Auch der Rosso di Montalcino bleibt ein 100%iger Sangiovese-Wein

Landschaft Montalcino
Die Winzer von Montalcino haben gesprochen: 69 Prozent sind dagegen, dass das Statut des Rosso di Montalcino geändert wird. Auch der Zweitwein der Brunello-Weingüter muss reinsortig aus Sangiovese-Trauben gekeltert sein – ohne Merlot & Co. Das ist das Ergebnis einer hochgradig emotionalen Debatte der letzten Woche. Jens Priewe bezweifelt, dass es eine kluge Entscheidung war.

Der Ver­such eini­ger gro­ßer Brunello-Produzenten, für die Erzeu­gung des Rosso di Mon­tal­ci­no einen klei­nen Anteil Mer­lot, Caber­net Sau­vi­gnon oder Syrah zuzu­las­sen, ist geschei­tert. Eine deut­li­che Mehr­heit der Erzeu­ger war nicht bereit, das Pro­duk­ti­ons­sta­tut für die­sen Wein zu ändern. Damit wird der Rosso di Mon­tal­ci­no wei­ter­hin­zu hun­dert Pro­zent aus Sangiovese-Trauben erzeugt – wie der Bru­nel­lo. Im Früh­jahr hat­ten die Brunello-Erzeuger bereits ent­schie­den, das Pro­duk­ti­ons­sta­tut für ihren Spit­zen­wein nicht zu ändern und kei­ne wei­te­ren Reb­sor­ten zuzu­las­sen. Damit waren und sind Bru­nel­lo di Mon­tal­ci­no und Rosso di Mon­tal­ci­no die ein­zi­gen tos­ka­ni­schen Rot­wei­ne, die aus­nahms­los aus Sangiovese-Trauben erzeugt wer­den müssen.

Die Großen Pro, die kleinen Contra

Es war eine lan­ge, hoch­gra­dig emo­tio­na­li­sier­te Ver­samm­lung, die am Mitt­woch ver­gan­ge­ner Woche in Mon­tal­ci­no statt­fand, mit­ten in der der Lese. Auf der einen Sei­te die Ver­tre­ter der gro­ßen Wein­gü­ter wie Cas­tel­lo Ban­fi, Fres­co­bal­di und Il Pog­gio­ne, die auf „Ja“ zur Ände­rung des Pro­duk­ti­ons­sta­tuts dräng­ten und vehe­ment dafür war­ben, optio­nal 15 Pro­zent ande­re, in Mon­tal­ci­no gewach­se­ne Sor­ten in die Cuvée des Rosso di Mon­tal­ci­no inte­grie­ren zu dür­fen. Auf der ande­ren Sei­te Jaco­po Bion­di San­ti, Gian­fran­co Sold­e­ra (Case Bas­se), Fran­ces­co Illy (Mastroi­an­ni), Fran­ces­co Cin­za­no Mar­ro­ne (Col d’Orcia) und vie­le klei­ne Fami­li­en­be­trie­be, die auf einem strik­ten „Nein“ beharr­ten. Am Ende setz­ten sich die Sangiovese-Puristen klar durch: mit 69 Pro­zent der Stim­men wur­de einer Ände­rung des der­zei­ti­gen Rosso-Statuts eine kla­re Absa­ge erteilt.

„End­lich haben wir Klar­heit und kön­nen die­sen Fall abschlie­ßen, der uns seit über einem Jahr beschäf­tigt“, resü­mier­te Ezio Rivel­la, der Prä­si­dent des Schutz­kon­sor­ti­ums Bru­nel­lo und des Rosso di Mon­tal­ci­no. Glück­lich dürf­te er über den Aus­gang der Abstim­mung nicht gewe­sen sein. Der frü­he­re Banfi-Direktor hat nie einen Hehl dar­aus gemacht, dass er für eine Locke­rung des Sangiovese-Gebots ist, sowohl beim Rosso wie beim Brunello.

Auch Ange­lo Gaja, der in Mon­tal­ci­no das Wein­gut Pie­ve San­ta Resti­tu­ta besitzt, hält mit sei­ner Mei­nung nicht hin­term Berg, dass die Ein­be­zie­hung ande­rer Reb­sor­ten in bei­de Wei­ne von Vor­teil wäre. An Abstim­mung und Aus­spra­che hat­te er nicht teilgenommen.

