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Best of May: Pontet-Canet, Bricco dell’Uccellone, Umathum, Perpetual und ein paar geniale Weisse aus Österreich

Im Mai war ich ein flying winedrinker. Viel unterwegs dank Wegfall aller Corona-Lockerungen, viel unter Menschen: im Zug, im Flugzeug, auf Messen, in Restaurants. Die Quittung kam am Ende des Monats: Corona. Ab in die Quarantäne. Die letzte Mai-Woche war erzwungenermaßen alkoholfrei. Die Riech- und Geschmacksnerven hatten zwar nicht gelitten. Aber der Appetit fehlte. Und bei Fieber sollte man sich auch von der Flasche fern halten.

Viele gute, langweilige Rotweine

Bis dahin hatte ich etwa zweihundert Rotweine getrunken (probiert), von denen ich geschätzt die Hälfte als gut, aber langweilig klassifizieren würde: glanzloser Standard, meist banal, bestenfalls lecker. Ihretwegen morgens aufstehen, würde ich nicht (wenn es dafür keine anderen Gründe gäbe). Drei Weine hat mein Gaumen sogar als „Frechheit“ bezeichnet – alle drei übrigens hocherfolgreich am Markt. Die Namen werden hier verschwiegen. War ja nur mein persönlicher Gaumen, der das sagte. Ein weiteres Viertel der verkosteten Weine empfand der Gaumen zwar als sehr gut. Sie traten aber mit Ansprüchen – auch preislichen – auf, die sie nicht einlösen konnten. Suboptimal. Am Ende möchte ich vier Rotweine hervorheben, die für hohe Winzerkunst stehen und inspirierend sind für alle, für die Wein immer auch ein bisschen ein Geschmacksabenteuer ist. 

Umathums Blaufränkisch „Kirschgarten“

Der erste ist der 2018er Blaufränkisch aus dem „Kirschgarten“ von Josef Umathum, den ich auf der Weinmesse VieVinum in Wien getrunken hatte. Er gehört seit Jahren zu den herausragenden Rotweinen dieser (schwierigen) Sorte, die selten ein peoplepleaser ist. So brillant habe ich einen burgenländischen Blaufränkisch schon lange nicht mehr erlebt. Die manchmal spröde, herausstehende Säure ist in diesem Fall reif und bestens inkorporiert, das Tannin so fein, dass man es kaum wahrnimmt: ein exotiscer Blaufränkisch, vollkommen in sich ruhend. Die biodynamische Wirtschaftsweise hat sich ausgezahlt (42,50 Euro ab Weingut).. 

Alter Bekannter: Bricco dell’Uccellone, Jahrgang 2016

Der zweite Rotwein, der Glücksgefühle auslöste, war der Bricco dell’Uccellone aus dem piemontesischen Weingut Braida – ein alter Bekannter und seit 40 Jahren einer der besten Barbera d’Asti. Obwohl bewertungsmäßig nie durch die Decke gehend, gibt der Jahrgang 2016 ihm einen Kick, der ihn nach oben katapultiert. Schon in der Trattoria della Posta in Monforte d’Alba, wo ich ihn das erste Mal aus der Magnumflasche trank, brannte er sich in mein Gedächtnis ein. Filigrantrinker würden ihn möglicherweise als Monsterwein bezeichnen, so dunkel, so vielschichtig, so konzentriert ist er, und mit 16 Vol.% Alkohol auch noch so hoch im Alkohol, dass man ernsthaft erwägen müsste, das gesetzliche Trinkalter für ihn heraufzusetzen. Ein Wein, der in seiner Intensität, Fülle, Schwere aus der Zeit fällt. Aber: Wer unbedingt mit der Zeit gehen will, wird nie einen großen Wein trinken (49,90 Euro, https://italien-weinimport.de ). 

Kühler Jahrgang, großer Wein: 2017er Pontet-Canet

Den dritten Wein, der mich bewegte, war der 2017er Pontet-Canet aus Bordeaux, offiziell ein fünftrangig klassifiziertes Gewächs, das bei der Union des Grands Crus Classés in Düsseldorf ausgeschenkt wurde. Auch er kein Unbekannter, schon weil das Château das erste im Médoc war, das seine Weinberge biodynamisch bewirtschaftete. Der gerade freigegebene Jahrgang, eher einer der kühleren, ist hochkomplex, makellos in der Frucht, präzis bis ins kleineste Detail und so transparent, dass es jetzt schon ein erhabenes Vergnügen ist, ihn zu trinken. Der Wein liegt mindestens auf dem Niveau eines Deuxième Cru. Manch Bescheidwisser hält ihn gar für so gut wie einen Premier Cru. Stimmte das, wäre er ein Schnäppchen (135 Euro bei Mövenpick). In der Zeitschrift VINUM las ich, der 2017er sei der „burgundischste“ aller Pontet-Canet. Die Formulierung irritiert mich. Ist Burgund jetzt die Steigerung von Bordeaux? Die Höchstwertung von 20/20 teile ich trotzdem. 

