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Bernhard Ott über die Zukunft des Grünen Veltliners in Österreich

Das Anbaugebiet Wagram ist der warm-heisse Vorhof der Wachau. Doch im Unterschied zur Wachau dominiert am Wagram der Grüne Veltliner. Er macht dort 90 Prozent der Weißwein-Rebfläche aus. Riesling und andere Rebsorten sind nur marginal vertreten. Einer der bekanntesten Repräsentanten des Anbaugebiets ist Bernhard Ott aus Feuersbrunn. Der 49-Jährige baut den Grünen Veltliner nicht nur an, er lebt mit ihm. Er weiß, was die Sorte auf den Lößböden des sanft zur Donau abfallenden Anbaugebietes bringt und wie sie auf das trocken-heisse Klima der letzten Jahre reagiert. „Ich bin ein Veltliner“, hat er einmal von sich selbst gesagt.

Faß 4 und Der Ott – zwei legendäre Grüne Veltliner

Legendär ist Otts Grüner Veltliner „Faß 4“, eine Cuvée  aus Feuersbrunner Löß-Lagen: ein satter, feinwürziger Wein, den es seit 30 Jahren gibt und der nach dem vierten Faß in der Reihe der Holzfässer im Keller des Weinguts benannt wurde. Er war ursprünglich nur für eine kleine Gruppe von Privatkunden vorgesehen. Inzwischen ist er der mengenmäßig wichtigste Wein des Gutes. Fast genauso gefragt ist „Der Ott“, ebenfalls eine Grüne Veltliner-Cuvée, aber aus den Junganlagen der besten Einzelrieden des Gutes, die allesamt 1. Lagen sind (höchste Kategorie in der Klassifikation der Österreichischen Traditionsweingüter ÖTW). Die Rieden-Weine selbst, also  „Spiegel“, „Stein“ und „Rosenberg“, bilden dann die Spitze der Qualitätspyramide.

© ÖWM Robert Herbst

Stilwandel bei Ott

In den letzten sechs Jahren hat sich bei Ott ein Stilwandel vollzogen. Der Winzer hatte das Gefühl, dass seine Grünen Veltliner zu beliebig, zu austauschbar seien. Er strebte individuellere Weine an, die die Lagenunterschiede besser widerspiegelten und die Sorte Grüner Veltliner präziser zum Ausdruck bringen. Ein Motiv für sein Umdenken war auch die schleichende Klimaerwärmung, die potenziell zu ansteigenden Alkoholgehalten, Säureverlust und Trockenstress für die Reben sorgte. Bernhard Ott entschied sich, auf biodynamische Wirtschaftsweise umzustellen. Auch in der Kellerarbeit ging er einen Schritt zurück in Richtung traditionelle Önologie mit Maischestandzeit, Spontanvergärung, mehr Holzfasseinsatz. Ein Experiment mit Tonamphoren brach er ab. Wir trafen Bernhard Ott Anfang September in seinem Weingut in Feuersbrunn und sprachen mit ihm über seine neue Philosophie.

weinkenner In den letzten sechs Jahren haben sich Ihre Grünen Veltliner stilistisch stark verändert. Sie waren schmalzig, ausladend und oft nicht ganz durchgegoren. Jetzt sind sie schlanker, trockener, weniger fruchtig. Was ist passiert? Mochten die Konsumenten den Ott-Stil nicht mehr?

Bernhard Ott Im Gegenteil. Unsere Kunden waren mit unserem Stil mehr als zufrieden. Was sich verändert hat, ist die Bewirtschaftung unserer Weingärten und der Ausbau der Weine. Wir haben unsere Vergangenheit betrachtet und geschaut, welche Methoden unsere Vorfahren angewendet hatten. Damals wurde ausschließlich per Hand geerntet. Die Presshäuser waren damals ja noch ohne Strom. Es gab Traubenmühlen mit Walzen aus Eichenholz, in denen die Beeren gequetscht wurden, dann ein großes Holzbecken, in dem die Trauben einen Tag lang mit den Stielen mazeriert wurden. Schließlich wurden sie in der Baumpresse zweimal ausgepresst und im Holzfass vergoren – spontan, ohne zugesetzte Hefen. Daran orientieren wir uns heute. Traubenmühle, Maischestandzeit, Spontanvergärung, all das haben wir wieder eingeführt. Seit 2018 benutzen wir auch wieder Holzfässer, in denen die Weine vergoren und gelagert werden.

