Januar 2016
In einem Weinforum antwortet rocketman69 auf einen (harmlosen) Post von weinkenner-Autor Jens Priewe:
„Jeder Wein, der mehr als fünf Euro kostet, ist Abzocke, das solltest du eigentlich wissen. Aber du gehörst wahrscheinlich zu den Millionarios, die immer nur sone 100 Euro Kacke trinken…“
Antwort von Jens Priewe: „Hi rocketman69, ich verrate dir jetzt mal ein Geheimnis, aber behalt es bitte für Dich: Es gibt auch gute Weine über 5 Euro.“
Februar 2016
Anfang des Monats findet sich eine Nachricht aus Wien auf meinem Server, die mir Kopfzerbrechen bereitet. Johanna Lautenschlager schrieb:
„Ich verbringe demnächst einen zweimonatigen Aufenthalt auf Reunion und möchte dort gerne einen österreichischen Heurigenabend machen. Nun gibt es dort aber keinen Grünen Veltliner, den ich für einen G’spritzten hernehmen könnte. Was kann ich als Alternative dafür verwenden, welcher französische Weisswein käme dafür in Frage?“
Als Urlaubs-Muffel musste ich erstmal nachschauen, wo Réunion liegt. Rechts von Madagaskar. Aber Wein scheint es auf der Insel nicht zu geben – außer in den Restaurants oder in Supermärkten. Soll ich Johanna nun kraft meines Expertenstatus zum Heurigenabend einen Muscadet empfehlen, den es vielleicht gar nicht gibt? Oder soll ich ihr schreiben: „Keinesfalls einen Meursault?“
Bei Wikipedia las ich, dass auf Réunion Rum produziert wird. Also schrieb ich Johanna sinngemäß: Vergessen Sie den Heurigenabend. Kaufen Sie eine Flasche Rum, schütten sie zwei Fingerbreit in ein Glas, tun Sie zwei Eiswürfel drauf und einen Schuss Mineralwasser. Dann stecken Sie sich eine Zigarre an und schauen sich den Sonnenuntergang an. Ich garantieren Ihnen: Sie werden den G’spritzten nicht vermissen.
Eine Postkarte hätte Johanna mir schon schicken können, finde ich.
März 2016
Viele SPAMS auf dem weinkenner-Server, wenig Leserpost. Dafür las ich in der englischen Weinfachzeitschrift einen Bericht über eine medizinische Studie, derzufolge erhöhter Rotweinkonsum bei Frauen zur Gewichtsabnahme führen könne. Der typische Wissenschaftsschrott, über den wir uns auf weinkenner.de regelmäßig lustig machen. Ist vielleicht gar nicht nötig. Zumindest beim Decanter gibt es Leser, die solche Meldungen richtig einordnen können, nämlich in die Rubrik „nonsense“. Eine Leserin namens Cheyenne Jones erklärte die gewichtsreduzierende Wirkung roten Weins in einem Online-Kommentar zu dem Artikel beispielsweise so: „In Wirklichkeit ist es nicht der Wein, weswegen man abnimmt. Es ist die anschließende Suche nach dem Auto, wodurch die Pfunde purzeln.“
Der englische Humor wird uns fehlen, wenn der Brexit vollzogen ist.
April 2016
Höfliche Anfrage an die weinkenner-Redaktion:
Ich möchte Sie etwas fragen: Bin im Besitz der Domain www.weinkennerin.de. Wären Sie grundsätzlich interessiert, diese Domain zu erwerben?“
Unsere Antwort war unhöflich kurz: Nein.
Ach so, dann war im April noch diese elitäre Weinprobe in London bei Berry Bros. & Rudd mit alten Jahrgängen von Yquem, Lynch-Bages, Clos Blanc de Vougeot und anderen Granaten. Dabei war auch ein amerikanischer Geschäftsmann, mit dem ich mich nach der Probe unterhielt. Welcher Wein ihm am besten gefallen habe, wollte ich wissen. Er sagt: „In my opinion it was L.A. Mission How Brian…“
Es dauerte eine Sekunde, bis ich begriff, welchen Wein er meinte. Ahnen Sie es, liebe Leser?
Mai 2016
Die en primeur-Verkostungen in Bordeaux sind vorüber, Zeitschriften und Internet voll von Berichten über den Jahrgang 2015. Der Tenor ist durchweg positiv. Doch ein paar Journalisten, die sich unbedingt aus der Masse herausheben wollen, schlagen auch kritische Töne an. Sie bemängeln, dass die 2015er wohl nicht alt werden können und dass sie nicht das Niveau der 2009er und 2010er erreichen. Auf der Internetseite Terredevins las ich eine Replik des französischen Star-Önologen Michel Rolland, von der ich mir gewünscht hätte, dass er sie auf weinkenner.de gepostet hätte:
„Journalisten haben überall den Kontakt zur Realität verloren. Sie schreiben und denken, was sie wollen, but nobody gives a f*** of it…“
Beste Freunde werden er und die Journalisten nicht mehr in diesem Leben.
