Bekannt ist, dass 2014 und 2015 in Deutschland gute bis sehr gute Weinjahrgänge waren. Einige Winzer sprechen sogar von großen Jahrgängen. Trotzdem scheint es Weingüter zu geben, die mit 2014 und 2015 nicht gut zurechtgekommen sind. Sie haben eine unterdurchschnittliche Performance hingelegt – zumindest nach dem Urteil der Autoren des Gault Millau Weinguides Deutschland, dessen neue Ausgabe vor ein paar Wochen erschienen ist (960 Seiten, 34,99 Euro, Christian Verlag).
Prominentester Absteiger: Horst Sauer in Franken
Einer der prominentesten Absteiger ist das Weingut Horst Sauer aus Escherndorf in Franken. Von den 4 Trauben des Vorjahres wurde ihm eine gestrichen. „Die Basisweine sind eher schlicht ausgefallen…“, erklären die Tester. Und die Großen Gewächse seien zwar „beeindruckend, haben aber nicht ganz das Format der Vorjahre“. Kann passieren. Wobei, wenn man Stephan Reinhardt glaubt, der für den englischsprachigen Newsletter von Robert Parker verkostet, auch das Vorjahr 2014 ziemlich schwach ausfiel: „Wenn Sie einen Wein mögen, der wie Eiscreme schmeckt, sollten Sie diesen unbedingt probieren“, hatte er mit einer gehörigen Portion Zynismus über Horst Sauers GG vom Riesling geschrieben.
Auch im Rheingau ist Bewegung
Zwei weitere prominente Absteiger sind August Kesseler und Schloss Johannisberg im Rheingau. Auch sie verloren eine Traube und haben jetzt nur noch drei – allerdings rote Trauben, was bedeutet: „besondere Aufmerksamkeit in ihrer Kategorie“. Sie finden sich jetzt mit Weingütern wie Barth, Ress, Chat Sauvage in einer Schublade, deren Weine preislich weit unterhalb ihres Niveaus liegen. Der Preis ist ja immer auch ein Indikator für den qualitativen Anspruch eines Winzers.
Schloss Johanniserberg: Top oder Flop?
Schloss Johannisberg
Über Schloss Johannisberg heißt es: Es „verabschiedet sich aus der Spitze“. Ein hartes Diktum. Stimmt es? Die Tester sehen den immerhin 15 Euro teuren Riesling Gelblack – den Gutswein – bei nur 85 Punkten, den 42 Euro teuren Silberlack – das GG – bei 88 Punkten – das ist zweifellos zu wenig für Weltklasse. Ob die Erbsenzähler der Dr. Oetker GmbH (zu deren Besitz das Schloss gehört) mit ihrem „Kennzahlenfetischismus“ daran Schuld sind, oder irgendein anderes Ungemach passiert ist, darüber kann nur spekuliert werden. Tröstlich für Christian Witte, den (scheidenden) Domänenverwalter, dass Parkers Stephan Reinhardt die Situation ganz anders sieht: Der Gelblack hat bei ihm 90 Punkte, das GG Silberlack 93+. Und Reinhardts Kommentar – „Es gibt in 2015 einige wirklich große Weine zu kaufen auf Schloss Johannisberg“ – ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was der Gault Millau schreibt.
Keine 2014er Spätburgunder GG bei August Kesseler
Und Kesseler? Über seine Rieslinge heißt es im Gault Millau: „Gut, aber nicht so brillant wie erhofft, präsentieren sich die 2015er Weißweine.“ Verzichten wir auf den Vergleich mit Robert Parker, der bis zu 94+ Punkte vergibt. Aber mehr als ein Drittel der Produktion Kesselers ist Spätburgunder, und was den angeht, hält Kesseler sowohl 2014 als auch 2013 nicht für Spitzenjahrgänge. Folglich hat er keine Großen Gewächse abgefüllt, sondern verwendet die Trauben für die Cuvée Max, seinen Zweitwein. Über den ist der Gault Millau voll des Lobes und gibt dem 2013er satte 91 Punkte – mehr als manchem 4-Trauben-Betrieb in anderen Regionen. Man fragt sich, warum Kesseler angesichts dessen seiner vierten Traube verlustig gegangen ist. Wurde hier ein Winzer dafür bestraft, dass er seine (normalerweise) besten Weine freiwillig deklassiert hat?