© Konstantin Volkmar

weinkenner Ausserdem geben Sie die Weine später frei. Diese haben also mehr Zeit, sich zu finden.

Bernhard Ott Definitiv. Unser Klassiker „Der Ott“ beispielsweise – inzwischen übrigens eine Cuveé aus den Junganlagen unserer besten Lagen „Spiegel“, „Stein“ und „Rosenberg“ – bleibt bis kurz vor der nächsten Ernte im Fass auf der Hefe. Unsere Riedenweine bleiben sogar zwei  ganze Winter im Holzfass. Viel wichtiger für die gestiegene Qualität aber sind die Maßnahmen, die wir im Weinberg getroffen haben.

weinkenner Welche wären das?

Bernhard Ott Wir hatten bereits im Jahr 2006 angefangen, auf Biodynamie umzustellen. Das war der entscheidende Schritt. Die Biodynamie hat vieles verändert, nicht nur den Wein selbst, auch unsere Einstellung zur Natur, zu unserer Arbeit, meine persönliche Lebenseinstellung und die meiner Mitarbeiter.

weinkenner Erklären Sie das.

Bernhard Ott Am wichtigsten waren die Veränderungen bei der Bodenbearbeitung. Biodynamie fängt immer mit dem Boden an. Er ist der Schlüssel für gesunde, vitale Reben, die sowohl in kühlen als auch in warmen Jahren Trauben hervorbringen, aus denen elegante Weine entstehen können.

weinkenner Wie haben Sie die Bodenbearbeitung konkret verändert?

Bernhard Ott Der Grüne Veltliner will jederzeit sicher mit Nährstoffen versorgt sein. Sonst gerät der Rebstock außer Balance und bringt keine guten Weine hervor. Deshalb haben wir eine eigene Kompostwirtschaft aufgebaut. Das heißt: Wir stellen nach einem ausgeklügelten System aus Gras, Heu, Grünschnitt, Kuhmist, Trester und biodynamischen Präparaten einen Kompost her, den wir im Weinberg ausbringen. Er sorgt für ein lebendiges Bodenleben, welches wiederum die Voraussetzung für das Entstehen von Humus ist. Hinzu kommt, dass wir den Boden nicht mehr mit schwerem Gerät tief umpflügen. Er würde sonst schnell austrocknen. Wir haben stattdessen eine Maschine entwickelt, die nur sieben bis neun Zentimeter tief unter der Oberfläche arbeitet und bei Trockenstress der Reben die Wurzeln der Begrünung kappt. Die Begrünung selbst bleibt stehen. So wird verhindert, dass die Erde bei Starkregen weggeschwemmt wird, und der Boden bleibt gut durchfeuchtet.

weinkenner Eine Reaktion auf die vielen trocken-heißen Sommer der letzten Jahre?

Bernhard Ott Angesichts des Klimawandels ist die Wasserversorgung für die Rebe überlebenswichtig, zumal wir auf eine Tröpfchenberegnung bewusst verzichten. Unsere Rebstöcke sollen tiefe Wurzeln bilden, damit sie sich die Feuchtigkeit im Boden selbst suchen und das Terroir aufnehmen können. Heute sind wir dort, wo wir hin wollten. Unsere Weine sind stimmiger, individueller als vorher. Sie sind unverfälscht und unverwechselbar, zeigen klar ihre Herkunft. Ihre Seidigkeit und die frische Eleganz ist das Ergebnis dieser Umstellung und unserer Weiterentwicklung

weinkenner Und Ihre Weine sind trockener. Der „Wagram-Schmelz“, den die österreichischen Kritiker früher Ihren Weinen attestierten, basierte nicht selten auf kleinen Mengen unvergorenen Restzuckers, der sie abrundete.

