Dienstag, Oktober 8, 2024
15.2 C
München
spot_img

Argyros: kühler Weißwein von der heißen Insel Santorin

Santorin ist ein Touristenmagnet. Doch nur wenige Besucher wissen, dass von der griechischen Ägäis-Insel einige der charakterstärksten Weißweine ganz Europas kommen. Jens Priewe hat einen gefunden, der besonders gut ist.

Weißwein vom Estate Argyros

Das Weingut, von dem dieser Wein kommt, heißt Argyros Estate und liegt rund vier Kilometer vom Flughafen der Insel Santorin entfernt im Landesinneren. Ein Familienbetrieb, der heute von Matthew Argyros in der vierten Generation geleitet wird. Was er auf die Flasche bringt, gehört zum Besten, was Griechenland an Weißwein erzeugt. Mehr noch: Kaum ein anderer Weißwein aus dem Mittelmeerraum besitzt ein so eigenständiges Profil wie er.

Assyrtiko – die Weißweinrebe Santorins

Er wird aus der Assyrtiko-Rebe gewonnen. Sie ist die typische Weißweinrebe Santorins. Zwar wird sie inzwischen auch in verschiedenen Gebieten auf dem griechischen Festland kultiviert. Doch nirgends erreicht sie die Qualitäten wie auf der windumtosten Vulkaninsel inmitten der azurblauen Ägäis.

Santorin

Argyros erzeugte mehrere Assyrtiko-Weine: vom einfachen Atlantiko, der eher ein Durstlöscher ist, über den ausgeprägt fruchtig-mineralischen Assyrtiko bis zum Barrique-vergorenen Premium-Wein. Ich empfehle einen Wein unterhalb des Premium-Assyrtiko. Er heißt einfach Estate Assyrtiko, ist zu 80 Prozent im Stahltank und zu 20 Prozent in 500-Liter-Tonneaux vergoren und zeigt am besten die Besonderheit der Rebsorte und seiner Herkunft: kräftige Zitrusfrucht, unterlegt mit einer rauchigen Note. Dieses Aromenprofil findet sich in allen Weinen dieser Rebsorte wieder. Bei Argyros kommen Stoffigkeit, Dichte und eine markante Säure hinzu. Die Trauben stammen von Rebstöcken, die durchschnittlich 50 Jahre alt und entsprechend kleinbeerig sind. Ein Wein für Anspruchsvolle, die der immer gleich fruchtigen Mittelmeerweine mit ihrer milden Säure überdrüssig sind und Geduld haben, diesen Wein ein paar Jahre liegen zu lassen, wie es zum Beispiel für weiße Burgunder aus Frankreich selbstverständlich wäre.

Aromentief und langlebig

Im Moment ist der 2015er Estate Argyros auf dem Markt. Er ist noch von Primäraromen geprägt wie ein junger Riesling. Nach zwei, drei Jahren, wenn die stürmische Phase vorbei ist, wird er seine Feinheiten entwickelt haben. Ich habe vor ein paar Tagen den 2011er Jahrgang dieses Weins getrunken. Er erreicht jetzt seinen ersten Höhepunkt. Das heißt: Er ist noch vollkommen frisch, deutet aber bereits große Aromentiefe an. Weder in Italien noch in Spanien kenne ich Weißweine mit einer derart starken mineralischen Prägung.

Rebberg auf Santorin
Rebberg auf Santorin

Santorin ist eine Vulkaninsel. Erdgeschichtler haben errechnet, dass sie etwa drei Millionen Jahren durch Absinken der kykladischen Platte entstanden ist. Der Untergrund besteht teils aus erstarrter Lava, Bimsstein und schwarzen Sänden, teils aus Kalksandstei und Marmor. Der Boden ist arm an organischen Substanzen, reich an mineralischen Substraten – also nicht nur bestens geeignet für den Rebbau, sondern auch einmalig im Mittelmeerraum. Ein großer Teil der Reben ist noch wurzelecht. Phylloxera – also eine Reblauskatatstophe – hat es auf Santorin wegen der sandigen Böden nicht gegeben. Das heißt: Es gibt noch viele alte Rebstöcke, und Argyris ist ein Weingut, das besonders viele alten Reben besitzt. Der in Tonneaux vergorene Assyrtiko stammt zum Beispiel von 150 Jahren alten Reben, ebenso die Trockenbeerenauslesen aus sonnengetrockneten Trauben.

Der Wind hat die Reben zu Bodenkriechern gemacht

Zum Weingut gehören 65 Hektar Reben, was für die Insel viel ist. Doch die Reben stehen nicht in aufrechten Zeilen wie auf dem griechischen Festland und wie überall sonst auf der Welt, sondern wachsen in flachen Nestern am Boden. Der Wind, der ständig über die Insel streicht, hat sie zu Bodenkriechern gemacht. Entsprechend gering sind die Erträge. 5000 Kilogramm Trauben pro Hektar sind das Maximum, das die Lesehelfer ernten, nicht selten nur 3500 Kilogramm. Apropos Lesehelfer: Ohne Menschen, die bereit sind, die Weinberge in gebückter Haltung und auf Knien abzuernten, gäbe es auf Santorin keinen Wein.


2015 Argyros Estate
Preis: 19,50 Euro
Bezug: www.griechischer-weinversand-vindusud.de


- Anzeige -spot_img
- Anzeige -spot_img

Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

Must know

- Anzeige -spot_img

Ähnliche Artikel

- Anzeige -spot_img