Aufsteiger im Rheingau ist das Weingut Wegeler. Es freut sich über die 4. Traube. Mit 3 Trauben schmücken sich jetzt Altenkirch, Eva Fricke, Achim von Oetinger und das Sekthaus Solter, mit 2 Trauben das Gespann Bibo & Runge, Carl Ehrhard (rot), August Eser sowie die Sektmanufaktur Schloss Vaux. Der junge Experimentierer Jörn Goziewski hat mit einer ersten eigenen Kollektion gleich eine rote Traube bekommen. Nicht schlecht. Unangefochten ganz oben mit 5 Trauben stehen ex aequo Peter Jakob Kühn und Robert Weil.
Nahe: Dönnhoff wieder, Schäfer-Fröhlich erstmals ganz oben
Größere Veränderungen gibt es an der Nahe. Schäfer-Fröhlich hat erstmals, Dönnhoff endlich wieder die 5. Traube erhalten (der er vor zwei Jahren, als Helmut Dönnhoff an seinen Sohn Cornelius übergeben hatte, verlustig gegangen war). Jetzt schreiben die Gault Millau-Tester, „dass diese auf längere Zeit angelegte Betriebsübergabe zu einem guten Abschluss gekommen ist“. Späte Einsicht. Interessant, dass das GG vom Norheimer Dellchen in der Einzelbewertung diesmal höher liegt als die berühmte Hermannshöhle. Noch einen Punkt höher, nämlich 95, schätzen die Tester allerdings das GG Felseneck von Schäfer-Fröhlich ein. Diel konnte seine 4 roten Trauben behaupten, Emrich-Schönleber auch. Allerdings hat dieser Betrieb vor zwei Jahren schon mal 5 Trauben gehabt. Jakob Schneider hat endlich die 4. Traube bekommen – als einziger nicht VDP-Betrieb, K. H. Schneider die 3. und Prinz zu Salm sowie Schweinhardt die 2.
Beben an der Mosel: J. J. Prüm abgestraft – aber wofür?
An der Mosel ist kleines Beben zu verzeichnen. J. J. Prüm wurde auf 4 Trauben herabgestuft – allerdings 4 rote Trauben. Damit liegt Prüm auf dem gleichen Niveau wie der steil aufstrebende und nicht unbedingt heiß geliebte Nachbar Markus Molitor. Über die Ursachen der Herabstufung erfährt der Gault Millau-Leser leider nichts. Der Text im Guide ist eine einzige Eloge auf Manfred Prüm und seine Tochter Katharina. Und auch die Bewertungen der einzelnen Weine können sich sehen lassen: bis zu 89 Punkte für einen Riesling Kabinett (Wehlener Sonnenuhr), bis zu 95 Punkte für eine Auslese (ebenfalls Wehlener Sonnenuhr) – da fragt man sich: warum der Abschlag? Molitors beste Auslese hat zwar einen Punkt mehr bekommen, ist aber eine herabgestufte Beerenauslese und kostet folgerichtig fast das Doppelte. Prädikate sind in diesen luftigen Höhen sowieso Schall und Rauch. Sie besagen wenig bis nichts darüber, was in der Flasche ist und wie gut es ist.
Rising Star: Zilliken Forstmeister Geltz
Unterschlagen werden sollte allerdings nicht, dass das Weingut Zilliken nach einer grandiosen 2015er Kollektion die 5. Traube erhalten hat und nun im gleichen Club wie Egon Müller, Fritz Haag und Schloss Lieser ist. Hans-Joachim Zilliken, der das Gut im Sommer an seine Tochter Dorothee übergeben hat, aber weiterhin Verantwortung trägt, ist außerdem zum „Winzer des Jahres“ erwählt worden. Hätte auch schon 2010 passieren können. Da gab es ebenfalls tolle Weine. Van Volxem hat es nicht geschafft, die 4. Traube zu erringen – was man hätte erwarten können. Dafür hat Weiser-Künstler dieses Kunststück fertig gebracht (4 Trauben). Ansonsten haben Franz-Josef Eifel, das Hofgut Falkenstein, Franzen, Hain, von Hövel, Immich Batterieberg, Lörsch, Lubentiushof und Günter Jauchs Weingut von Othegraven ihre 3 schwarzen Trauben in 3 rote umwandeln können. Es tut sich also was an Mosel und Saar. Weitere Aufsteiger sind Nick Köwerig und Später-Veit (je 3 Trauben).