Fünf Gründe dagegen

Tat­säch­lich ist kei­nes­wegs klar, ob die Ent­schei­dung klug war, in Zukunft nur auf San­gio­ve­se zu set­zen. Die Befür­wor­ter einer Ände­rung führ­ten fünf Grün­de ins Feld, um ihre Auf­fas­sung zu stüt­zen. Ers­tens ist die San­gio­ve­se gene­rell eine schwie­ri­ge Sor­te, die nicht jedes Jahr voll aus­reift und manch­mal dün­ne Wei­ne mit sprö­dem Tan­nin ergibt. Zwei­tens pas­siert dies beson­ders in den Rand­la­gen des Anbau­ge­biets mit unge­eig­ne­tem geo­lo­gi­schen Boden­pro­fil. Drit­tens ist das Anbau­ge­biet von Mon­tal­ci­no in den letz­ten Jahr­zehn­ten gera­de in die­se Lagen aus­ge­wei­tet wor­den. Vier­tens ist der gute Preis wegen der Brunello-Produktion über­pro­por­tio­nal ange­stie­gen (9 Mil­lio­nen Fla­schen), wäh­rend der Rosso, weil öko­no­misch unat­trak­tiv, zu einem „Rest­wein“ wur­de und an Attrak­ti­vi­tät ein­ge­büßt hat (3,6 Mil­lio­nen Fla­schen). Fünf­tens ist der gesam­te Markt für tos­ka­ni­sche Qua­li­täts­wei­ne stark frak­tio­niert, und die neu­en Kon­su­men­ten­na­tio­nen wis­sen oft­mals nicht, was Tra­di­ti­on ist. Und wenn doch, wis­sen sie die­se nicht zu schätzen.

Die Geg­ner des Ände­rungs­be­geh­rens pochen vor allem auf das Argu­ment, dass der Erfolg und das Image des Bru­nel­lo untrenn­bar mit der Sangiovese-Traube ver­bun­den ist – his­to­risch und öko­no­misch. In den Tagen vor der Abstim­mung hat sich – ein­ma­lig in der Welt – eine publi­zis­ti­sche Kam­pa­gne for­miert, in der Jour­na­lis­ten und Kri­ti­ker vor einer Auf­wei­chung des Pro­duk­ti­ons­sta­tuts warnten.

Publizistische Kampagne

„Das stärks­te Argu­ment für die Iden­ti­tät des Rosso di Mon­tal­ci­no ist die Tat­sa­che, dass er zu hun­dert Pro­zent aus San­gio­ve­se besteht“, ließ der eng­li­sche Buch­au­tor Nicho­las Bel­fra­ge („Life Bey­ond Lam­brusco“) die Pro­du­zen­ten in einem Brief wis­sen und mahn­te sie ein­dring­lich, mit „Nein“ zu stim­men. Decanter-Autorin Karin O’Keefe fürch­te­te, dass der Rosso di Mon­tal­ci­no durch inter­na­tio­na­le Sor­ten im Meer popu­lä­rer Sangiovese-/Merlot-Blends unter­ge­hen wer­de. Die zahl­lo­sen ita­lie­ni­schen Wein­blog­ger, die sich im Netz tum­meln, kämp­fen noch heu­te wort­reich für den Erhalt des tra­di­tio­nel­len Rosso-Codes.

Nicht abzu­strei­ten ist, dass die Aus­nah­me­stel­lung des Bru­nel­lo und des Rosso di Mon­tal­ci­no unter den tos­ka­ni­schen Rot­wei­nen auf der beson­de­ren Qua­li­tät der San­gio­ve­se beruht. Mon­tal­ci­no gilt zu Recht als das Anbau­ge­biet, in dem die­se Sor­te ihren höchs­ten Aus­druck fin­det. Doch die­ses Argu­ment hat nur Gül­tig­keit für die Wei­ne von den gro­ßen Ter­ro­irs. Durch die Aus­wei­tung der Anbau­zo­ne von 450 Hekt­ar (1975)  auf 2400 Hekt­ar sind auch Lagen ein­be­zo­gen wor­den, die nicht die Vor­aus­set­zun­gen bie­ten, jedes Jahr Sangiovese-Qualitäten her­vor­zu­brin­gen, wie sie für einen Bru­nel­lo oder für einen Rosso di Mon­tal­ci­no nötig sind. Beson­ders der Rosso kommt häu­fig aus Rand- oder Grenzlagen.

