen entspricht, aber trotzdem süffig ist.“ Zweigelt bringt reife Kirschfrucht mit pfeffrigem Aroma und weicher Gerbsäure, Blaufränkisch die Frische und der Sankt Laurent die Würze

Das Fazit: Man muss beim Rosé-Kauf aufpassen. Nicht nur die Farbe muss stimmen, sondern auch die Qualität. Die blassroten Rosés sind nicht automatisch die besten, die intensiv leuchtenden auch nicht. Man muss probieren. Farbe kann man nicht trinken.

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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