Torres Perpetual aus dem Priorat

Der vierte Wein, der mich begeisterte, kommt aus dem spanischen Priorat. Es ist der Perpetual von Miguel Torres. Dieser Blend von Cariñena und Garnacha von 80- bis 100jährigen Stöcken ist mit 14,5 Vol.% ebenfalls ein Schwergewicht, opulent einerseits, andererseits aber filigran im Inneren mit beeriger Süße und pikanter Lorbeer-Würze: ein Bergwein, gewachsen auf 700 Meter Höhe, wo die spanische Sonne den Schiefer tagsüber zum Glühen bringt und die Nacht ihn wieder brutal runterkühlt (35 Euro bei lieblings-weine.de). Winemaker Jordi Foraster chauffierte mich mit seinem 4×4 auf einer halsbrecherischen Piste hinauf in die Reben, um ihn da oben zu verkosten und später in einer nahegelegenen Hütte zum nächtlichen Barbecue zu trinken (über Torres und seine climate change-Projekte werde ich noch separat berichten). 

Österreich ein unerschöpfliches Reservoir für spannende Weißweine

Dass bei den Weißweinen, die ich im Mai verkostete, mehr Licht als Schatten war im Vergleich zu den Roten, hing damit zusammen, dass die oben schon erwähnte Weinmesse VieVinum in diesen Monat fiel und Österreich ein unerschöpfliches Reservoir an nicht nur guten, sondern auch spannenden Weißweinen ist. Das ist Weintrinkern auch außerhalb des Landes nicht verborgen geblieben. Gerade hat die Österreichische Weinmarketing Gesellschaft ÖWM mitgeteilt, dass die Exporte erstmals die 200 Millionen Euro-Marke überschritten haben – was vor Corona noch als undenkbar galt. Deutschland ist nach wie vor der größte ausländische Absatzmarkt für österreichische Weine, aber die Schweiz, USA und Kanada legen mächtig zu. 

Weinviertel: Zillinger, Ebner-Ebenauer, Ingrid Groiss

Fundament des Erfolgs sind die Weißweine. Ich werde an dieser Stelle nur ein paar besondere Weine erwähnen, die  ich im Rahmen einer großen Verkostung namens Austrian Heroes im Glas hatte und die beispielhaft für die Hohe Schule der österreichischen Weißweine stehen. Ich fange mal mit dem Weinviertel an. Bei Herbert Zillinger ist das gesamte Grüne Veltliner-Sortiment so gut, dass man eigentlich gar nicht zu den Topweinen greifen muss, um maximalen Spaß zu haben. Der „Hirschenreyn“ für 19,50 Euro und der einfache „Horizont“ für 14,50 Euro setzen in ihrer Kategorie schon Massstäbe. Mit Ebner-Ebenauers Grünem Veltliner „Alte Reben“ trinkt man einer der herausragenden Weine des Anbaugebiets (22,50 Euro), und Ingrid Groiss „Sauberg“ (26 Euro) sticht leuchtturmartig aus der Masse der Weinviertler Grünen Veltliner heraus. 

Wachau, Krems, Kamptal, Steiermark – überall Weine mit Ausrufungszeichen

Die Wachau habe ich ebenfalls kreuz und quer probiert. Frischengruber („Ried Zanzl“), Schödl Family („Ried Loidesthaler In den Kreutern“), Prager („Wachstum Bodenstein“) stehen alle mit zwei Ausrufezeichen in meinem Notizbuch, die Weine der „Rebellen“ Veyder-Malberg und Muthenthaler mit einem, Hirtzberger („Honivogl“) sogar mit dreien. Man kann Hirtzbergers Stil für obsolet halten – kein anderer Grüner Veltliner hat einen solchen Tiefgang und ist so komplex wie er, egal ob man das persönlich mag oder nicht. Beim Riesling rate ich zu Johannes Hirsch aus dem Kamptal mit seinen 2019er Riedenweinen „Heiligenstein“ und „Gaisberg“ (je 32 Euro) sowie zum Lesehof Stagård mit seinem famosen „Steiner Schreck“ (25 Euro) – beide Produzenten übrigens Biodynamiker.

Fast hätte ich ihn vergessen: Salomons wunderbar cremiger 2019er Riesling aus der Urgesteinslage „Ried Kögl“ notierte auf meinen Probenzettel ebenfalls ganz oben (20 Euro). Was in diesem Wein steckt, wurde mir abends klar, als ich den 2011er Jahrgang des „Kögl“ im Schwarzen Kameel trank: goldgelb schimmernd, gleichzeitig hefig-frisch mit zarten Mandarinen- und Löwenzahnnoten, perfekt gereift und das i-Tüpfelchen zum legendären Kalbsgulasch des Hauses. Dringend erwähnt werden müssen noch zwei weitere Produzenten: Bründlmayer hat in 2019 eine selten große Chardonnay Reserve gefüllt (35 Euro), die nur noch von Erwin Sabathi aus der Steiermark getoppt wird mit seinen zwei Pössnitzberger Chardonnays, speziell dem aus der „Ried Pössnitzberger Kapelle“ (99,11 Euro bei Wein & Co.). 

Es waren dann die letzten Weine, die ich im Mai trank. Einen Tag später kam das Virus.

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2 Kommentare

  1. Guten Tag Herr Priewe,
    ich habe Ihre Kolumne mit Vergnügen gelesen, danke. Jetzt wäre es aber wirklich noch interessant zu wissen, welches Jahr vom Perpetual sie getrunken haben. Wären Sie so nett und verraten es mir und den restlichen Lesern noch?

    Herzliche Grüße,

    Christian v. Dresky

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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