Sant’Antimo wenig erfolgreich

Die­ser Umstand ist den Win­zern von Mon­tal­ci­no durch­aus bekannt. Des­halb haben sie schon 1996 eine Appel­la­ti­on Sant’Antimo DOC gebil­det, deren Gren­zen weit­ge­hend mit der Brunello-Zone iden­tisch sind. Der ent­spre­chen­de Rot­wein kann bis zur Hälf­te aus alter­na­ti­ven Sor­ten gekel­tert wer­den. Dafür darf er weder Rosso noch Bru­nel­lo hei­ßen, son­dern muss unter der unat­trak­ti­ven Bezeich­nung Sant’Antimo Rosso auf den Markt kommen.

Ein gro­ßer Erfolg war den Sant’Antimo-Weinen lei­der nie beschie­den. Des­halb der Ver­such, das Sta­tut des Rosso di Mon­tal­ci­no zu modi­fi­zie­ren, um es für die­se Wei­ne zu öff­nen. Unter dem Namen Rosso di Mon­tal­ci­no erhof­fen sich die Win­zer mehr Erfolg, vor allem Cas­tel­lo Ban­fi, das 242 der 450 Hekt­ar im Anbau­ge­biet Sant’Antimo DOC besitzt. Um even­tu­el­le Nach­tei­le aus­zu­glei­chen, soll­te die Tröpf­chen­be­reg­nung (die in Mon­tal­ci­no gene­rell ver­bo­ten ist) erlaubt und die Vor­schrift, dass die Wein­ber­ge am Hügel lie­gen müs­sen, gelo­ckert werden.

Verlangt der deutsche Markt nach einem weicheren Rosso di Montalcino?

Dass sich damit die Mise­re ändert, bezwei­feln die Geg­ner des Ände­rungs­be­geh­rens vehe­ment – und wahr­schein­lich haben sie Recht. „Durch Ein­be­zie­hung der Sant’Antimo-Weinberge wür­de mehr Reb­flä­che ins Rosso-Kataster ein­ge­schrie­ben“, schluss­fol­gert Jaco­po Bion­di San­ti. „Das Anschwel­len der Rosso-Produktion wür­de den Markt ver­stop­fen. Des­halb bin ich sicher, dass Mon­tal­ci­no nicht nur in image­mä­ßi­ger, son­dern auch in kom­mer­zi­el­ler Hin­sicht eine rich­ti­ge Ent­schei­dung getrof­fen hat.“

Damit ist die Fra­ge noch nicht geklärt, wie der heu­ti­ge Rosso di Mon­tal­ci­no wie­der zu einem Wein wer­den kann, der sei­nes Namens wür­dig ist. „Vie­le Märk­te, vor allem Deutsch­land, Kana­da und Chi­na, ver­lan­gen einen run­de­ren, wei­che­ren Rosso di Mon­tal­ci­no“, sagt Fabri­zio Bin­doc­ci, Direk­tor des Wein­guts Il Pog­gio­ne. „Den Pro­du­zen­ten soll­te erlaubt wer­den, auf die­se Wün­sche einzugehen.“

Die Chianti- und Chi­an­ti classico-Winzer hat­ten schon vor über zehn Jah­ren beschlos­sen, der San­gio­ve­se, die die Basis ihrer Wei­ne bil­det, bis zu 20 Pro­zent ande­rer Sor­ten hin­zu­fü­gen zu dür­fen. Beim Vino Nobi­le di Mon­te­pul­cia­no sind es sogar 30 Pro­zent. Car­migna­no, Pomi­no, Morel­li­no di Scans­a­no und alle ande­ren auf San­gio­ve­se basie­ren­den tos­ka­ni­schen Rot­wei­ne dür­fen mehr oder min­der hohe Antei­le ande­rer Sor­ten ent­hal­ten. Ihr Anse­hen ist viel­leicht nicht so hoch wie das der Wei­ne von Mon­tal­ci­no. Aber unter­ge­gan­gen im Meer inter­na­tio­na­ler Cuvées sind sie nicht.

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