Juni 2016
Ein Student der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau in Weinsberg nimmt Kontakt zur weinkenner-Redaktion auf:
Hallo,
ich bin Student der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt Weinsberg und muss bis 5. Juli meine Abschlussarbeit einreichen. Ich habe das Thema „Mögliche Auswirkungen des globalen Klimawandels auf den Lesezeitpunkt von Trollinger und Lemberger“ gewählt.
Ihr habt bei weinkenner schon viel über Klimawandel geschrieben, nun wollte ich euch fragen, ob ihr mir eine vollständige Liste aller Artikel schicken könnten, die ihr bis jetzt veröffentlicht habt. Das würde mir sehr helfen.
Vielleicht kennt ihr noch andere Fundstellen, wo was über Klimawandel steht. Für eine Bibliografie wäre ich dankbar oder wenigstens eine Liste von Ansprechpartnern aus Weingütern oder Unis.
Leider eilt es. Ich muss schon in 3 Wochen fertig sein und weiss noch nicht, was ich schreiben soll. Eile wäre darum geboten. Etwaige Kopierkosten übernehme ich (wenn sie nicht zu hoch sind).
Ihr wisst vielleicht auch, wo es interessante freie Stellen auf Weingütern gibt. Dann teilt es mir bitte mit, da ich mich schon intensiv mit der Zeit nach dem Studium beschäftige.
Vielen Dank im Voraus
Antwort: Wenn du wünschst, dass wir dir die Abschlussarbeit schreiben, sag es uns einfach. Wir beeilen uns. Interessante Jobangebote leiten wir dir natürlich auch weiter. Schnellstens. Teile uns nur deine Gehaltsvorstellungen mit.
Juli 2017
Neue Nachricht auf dem weinkenner.de-Server (Original-Orthografie und Interpunktion):
Sehr geehrte Damen und Herren.
Sind Sie so freundlich mich unter der Telefonnummer Bad Godesberg XXXX XXXXX zu kontaktieren.
Ich habe während meiner fast 40jährigen Tätigkeit im Hotelmanagement auf internationaler Basis 12 Jahre USA die besten Hotels wie St. Regis-Sheraton-Hotel, Plaza-Hotel, New York-Sheraton-Hotel gearbeitet.
Vom einfachen Kellner bis zum Asst. Gen. Mgr. alles in USA gemacht.
Den Weinkeller des St. Regis-Hotels 1 1/2 Jahre erfolgreich geführt(Hotelfachschule Dortmund 1965/66 Diplomabschluss).
Expertisen verfasst und Monsieur Phillip Baron Rothschild im Weinkeller als Gast bedient. Sein Buch über seine Weine, sein Museum und seine Familie mit persönlicher Widmung von Ihm persönlich geschenkt bekommen.
Habe ein wunderschönes “Gedicht über den Wein” in drei Sprachen verfasst und möchte dieses Gedicht, in dem alle Fakten über die Herstellung des Weines vereint sind als mein geistiges Eigentum verbreiten und vermarkten. Über eine Rückantwort Ihrerseits würde ich mich sehr freuen.
Mit freundlichen Grüssen
Keine Antwort. Wollte nicht hochmütig und nicht verletzend sein.
August 2016
Anfrage einer (offenbar jungen) Besucherin aus Düren, Email-Kürzel: pb87. Sie ließ uns wissen, dass sie im Keller ihrer Oma, die unlängst verstorben sei, einen Weinschatz gefunden habe. Er bestehe aus drei Flaschen.
„Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir mitteilen könnten, wie hoch der Wert der Flaschen zu veranschlagen ist.“
Ich teilte der Frau mit, dass weinkenner.de keine Weine verkauft, keine Weine ankauft, kein vereidigter Gutachter ist, um Weine einzuschätzen. Allerdings wollte ich die Frau nicht hängen lassen und bat sie höflich um Angabe, um welche Flaschen es sich handele bei ihrem Schatz. Ein paar Tage später kam ein Foto von drei staubbedeckten Flaschen. Immerhin soviel war zu erkennen, dass es sich um einen verschmutzten Niersteiner Domprobst, um einen verdreckten 1962er Kreuznacher Krötenpfuhl und um einen Petit Chablis aus den 1980er Jahren handelte.
Meine Antwort: Wenn Sie die Flaschen von Schmutz und Staub befreien, hätte sie die Chance, auf dem Flohmarkt einen Euro pro Flasche zu erlösen.
Einen Dank für die Auskunft haben wir nicht erhalten.