Bernhard Ott Die Umstellung auf Biodynamie braucht Zeit. Bis dahin war die Balance in unseren Weingärten noch nicht zu 100 Prozent gegeben. Dazu kamen sehr warme und teils auch sehr heiße Jahre – was zur Folge hatte, dass bei der Spontangärung ein gewisser Restzucker geblieben ist. Deshalb konnte es passieren, dass die Weine nicht ganz trocken waren. Durch die Kompostwirtschaft, die wir praktizieren, und durch die Begrünung schaffen es unsere Reben heute, so gesunde Trauben zu produzieren, dass die Spontanvergärung einwandfrei funktioniert. Seit 2014 ist das Thema Restzucker für uns durch. Unsere Weine sind komplett durchgegoren, und damit präziser, straffer als früher. Sie spiegeln mehr denn je wider, was in unseren Lagen steckt.

weinkenner Ein einziger restüßer Prädikatswein ist noch geblieben: die Auslese „Tausend Rosen“.

Bernhard Ott Den füllen wir aber nicht jedes Jahr ab. Alle paar Jahre – um genau zu sein: 2003, 2006, 2012 und 2018 – gibt es Fässer, die trotz aller Bemühungen nicht ganz durchgären. Die Trauben stammen meistens aus unseren 1. Lagen, also unseren besten Rieden. Diese Weine finden ihre Balance zwischen Restzucker und Alkohol jenseits des trockenen Bereichs. Wir akzeptieren, dass sie zwischen acht bis fünfzehn Gramm Restzucker behalten. Nach zwei Jahren auf der Vollhefe entsteht so unser Prädikatswein „Tausend Rosen“.

 

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Weinkenner Gibt es bei Ihnen eine gestaffelte Lese?

Bernhard Ott Bei uns gibt es seit 2014 pro Parzelle nur einen Lesedurchgang, und das zu 100 Prozent per Hand. Ich sehe das nicht als Nachteil. Gehen Sie mal ins Burgund, da wird, nachdem das Ertragsziel einmal festgelegt wurde, auch alles auf einmal gelesen. Durch die Ertragsreduzierung erhält man auch bei einem einzigen Lesedurchgang physiologisch reife Trauben.

Weinkenner Der Grüne Veltliner ist eine ertragsstarke Rebe. Wenn man sie nicht bremst, produziert zu viel, um gute Weine zu bekommen. Wie regeln Sie die Erträge?

Bernhard Ott Wenn nötig, reduzieren wir. Denn auch die Menge trägt zur Balance bei. Wir wissen genau, welche Parzelle für welchen Wein vorgesehen ist. Entsprechend legen wir die Erträge vorher fest: für die Riedenweine anders als für „Faß 4“, „Am Berg“ oder für „Der Ott“.  Das heißt: Wir zählen in jeder Parzelle die Trauben pro Stock und die Anzahl der Beeren pro Traube – das ist bei 54 Hektar Weinbergen, die wir bewirtschaften, übrigens in gewaltiger Aufwand. Danach wissen wir, ob und wie viel wir ausdünnen müssen. Für die Qualität hat so eine Reduzierung natürlich weitreichende Folgen.

weinkenner Es wird viel darüber diskutiert, ob der Grüne Veltliner, Österreichs Parade-Rebsorte, noch eine Zukunft hat angesichts der globalen Klimaerwärmung. Drohen die Weine zu alkoholreich, zu fett zu werden?

Bernhard Ott Mit dem Wissen, das wir im Betrieb heute haben, und mit den Methoden der Bodenbearbeitung, die wir praktizieren, werden unsere Weine auch zukünftig ausbalanciert sein.

weinkenner Was hat es mit dem „respekt“-BIODYN-Label auf sich?

Bernhard Ott Wir haben uns 2007 mit einem guten Dutzend gleichgesinnter Weingüter zusammengetan und unseren eigenen biodynamischen Verein „respekt“ gegründet. Da sind renommierte österreichische Winzer wie Fred Loimer, Franz Weninger, Gernot und Heike Heinrich und Claus Preisinger dabei, um nur einige zu nennen, aber auch deutsche Kollegen wie Steffen Christmann, Philipp Wittmann, Hansjörg Rebholz. Das Ziel ist es, voneinander zu lernen, sich gegenseitig zu schulen und zu unterstützen, gleichzeitig aber eigenständig und souverän mit biodynamischen Methoden Weine von höchster Qualität zu erzeugen.

weinkenner Biodynamie bedeutet mehr Aufwand für den Winzer und damit höhere Kosten. Glauben Sie, dass sich einerseits Bio, andererseits aber auch die Biodynamie durchsetzen wird?

