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Coche-Dury – Ist es dekadent, einen Wein für 1340 Euro zu trinken?

Im Hangar 7 des Flughafens Salzburg fand am letzten Sonntag eine historische Weinprobe statt: 35 Weine von Coche-Dury standen zur Verkostung. Soviele Flaschen des Kultwinzers aus dem Burgund hat noch Niemand in der Welt auf einmal zusammengebracht. Die Weine –überwiegend Weiße – sind extrem rar und teuer. Zwischenzeitlich wurde die Frage laut, ob es dekadent sei Weine zu trinken, die teilweise über 1000 Euro pro Flasche kosten. Die Antwort lautete: nein.

Ein Dutzend Wein-Enthusiasten hatten sich am letzten Sonntag am Salzburger Flughafen eingefunden, um unter der gläsernen Kuppel des Hangar 7, den der Red Bull-Erfinder Dietrich Mateschitz gebaut hat, an einem Wein-Marathon teilzunehmen. 35 Weine von Coche-Dury warteten darauf verkostet und beurteilt zu werden – selbst für geübte Zungen eine Herkulesarbeit, die fünf Stunden Konzentration bedeutete und eine gesunde Leber voraussetzte. In den meisten Flaschen befand sich Weißwein der Sorte Chardonnay, wie er typisch für das Burgund ist. Nur fünf Flaschen enthielt Rotwein: selbstverständlich Pinot Noir. Der jüngste Jahrgang war 2008, der älteste 1988.

Bester Weißwein der Welt?

Der Name Coche-Dury ist für Weinkenner dasselbe wie Hummer und Kaviar für Gourmets. Dabei ist Jean-François Coche-Dury ein bescheidener kleiner Winzer aus dem burgundischen Dörfchen Meursault, der eigenhändig seine Reben schneidet, mit höchst altmodischen Geräten im Keller arbeitet, seine Weine vor der Füllung nicht filtriert und am Ende Etiketten auf die Flaschen klebt, die so gespenstisch hässlich sind, dass sich mit Grausen abwenden würde, wer mit dem Namen Coche-Dury nichts anfangen kann. Kenner wissen jedoch, was der Inhalt wert ist. Schon sein einfacher Bourgogne Chardonnay kostet rund 50 Euro pro Flasche, seine Meursault aus einer ordinären Gemeindelage 150 Euro, die Meursault 1er Cru mindestens 450 Euro. Sein Spitzenwein, der Corton-Charlemagne, ist unter 800 Euro nicht zu bekommen. Für den Star der Probe, den 2006er Corton-Charlemagne, verlangt der billigste Anbieter gar 1340 Euro. Protzig? Sündig? Dekadent? Manche Connaisseurs bezeichnen Coche-Dury als das weiße Pendant zur berühmten Domaine Romanée-Conti. Der amerikanische Weinkritiker Robert Parker hält ihn gar für den besten Weißweinwinzer der Welt: „Wer das bestreitet, hat seine Weine noch nie getrunken.“

Die Weine sind einfach – einfach gut

Kein Zweifel – Coche-Durys Weine sind außerordentlich. Aber wer mit Pinot Grigio, Silvaner, Gutsriesling groß geworden ist, wird ihnen wahrscheinlich wenig abgewinnen können. Zu fremdartig sind sie, zu mineralisch, zu schnörkellos. Im Vergleich zu anderen weißen Burgundern wirken sie geradezu karg. Keine Blockbuster, die vor süßen Holz- und Karamellaromen strotzen, sondern Weine, deren Aromatik eher an Muscheln, Algen, Salz und grünen Klee erinnert. Ihre Säure ist nicht nur cremig-weich, sondern immer auch ein bisschen apfelig-grün. So betrachtet, passen sie in keine Schublade, gehen gegen jeden Strich und sind dennoch für den, der sich auf sie einlässt, ein Hochgenuß. Das Ausmaß ihrer Fülle spiegelt die unterschiedlichen Lagen wider, von denen sie kommen. In diesem Sinne sind die Weine von Coche-Dury völlig ungekünstelt, keineswegs auf teuer getrimmt, geradezu einfach. Oder wie es der Hamburger Master-Sommelier Hendrik Thoma, der die Verkostung leitete, ausdrückte: „Einfach gut.“ (Ein ausführlicher Bericht der Probe folgt zu einem späteren Zeitpunkt).

Der Handel macht die Preise, nicht der Winzer

Der Hangar 7 ist ein Museum für Fluggeräte und Formel 1-Boliden. Mateschitz, ein begeisterter Flieger und stolzer Rennstallbesitzer, hat es für ein leistungs- und Technik-begeistertes Publikum eingerichtet. Hangar 7 steht aber auch für Spitzengastronomie. Im Restaurant Ikarus, das sich unter der Kuppel befindet, kochen Küchenchefs aus aller Welt – jeden Monat ein anderer. Der Weinkeller ist ebenfalls gut bestückt – Coche-Dury eingeschlossen. Trotzdem brauchte Ondrej Kovar, der Service-Chef, viele Monate, um die 35 Flaschen zusammenzukaufen: „Es galt, mehrere Sammler zu überzeugen, eine Flasche für unsere Probe abzustellen.“ Apropos Preise: Jean-François Coche-Dury überlässt seine Meursaults den Händlern für einen Bruchteil ihres Handelswerts. Teuer macht den Wein also nicht der Winzer, sondern der Handel und diejenigen, die ihn ihren Gästen unbedingt mit Preisschild am Flaschenhals kredenzen möchten. Soviel zum Thema Dekadenz.

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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