Komisch: Nur wenige haben die Weine von der Côtes du Rhône auf ihrem Einkaufszettel. Vielleicht ist die Rhône zu weit weg. Zu anonym. Zu unbekannt, um ähnliche Sehnsüchte aufkommen zu lassen wie die Provence oder die Toskana. Weinkundige Menschen verbinden die Rhône, insbesondere den südlichen Teil, mit alkoholreichen Rosés und seelenlosen Massenweinen aus den Zisternen riesiger Cooperativen. Nicht ganz falsch, aber auch nicht richtig. In den Côtes du Rhône werden – so viel ist richtig – große Massen von Wein produziert. Genau: 390 Millionen Flaschen. Aber es sind beileibe nicht nur Massenweine.
Zweitgrößte Appellation Frankreichs
Das Anbaugebiet Côtes du Rhône zieht sich von Orange über Avignon bis zum Mittelmeer hin. Es ist die zweitgrößte Appellation Frankreichs. Ihre Weinbergsfläche umfasst mehr als Dreiviertel der gesamten Weinbergsfläche Deutschlands. Nur Bordeaux ist noch größer. Aber so viele gute Qualitäten unter 10 Euro wie an der Südlichen Rhône gibt es in Bordeaux nicht. Vor allem die Weine mit dem Zusatz „Villages“ auf dem Etikett sind nicht selten um Klassen besser als das, was in anderen Teilen Europas zum gleichen Preis aus roten Trauben angeboten wird. Beispiel? Das Château D’Aigueville, das unter dem schlichten Namen Côtes du Rhône Villages einen mächtigen, überraschend feinen Wein produziert für knapp 7 Euro. Um etwas Besseres zu finden, muss man in Europa lange suchen.
2011 Côtes du Rhône Villages, Château D’Aigueville
Der Wein ist ein Schwergewicht – typisch für die steinigen Schwemmlandböden nahe der Rhône. Aber er ist auch fein: viel Brombeeren, ein wenig Backpflaumen, dazu Kräuterwürze und ein Hauch von Bitterschokolade. Er wird, wie alle Weine der Appellation, aus den Sorten Grenache, Syrah, Carignan, Mourvèdre und Cinsaut gewonnen: ein toller Wein zum Grillen. Aber bitte nicht zu viel von ihm trinken. Er hat 15 Vol.% Alkohol (Bezug: www.vinoscout.de, Preis: 6,95 € ).
Château Aigueville besitzt 100 Hektar Reben und gehört zu den großen Privatgütern. Es gibt in den Côtes du Rhône natürlich auch gut geführte, kleinere Domänen, etwa Fonsalette (gehört zu Château Rayas), das Bioweingut La Cabotte und Grangeneuve, die alle hohe Standards gesetzt haben. Aus Tavel und Lirac kommen knackige Roséweine, die heute mit Frische statt mit Alkoholgraden prunken. Châteauneuf-du-Pape, die bekannteste Appellation der Südlichen Rhône, hat in den letzten Jahren regelrecht abgehoben, nachdem Parker und anderen Kritikern die 100 Punkte nur so aus dem Ärmel flogen. Kenner sind, als die Preisspirale sich zu drehen begann, sofort auf die benachbarten Anbaugebiete Gigondas, Rasteau und Vacqueyras ausgewichen, die eigene lokale Appellationen besitzen. Inzwischen haben aber auch deren Weine preislich kräftig zugelegt.
18 Gemeinden haben Namensrecht in der Village-Appellation
Grenache-Reben in den Côtes du RhôneUnd jetzt kommen Villages-Weine ins Visier der Weintrinker. Um groß an der Preisschraube zu drehen, ist der Appellationsname einfach zu wenig glamourös. Aber seit einige Gemeinden das Recht erstritten haben, ihren Namen auf dem Etikett hinzuzufügen, ist Bewegung in die Szene gekommen. Plötzlich haben die Weine eine Identität. Plötzlich ist ein Ansporn da, etwas zu tun, um aus dem Côtes du Rhône-Meer herauszuragen.
