Wer seinen Wein fünf Jahre lagert, hat normalerweise keine Probleme, den Korken sauber aus dem Flaschenhals zu ziehen – selbst wenn er sich ungeschickt anstellt. Aber schon nach zehn Jahren fangen die Probleme an. Nicht selten bricht der Korken ab. Mal ist er innerlich schon leicht ausgetrocknet, so dass die Korkenzieher-Spindel nicht mehr greift – besonders wenn er sehr fest sitzt.
Mal ist er von Lentizellen durchzogen, die ihn instabil machen. Lentizellen sind die Korkporen. Äußerlich nimmt man sie als schwarze Punkte wahr. Die Poren sind nur die Öffnungen von dahinter liegenden Kanälen, die quer durch den Korken verlaufen. Diese Lentizellen sind Sollbruchstellen. Je minderwertiger ein Korken ist, desto mehr dieser schwarzen Punkte weist er auf. Anders gesagt: desto mehr Sollbruchstellen.
Korken von minderer Qualität
Mir ist es in den letzten sechs Monaten mehr als ein Dutzendmal passiert, dass Korken von alten Weinen beim Ziehen abbrechen. Zufall? Ungeschicklichkeit? Glaube ich nicht. Ich glaube, dass die Korken von minderer Qualität waren. Die Winzer haben beim Kork gespart. Das zeigt meine Sammlung der Korkentrümmer, die ich zu Demonstrationszwecken aufbewahrt und fotografiert habe.
Ich erinnere mich an einen Ausspruch von Michael Mondavi, der, als wir mal bei Käfer in München zusammen zu Abend aßen und einen älteren Jahrgang eines Premier Cru aus Bordeaux geordert hatten. Der Kellner kam verzweifelt an unseren Tisch und zeigte entschuldigend den abgebrochenen Korken: „Never trust a French wine“, versuchte Mondavi ihn zu beruhigen. „They use cheap corks.“ Ich würde die Malaise nicht auf französische Weine beschränken wollen. Cheap corks benutzen auch spanische, italienische, österreichische und – leider sehr häufig – deutsche Weingüter.
Top-Korken müssen 20 Jahre halten…
Wer Weine erzeugt, die für ein langes Leben konzipiert sind wie viele Bordeaux, Burgunder, Kalifornier und natürlich auch hochwertige Rieslinge, sollte seine Flaschen auch mit einem Korken verschließen, der 20, vielleicht auch 25 Jahre zu halten verspricht, finde ich.
Das ist der Winzer dem Kunden schuldig, der viel Geld für den Wein zahlt. Ein Top-Korken Korken muss mindestens 45 Millimeter, besser: 50 Millimeter lang und aus bestem Material hergestellt sein. Das heißt: wenig Lentizellen aufweisen und eine genügend hohe „Rückstellkraft“ haben. So nennt man die Kraft, die ein zusammengepresster Korken im Flaschenhals gegen das Glas ausübt, um die Flasche sicher zu verschließen. In den letzten Jahren haben, so mein Eindruck, viele Weingüter begriffen, wie wichtig ein guter Korken ist. Und sie haben aufgerüstet.
…aber auch auf den Korkenzieher kommt es an
Allerdings muss auch der Weintrinker wissen, dass man alte Weine anders aufmacht als junge. Normalerweise benutze ich als Korkenzieher das Kellnermesser. Es ist der meist empfohlene Korkenzieher. Jeder Sommelier hat ihn in der Hosentasche
Aber für alte Weine ist das Kellnermesser nicht das ideale Instrument ist, um den Korken zu ziehen. Wenn man den ausklappbaren Fuß auf den Flaschenmund setzt und den Korken heraushebelt, ist die Spindel nämlich ganz leicht angeschrägt. Das führt bei maroden Korken dazu, dass sie abbrechen.
Für alte Weine ist ein klassischer Aufsetz-Korkenzieher besser, der die Spindel senkrecht in den Korken dreht und diesen auch senkrecht aus der Flasche hebt. Voraussetzung fürs Gelingen: Die Korkstruktur muss innen fest sein. Wenn das Suberin – der Stoff, aus dem die Zellwände sind – durch Austrocknung mürbe geworden ist, bleibt der Korken im Flaschenhals stecken, während die Korkmasse um die Spindel herum beim Rausheben zerbröselt – gar nicht so selten, wie ich feststellen musste.
