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EU-Bio-Richtlinie: Außer Schwefel keine Frevel?

Die Europäische Union hat nach jahrelangem Hickhack unter den Mitgliedsstaaten endlich Ausführungsbestimmungen über ökologische Weinerzeugung verabschiedet. Sie werden im Amtsblatt der EU als eine Änderung der Verordnung (EG) Nr. 889/2008 veröffentlicht werden. Ziel ist es, bestimmte kellertechnische Standards für Weine festzulegen, die als Ökoweine auf den Markt kommen sollen. Bislang gab es nur Vorschriften für die ökologische Traubenerzeugung. Bei der Verarbeitung der Trauben zu Wein waren die Ökowinzer bisher an keine Vorschriften gebunden. Ihr Wein durfte deshalb nur das bekannte sechseckige Bio-Siegel tragen, das alle Produkte des ökologischen Landbaus ziert. Er war aber offiziell kein Bio-Wein.

Die neuen Richtlinien definieren jetzt, welche Anforderungen in kellertechnischer Hinsicht an Bio-Weine gestellt werden. Weinen, die diese Richtlinien erfüllen, wird das neue EU-Bio-Siegel mit den 12 Sternen verliehen (vorausgesetzt, auch die Traubenproduktion erfolgte nach ökologischen Standards).

In der Fachwelt umstritten

Altes EU-Öko-SiegelDas Echo auf diese Richtlinien ist gespalten. Es reicht von Kopfschütteln („völlig unzureichend“) über zähneknirschende Zustimmung („Minimalkompromiss“) bis zu offener Ablehnung („nicht praktikabel“). Wirklich zufrieden ist niemand mit den neuen Richtlinien. Das liegt daran, dass sich die Mitgliedsländer praktisch nur auf eine Begrenzung der Schwefelgaben für Rot- und Weißweine einigen konnten. Dieser Punkt steht im Zentrum der Richtlinie. Weitergehende substantielle Anforderungen für Weine, die das neue EU-Bio-Siegel tragen, gibt es nicht. Maischeerhitzung bleibt ebenso gestattet wie ein großer Teil der neuen önologischen Verfahren (Osmose, Ionen-Austauscher). Ausgeschlossen ist nur die Entalkoholisierung, die auch in der konventionellen Weinerzeugung verboten ist.

Keine Spontanvergärung vorgesehen

Gar nicht erwähnt und damit erlaubt sind die Verwendung von Reinzuchthefen zur Vergärung und der Einsatz von Chips zur Aromatisierung des Weins. Die Hoffnung vieler biodynamisch arbeitender Winzer vor allem aus Deutschland, dass für Bio-Weine künftig eine Spontanvergärung vorgeschrieben wird, hat sich erwartungsgemäß nicht erfüllt.

Weinkenner.de fragte den größten deutschen Bio-Weinhändler Peter Riegel, was er von der Richtlinie hält. Riegel beliefert vom baden-württembergischen Orsingen aus den Fachhandel und die Gastronomie mit Bio-Weinen aus 16 Ländern. Dabei importiert er sowohl Flaschenwein als auch Fasswein, den er selber ausbaut und abfüllt. Über die Firma Bionisys, die er zusammen mit dem Owener Importeur Mack & Schühle betreibt, beliefert er auch den Lebensmittelhandel. Schließlich betreibt Riegel zusammen mit einem Önologen im Languedoc das Weingut Mas des Quernes.