Insgesamt 18 Dörfer dürfen ihren Namen der Appellation Côtes du Rhône Villages hinzufügen. Die bekanntesten sind Saint-Maurice, Cairanne, Puyméras, Rochegude und Uchaux. Diese Villages-Weine bieten teilweise Qualitäten, die mit denen der lokalen Appellationen durchaus vergleichbar sind, allerdings zu moderateren Preisen.
2010 Côtes de Rhône Villages Saint Maurice, Domaine de L’Echevin
Aus Saint Maurice kommt beispielsweise ein Wein, wie er opulenter nicht sein kann: Er heißt „Guillaume de Rouville“ und wird von der Domaine de l’Echevin erzeugt: Veilchenduft in der Nase und Beerenkompottaromen auf der Zunge, die von Amarenakirsche bis Zwetschge reichen. Leichte Portweinnoten mit eingeschlossen – eine Wucht, dieser Wein.
Wer gerade ein Pfeffersteak auf dem Grill hat, sollte ihn sich schnell ins Glas schenken: Mit 13,95 Euro ist dieser Wein fast obzön billig. (Bezug: www.pinard-de-picard.de).
2011 Les Chabriles Vieilles Vignes, Domaine Brusset
Die meisten der 18 Gemeindenamen sagen nur Ortskundigen etwas. Ausländischen Weintrinkern sind sie so fremd wie Dorfnamen auf Grönland. Doch das könnte sich bald ändern, wenn sich herumgesprochen hat, wie gut die Weine sind – zumindest einige. Jedenfalls haben die ersten Winzer schon mal begonnen, auf ihren Etiketten den Gemeindenamen groß zu schreiben, während für den Appellationsnamen Côtes du Rhône kleine Lettern benutzt werden.
Auch die Domaine Brusset aus Cairanne tut das. Ihr Villages-Wein Les Chabriles ist nicht ganz so mächtig wie die anderen, dafür muskulöser, frischer, tiefgründiger. Er wächst weiter landeinwärts an der Grenze zum benachbarten Anbaugebiet Gigondas. Dort ist es etwas kühler als in den flußnahen Gegenden. Mit 14 Vol.% Alkohol ist er freilich immer noch „mit breiten Schultern“ gesegnet (Bezug: www.s-weinkeller.de, Preis: 15,90 €).
2010 De Père en Filles, Côtes du Rhône Plan de Dieu, Paul Jaboulet Aîné
Noch einen vierten Villages-Wein habe ich in den letzten Tagen getrunken, der Ehre für die Rhône einlegt: Paul Jaboulet Aînés Plan de Dieu: ebenfalls ein vollmundiger, üppiger, gleichzeitig aber disziplinierter Wein mit dem Aroma von Kirschen, Cassis und dem Duft wilder Kräuter, der bis in die Fasern durchgearbeitet ist und trotz seiner 14,5 Vol.% Alkohol den Gaumen nicht ermüdet, sondern frisch hält. Er ist der eleganteste der hier vorgestellten Côtes du Rhône-Weine (Bezug: www.weinseller.de, Preis: 17,90 €).
Übrigens: Plan de Dieu ist kein Phantasiename. Er gehört zu den 18 Villages-Bezeichnungen. Unter Plan de Dieu werden die Territorien der Gemeinden Camaret-sur-Aigues, Jonquières, Violès und Travaillan zusammengefasst. Dieser Wein zeigt, dass es in der Villages-Appellation mit Gemeindenamen genauso gute Crus gibt wie sie Gigondas und Vacqueras darstellen. Allerdings kostet er auch genauso viel wie gute Weine dieser Appellationen.
Die Maison Paul Jaboulet Aîné ist eine der ältesten Weinerzeuger und größten im Rhônetal. Ihr berühmtester Wein ist der der Hermitage „La Chapelle“ von der Nördlichen Rhône. Der Villages-Wein vom Plan de Dieu ist aus Trauben eines Weinbergs gekeltert, der den schönen Namen „De Père en Filles“ trägt: vom Vater an die Töchter. Allerdings gibt es bei Jaboulet keine Töchter mehr. Die Maison wurde vor einigen Jahren an die Familie Frey verkauft, die kürzlich die Weinberge von Champagne Ayala übernommen habt und Besitzer des Château La Lagune in Bordeaux ist.
eine spannende Online Lektüre 😉 weiter so…
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