Mein Vorschlag: die Korkenspange
Ich benutze für alte Weine daher sicherheitshalber eine Korkenspange. Dieses Instrument ist in den USA gang und gäbe, auch für junge Weine. Bei uns hingegen ist die Korkenspange eine Rarität.
Dabei ist sie für Weintrinker unverzichtbar. Man schiebt die beiden Stahlblätter vorsichtig zwischen Korken und Glas bis zum Anschlag, dreht die Spange ein wenig, um den Kork zu lösen, und zieht ihn dann vorsichtig heraus. Ob der Korken innen ausgetrocknet oder brüchig ist, ist dabei ziemlich egal. Die Spange packt ihn als Ganzes und bugsiert ihn sicher heraus.
Normalerweise. Minderwertige Korken schrumpfen nach 10, 20 Jahren und sitzen oft nur noch locker im Flaschenhals. Wenn man die Stahlblätter der Spange unter den Korken schiebt, drückt man diesen ungewollt in die Flasche hinein. Ist mir jedenfalls häufig passiert. Danach hat man kaum eine Chance mehr, den Korken rauszukriegen. Mann muss ihn ganz in die Flasche stoßen und den Wein karaffieren. Damit beim Umschütten keine Korkbrösel in die Karaffe kommen, muss man ihn dann auch noch durch ein Teesieb laufen lassen. Was für ein Aufwand! Wer das etwas professioneller angehen möchte, nutzt hierfür anstelle des Teesiebs einen Dekantiertrichter.
Guter Kork ist teuer
Zugegeben: ein guter Korken ist teuer. Er kostet locker einen Euro, auch mehr. Viel Geld. Für einen 5-Euro-Wein rechnet sich das nicht. Den lässt man aber auch nicht zehn Jahre lang reifen. Für Große Gewächse, die 30 Euro oder mehr kosten, ist ein hochwertiger Korken dagegen ein absolutes Muss.
Vor 25 Jahren, als ich meine Weine kaufte, sah man das noch nicht so. Da wurde an Details gespart, wo es nur möglich war. Allerdings kosteten die besten Spätlesen renommierter Erzeuger damals auch nur 7,50 Mark.
Jens Priewes Korkentrümmer-Sammlung
Wein muss reifen, heißt es. Aber wehe, man lässt ihn. Es drohen böse Überraschungen, wie Jens Priewes Sammlung der Korkentrümmer aus den vergangenen sechs Monaten zeigt:
2002 Riesling Gräfenberg Kabinett, Weingut Robert Weil: an der Sollbruchstelle abgerissen
2001 Bricco dell’Uccellone, Braida: Glatter Bruch nach 15 Jahren
1999 Cabernet Sauvignon Montebello, Ridge: außen perfekt, innen brüchig
1999 Lagrein Riserva, Erbhof Unterganzner: zu klein und schon sehr stark geschrumpelt
1997 Riesling Smaragd Kellerberg, F.X. Pichler: versteift, unelastisch, abgebrochen
1996 Riesling Schütt, Emmerich Knoll: Nur mit Glück heil aus der Flasche geholt
1996 Schodener Herrenberg Riesling Spätlese, Weingut Herrenberg: zu klein, ausgetrocknet, nicht mehr abdichtend
1995 Toro Gran Elías Mora, Elías Mora: außen top, innen ausgetrocknet und bröselig
1990 Spätburgunder***, Dr. Heger: angebrochener, sich im Prozess der Auflösung befindlicher Korken
1989 Ungsteiner Herrenberg Scheurebe Auslese, Weingut Pfeffingen: ausgetrocknet, hart brüchig
1989 Chateau Monbrison (Cru Bourgeois): äußerlich gut, aber am Lentizellen-Rand gebrochen
1983 Riesling Spätlese Juffer-Sonnenuhr, Fritz Haag: hart, krümelig, unelastisch, aber mit Korkenspange gerettet