Interview mit Peter Riegel

weinkenner.de: Haben Sie an der Richtlinie mitgearbeitet?
Peter Riegel: Nein, ich war nur ein paar Mal von Ecovin und vom Verband der Biowinzer im Languedoc eingeladen, um meine Meinung zu den Vorschlägen kundzutun, die auf dem Tisch lagen.
weinkenner.de: Wie bewerten Sie die Richtlinie, die jetzt herausgekommen ist?
Peter Riegel: Eigentlich steht nicht viel drin. Das einzig Greifbare ist die Schwefel-Reduzierung. Ein Minimalkonsens. Alles Heikle und Problematische wird offengelassen oder auf später verschoben.
weinkenner.de: Die Schwefelgaben für trockene Bio-Rotweine werden auf 100, die für trockene Weiß- und Roséweine auf 150 Milligramm/Liter begrenzt. Ist das genug, um sich von konventionellen Weinen zu unterscheiden, für die jeweils 50 Milligramm mehr erlaubt sind?
Peter Riegel: Die 150 Milligramm für Weißweine sind meiner Meinung nach recht großzügig bemessen. Mit diesen Schwefelwerten können auch viele konventionelle Winzer bestens leben…
weinkenner.de: …zumal für Bio-Weißweine mit über 2 Gramm Restzucker 170 Milligramm gestattet sind, mit über 5 Gramm Restzucker sogar 220 Milligramm.
Peter Riegel: Ja, das ist relativ hoch.
weinkenner.de: Viele deutsche Bio-Winzer argumentieren dagegen, dass diese Schwefelhöchstmengen zu niedrig sind. Auslesen und Beerenauslesen würden mit so wenig Schwefel nicht zehn oder mehr Jahre lang haltbar sein.
Peter Riegel: Da bin ich überfragt. Wir arbeiten wenig mit edelsüßen Weinen. Bei den Rotweinen halte ich die 100-Milligramm-Grenze dagegen für praktikabel, auch wenn es in Einzelfällen knapp werden könnte.
weinkenner.de:  Welche Einzelfälle meinen Sie?
Peter Riegel: Wenn ich jungen Fasswein aus Frankreich oder Spanien importiere, hat der schon mal 50 bis 70 Milligramm Schwefel, bevor er den Keller verlässt. Soviel braucht er als Oxidationsschutz. Um den Transport unbeschadet zu überstehen, kommen nochmal ein paar Gramm dazu. Obwohl wir Thermolastwagen benutzen und möglichst nur im Winter transportieren, hat der Wein den Schwefel praktisch schon gefressen, wenn er in Deutschland ankommt. Während des Ausbaus und vor der Füllung muss dann nochmal geschwefelt werden. Da sind wir dann schon hart an die Grenze.
weinkenner.de: Der Ständige Ausschuss für Ökologischen Landbau, der die EU-Richtlinie erarbeitet hat, geht davon aus, dass es zur Maischeerhitzung und zu Konzentrationsverfahren wie der Umkehrosmose keine technische Alternative gibt und dass diese Verfahren daher auch Ökowinzern zugänglich sein sollten.
Peter Riegel: Wer anständig im Weinberg arbeitet, braucht keine Umkehrosmose. Und die Maischeerhitzung ist immer eine Notlösung. Beides sollte für Ökowinzer tabu sein. Ich hätte mir übrigens auch gewünscht, dass für Bio-Weine gewisse Enzyme, die in Verbindung mit bestimmten Hefen das Aroma des Weins verändern, ausgeschlossen werden.
weinkenner.de: Auch Gummi Arabicum darf verwendet werden. Gehört ein solches Schönungsmittel in den Keller eines Ökowinzers?
Peter Riegel: Meiner Meinung nach nicht. Aber Verbände wie Demeter oder Ecovin haben natürlich die Möglichkeit, problematische Weinbehandlungsstoffe über die Richtlinie hinaus für ihre Mitglieder zu verbieten.
weinkenner.de: Definitiv ausgeschlossen ist lediglich die Reduzierung des Alkohols durch technische Verfahren.
Peter Riegel: Ob das ein weiser Entschluss war, sei dahingestellt. Durch die Klimaerwärmung sind die Alkoholgehalte kräftig gestiegen. Ich habe im letzten Sommer in meinen Weinbergen in Südfrankreich bei der Grenache nur 28 Hektoliter, bei der Syrah sogar nur 8 Hektoliter pro Hektar geerntet, weil es so trocken war. In AOC-Gebieten ist es nicht erlaubt, die Reben zu bewässern. Entsprechend hoch war der Zuckergehalt der Trauben. Meine Grenache-Trauben wiesen am Ende 16 Vol.% potentiellen Alkohol auf. Sie haben zwar einen tollen Wein ergeben. Aber wer will einen so hohen Alkoholgehalt? Niemand. Wenn man nicht bewässern darf und somit keine niedrigeren Zuckergehalte bekommt, plädiere ich dafür, durch technische Verfahren 2 Vol.% Alkohol aus dem Wein rauszuholen. Der Wein wird dadurch weder schlechter noch verliert er seinen Charakter.
weinkenner.de: Haben Sie eine Erklärung dafür, dass die EU-Ökowein-Richtlinie so bescheiden ausgefallen ist?
Peter Riegel: Der Einigungsprozess war extrem schwierig. Jedes Weinland, das mit am Tisch sitzt, passt höllisch auf, dass seine Winzer nicht benachteiligt werden. Dabei ist es manchmal erschreckend zu beobachten, wie wenig die Fachleute der einzelnen Länder über die Situation in anderen Ländern wissen.

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1 Kommentar

  1. Auch wenn die Meinungen auseinandergehen, die EU-Richtlinie schafft wenigstens einigermaßen Klarheit. Der bürokratische „Wein aus Trauben aus ökologischen Anbau“ wird nun zum Biowein. Viele KUnden interressiert auch nicht mehr.
    Und wer mehr will kann konkret beim Winzer / Bioweinhändler nachfragen.

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