September 2016
Wieder erreicht uns eine interessante Leser-Mail:
Sehr geehrter Herr Priewe,
sehr geehrte Damen und Herren,
mit großem Interesse hat mein Mann Ihr Buch ‘Wein – die neue große Schule’ studiert und Ihre Website verfolgt.
Als Italiener und Geschäftsmann hat er sich über die Jahre ein breites Spektrum ‘angetrunken’ und möchte seine Kenntnisse fachlich vertiefen, weil sein Freund und unser Nachbar in der Toskana jetzt selbst Wein anbaut und er ihm dabei helfen möchte.
Auch in Hinblick auf ein Leben nach der Pensionierung würde er gern ein Hobby oder mehr daraus machen. Wir erwägen auch, später ganz oder teilweise in Italien zu leben.
Zu seinem 50. Geburtstag möchte ich ihm eine Art ‘Önologieseminar’, ‘Fachreise’ oder Ähnliches schenken.
Die von Ihnen angebotenen Weinreisen wären für ihn nicht ideal: einerseits, weil er im Hinblick auf Weinbau (Bodenbeschaffenheit etc) durch die Kontakte über den Nachbarn schon fundiertes Grundwissen mitbringt – allerdings nur im Chianti DOC – Gebiet.
Des weiteren nehmen wir auf unseren Reisen in Italien bisher immer direkt zu Winzern Kontakt auf und haben auch schon Weingüter besichtigt, die nicht für jeden öffentlich zugänglich sind, weil einfach die Sprachbarriere für uns wegfällt. Auf diese Weise ist mein Mann mit allen Vorgängen im Keller schon bestens vertraut.
Ein klassischer Sommelierkurs wäre auch nicht das Richtige, da er voll berufstätig ist.
Für einen Tipp wäre ich Ihnen sehr dankbar!
Herzlichen Gruß
Keine Antwort. Hätte aber, wenn Kollegen mich nicht gebremst hätten, gern geschrieben: Stelle sofort einen Kontakt zum Lehrstuhl für Weinbau und Önologie an der Universität Geisenheim her zwecks Anmeldung zu Masterprüfung oder Doktorarbeit.
Oktober 2016
Mal keine Leser-Mails. Dafür erheiterte mich bei Falstaff Online am 13. Oktober folgende Meldung:
„Martin Kilchmann als «Blauburgunder des Jahres» ausgezeichnet“.
Na toll! Der Kilchmann, Wein-Chefredakteur von Falstaff Schweiz und ein alter Kollege, hat sich verflüssigt. Ich werde ihn anrufen und fragen, ob ich ihn einmal probieren kann.
Übrigens muss ich an jenem 13. Oktober viel im Internet gesurft sein. Denn auf SPIEGEL Online fand ich eine Überschrift, die mir ebenfalls megamäßig gut gefiel und die ich mir deswegen aufgeschrieben habe. Ein Bericht von Rainer Schäfer über das Weinland Slowenien und die Biodynamie-Seligkeit seiner Winzer war mit den Worten überschrieben:
„Mehr vollmondig als vollmundig“
Boshafte Menschen (wie ich) klopfen sich da vergnüglich auf die Schenkel.
November 2016
Folgende Nachricht fand ich eines Morgens auf meinem Email-Server (Original-Orthografie und Interpunktion):
Hallo liebes Weinkenner Team,
ich habe gerade eine Weinflasche von 1978 gefunden und wollte fragen ob sie mir etwas darüber sagen können.
Auf dem Etiket steht folgendes: Eine Spende von Winzern aus dem Kreis Alzey-Worms im “Weinparadies Rheinhessen“. Dann kommt ein Bild von Richard von Weizecker und darunter steht Rheinhessen 1978er Qualitätswein Abfüller: CDU- Agrarausschuss Alzey-Worms, Albig. Amtliche Prüfungsnummer 4251172179. Oben auf dem Etiket steht Rheinhessische Winzer grüssen die Berliner CDU.
ich hoffe sie können mir evtl was zu dieser Flasche sagen ob sie evtl Wert hat.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort: Bitte an den CDU- Bundesfachausschuss Landwirtschaft und Ländlicher Raum in Berlin schicken mit der Bitte, Qualität und Nachhaltigkeit dieses rheinhessischen Spitzenerzeugnisses durch Verprobung zu überprüfen.
Dezember 2016
Keine Mails mehr bekommen, jedenfalls keine lustigen und keine unverschämten. Aber irgendwo zwischen Weihnachten und Neujahr einen wichtigen Satz gelesen:
Je digitaler unser Alltag, desto analoger werden unsere Wünsche.
Gab mir zu denken. Vielleicht hat mich die Jahresend-Melancholie schon ergriffen.