Bernhard Ott Ich hoffe, dass Bio in zehn Jahren allgemeiner Standard im Qualitätsweinbau ist. Im handwerklichen Weinbau sollte die Biodynamie das Ziel sein.

Die ausgewählten Bernhard Ott-Weine

2019 Grüner Veltliner „Am Berg“

Der Einstiegswein von Bernhard Ott, saftig, hefefrisch, ziemlich kräftig im Körper mit knackiger Klarapfel-  und zarter Brennnesselnote, erfrischend und unanstrengend zu trinken.

87/100

Preis: ca. 10 Euro

2019 Grüner Veltliner „Fass 4“

Gehobene Veltliner-Cuvée in der Ortswein-Kategorie: floreal in der Nase mit Anklängen an getrocknete Aprikosen, frische Grapefruit und Rucolawürze, am Gaumen dicht und druckvoll – der ideale Wiener-Schnitzel-Wein

Bewertung: 89/100

Preis: ca. 15-20 Euro

2019 Grüner Veltliner „Der Ott“

In 2019 erstmals aus Trauben sowohl vom Wagram als auch aus dem benachbarten Kamptal gekeltert (deshalb nur als Landwein deklariert), dadurch eine etwas kühlere Stilistik mit mehr Lemongras im Bouquet, im Mund ausladend und dicht gewoben mit viel süßem Extrakt und Tropenfrucht im Nachklang.

Bewertung: 90/100

Preis: ca. 23 Euro

 

2019 Grüner Veltliner „Spiegel“ (1. Lage ÖTW)

Frischer, verspielter Riedenwein aus einer der kühlsten Lagen am Wagram, teils im 3000 Liter-Holzfass ausgebaut, teils im Stahltank, am Ende Rückverschnitt und nochmals Holzfass, wobei er (wie auch die anderen Riesenweine) erstmals knapp zwei Jahre auf der Hefe gereift ist: geschmeidig, feinstrahlig, ein Hauch Exotik, schon antrinkbar (erst 2021 Handel).

Bewertung: 90/100

Preis: ca. 30 Euro

2019 Grüner Veltliner „Rosenberg“ (1. Lage ÖTW)

Finessereicher Riedenwein aus einer Spitzenlage am Wagram mit wasserspeicherndem Löss: Birne, Fenchel, weißer Kandis, ein Hauch von Bananenschale, dabei hefefrisch und mit deutlich mineralischer Prägung. Viel Potenzial (erst 2021 Handel).

Bewertung: 92/100

Preis: 34 Euro

 

2019 Grüner Veltliner Kamptal DAC „Ried Stein“ (1. Lage ÖTW)

Ein Wein aus Engabrunn im Kamptal, wo die Reben sowohl auf Löss als auch auf Gneis stehen: im Vergleich zu den anderen Riedenweinen markanterer Säurebogen, dadurch wirkt der Wein lebendiger: viel mineralische Tiefe, aber auch viel exotische Frucht und ein Hauch von Pastinaken-Würze (erst 2021 Handel).

Bewertung: 93/100

Preis: ca. 30 Euro

Bezug: www.pinard.de, www.weinfurore.de, www.wein-direktimport.de, www.alpina-wein.de, www.grubis-weine.de, www.schreiblehner.de, www.dallmayr-versand.de, www.weinshop24.at, www.weinheld.ch u.a.

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1 Kommentar

  1. So sollte Weinjournalismus sein: informativ, präzise, nüchtern, getragen von Vor-Ort-Erfahrungen. Und ohne Sensationsgeschwurbel, Kaskaden von Frucht- und Gewürz-Assoziationen sowie mit dem Auge aufs gewünschte Zitiertwerden praktiziertes Punkte-Geballer. Das hat sich in den letzten paar Jahren leider so entwickelt, aber es lässt den Leser und Weinliebhaber zunehmend allein. Und manche Händler machen mit eigenen überhohen Bewertungen für ziemlich brave Weine gerne mit. (Zur Erinnerung Parkers Definition für 90 bis 95 Punkte: „An outstanding wine of exceptional complexity and character. In short, these are terrific wines.“)
    Fazit: Weiter so, Herr Priewe!

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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