Wenig Bewegung in der Pfalz
Weingut Bernhard Koch
Wenig Bewegung dagegen in der Pfalz. Bernhard Koch, genialer Spätburgunder-Erzeuger, rückt endlich in die 4-Trauben-Klasse auf, wo Rings und Reichsrat von Buhl, die beiden Aufsteiger des letzten Jahres, ihre Position verteidigen konnten. Gleiches gilt für Müller-Catoir, wo Kellermeister Martin Franzen eine grandiose Kollektion hingelegt hat – „Wir konnten uns kaum noch einkriegen“ schreiben die Tester des Gault Millau.
Jülg und Kleinmann haben die 3. Traube bekommen. Weitere Aufsteiger sind Wolf in Birkweiler, Karl Schäfer in Bad Dürkheim, Sauer in Böchingen, Pfirrmann in Landau (je 2 Trauben) sowie Schwedhelm, Hörner, Graf von Weyher, Ellermann-Spiegel (je 1 Traube). An der Spitze bleiben mit 5 Trauben Knipser und Rebholz, gefolgt von Wehrheim und Bürklin-Wolf. Friedrich Becker, der überragende Spätburgunder-Produzent aus der Südpfalz, hat zwar seine 4 Trauben behalten, aber keine roten mehr, sondern nur noch schwarze – ein halber Abstieg.
Württemberg und Baden: Haidle und Ziereisen endlich aufgewertet
In Württemberg haben sich – umgekehrt – die 3 schwarzen Trauben von Karl Haidle rot gefärbt. Er und sein Sohn Moritz dürfen sich nun zu den Top 6 der Region zählen. Wachtstetter und Zimmerle sind in die 3-Trauben-Klasse aufgestiegen. In Baden thronen Huber (5 Trauben) und Heger (4 Trauben rot) einsam über den Wolken. Ziereisen hat die 4. bekommen, vorerst noch schwarz. Seine burgundisch geprägten Spätburgunder (und sein überragender Syrah) sollten ihn jedoch für weiteren Lorbeer prädestinieren (wenn ihn der vergleichsweise einfache Gutedel, dem er sich beim Weißwein verschrieben hat, nicht bremst). Salwey hat seine 4. Traube (die er vor drei Jahren verloren und im letzten Jahr wiederbekommen hatte), verteidigt. Über die 3. Traube können sich Claus, von der Mark und Pix freuen.
Battenfeld-Spanier rückt näher an Klaus Keller
Keine großen Änderungen in Rheinhessen. Die 3. Traube haben Landgraf, Sander und Michael Teschke bekommen. Bei Dreissigacker, Gunderloch und Manz leuchtet die 3. Traube jetzt in Rot. Battenfeld-Spanier, bisher mit 4 schwarzen Trauben gesegnet, hat nun 4 rote und rückt dem führenden Weingut von Klaus Keller (5 Trauben) dadurch etwas näher.
Werner Meyer-Näkel
Bleibt die Ahr. Josten & Klein haben – fast möchte man sagen: erwartungsgemäß – die 3. Traube erhalten. Ebenso Peter Kriechel. Meyer-Näkel hat dagegen die verloren gegangene 4. Traube nicht wieder zurückerobern können. Zu schwach die roten Basisweine, urteilen die Tester, aber auch die GG vom Sonnenberg, Pfarrwingert und der Kräuterberg haben nicht überzeugt. Mit 88, 89 und 90 Punkten stehen sie in krassem Gegensatz zu den Preisen (€ 42, € 48, € 65). Allerdings wurde, wie man hört, die Trauben-Vergabe an der Ahr kontrovers diskutiert – nicht nur bei Meyer-Näkel.
An der Hessischen Bergstraße und in Sachsen hat sich nichts geändert. In Saale-Unstrut hat Pawis die 3. Traube verloren, am Mittelrhein Matthias Müller die 4. Dafür kann sich das Öko-Weingut Kauer jetzt mit 3 Trauben schmücken.