Pierre Lurton: „Wir sind auch weiterhin auf den Preis fokussiert…“

Pierre Lurton auf Chateau d'Yquem
Pierre Lurton hat vor genau 20 Jahren die Leitung von Château Cheval Blanc in St. Emilion übernommen. Seitdem ist viel passiert. In diesem Jahr wurde zum Beispiel ein neuer, spektakulärer Keller in Betrieb genommen. Und beim Preispoker um den 2010er hat Cheval Blanc in diesem Jahr mit dem höchsten Eröffnungspreis aller Premiers die Öffentlichkeit und den Handel gegen sich aufgebracht. Andrew Black sprach mit Pierre Lurton.

Andrew Black: Die­ses Jahr sind Sie 20 Jah­re an der Spit­ze von Che­val Blanc. Kürz­lich wur­de der neue, unter­ir­di­sche Kel­ler eröff­net, und die Prei­se haben einen neu­en Rekord­stand erreicht. 1991 war die Situa­ti­on etwas anders …
Pierre Lur­ton: 1991 war der größ­te Teil der Trau­ben erfro­ren. Wir haben kei­nen Grand Vin gefüllt. In 1992 haben wir zwar Trau­ben geern­tet. Aber die Trau­ben waren verwässert.
Andrew Black: Erin­nern Sie sich noch an den Eröff­nungs­preis 1992?
Pierre Lur­ton:  Ich glau­be, er lag bei etwa 180 Francs. Das sind weni­ger als 28 Euro heu­te. In 1995 stieg der Preis dann leicht an auf 250 Francs, also 38 Euro. 1996 kamen wir mit 330 Francs raus. Das sind 50 Euro. 1997 gab es dann einen stei­len Anstieg. Der Eröff­nungs­preis sprang auf 500 Francs, was heu­te 84 Euro ent­spricht. Der 1998er Che­val Blanc kam dann mit 90 Euro heraus.
Andrew Black: Wie erklä­ren Sie sich den enor­men Preisanstieg?
Pierre Lur­ton:  Der betrifft ja nicht nur Che­val Blanc. Auch die ande­ren klas­si­fi­zier­ten Gewäch­se sind in den letz­ten zehn Jah­ren um 500 bis 600 Pro­zent gestiegen.
Andrew Black: Dass bestimm­te Wei­ni­ko­nen mit win­zi­ger Pro­duk­ti­on ihre Prei­se noch oben kor­ri­gie­ren, ist ja noch ver­ständ­lich. Aber Che­val Blanc ist kein rarer Wein … (das Châ­teau pro­du­ziert durch­schnitt­lich 6000 Kis­ten Grand Vin, das sind 72.000 Fla­schen, Anm. d. Red.)
Pierre Lur­ton:  Um 1998 began­nen wir,  uns qua­li­ta­tiv zwi­schen Aus­o­ne und Latour und Mar­gaux zu posi­tio­nie­ren. Wir hat­ten das Gefühl, dass wir mit deren Wei­nen auf Augen­hö­he sind. Seit die­ser Zeit sahen sich alle neun Pre­miers als eine Ein­heit. Es herrsch­te eine gro­ße Soli­da­ri­tät unter­ein­an­der. Irgend­wann änder­te sich das. Ich will kei­nen kri­ti­sie­ren, weil Che­val Blanc heu­te auch Allein­gän­ge macht. Aber zu einem bestimm­ten Zeit­punkt scher­ten ein, zwei Châ­teaux aus und betrie­ben eine eige­ne Preis­po­li­tik. Seit­dem ist die Nach­fra­ge für die Pre­miers sehr stark gestie­gen, und die Prei­se eben­falls. Neue Märk­te, vor allem in Asi­en, haben dafür gesorgt, dass die Prei­se auch für Châ­teaux mit gro­ßer Pro­duk­ti­on nach oben wegfliegen.
Andrew Black: An wel­chem Punkt haben Sie gewusst, dass die Prei­se durch die Decke gehen?
Pierre Lur­ton:  Nach­dem wir die 400-Euro-Grenze für den 2005er Jahr­gang durch­bro­chen hat­ten. Die Leu­te haben gesagt, das sei ver­rückt. Jeder glaub­te, das Ende der Fah­nen­stan­ge sei erreicht und die Prei­se wür­den nicht wei­ter stei­gen. Beim 2009er haben wir dann gemerkt, dass der Markt bereit war, mehr zu zah­len. So haben wir Che­val Blanc für 600 Euro ange­bo­ten, und den 2010er dann für noch mehr, 650 bis 700 Euro.
Andrew Black: Woher wuss­ten Sie, dass zu die­sem Preis gekauft wird?
Pierre Lur­ton: Wir bemerk­ten, dass der Wein mit einem gesun­den Auf­schlag wei­ter­ver­kauft wird. Abneh­mer waren bereit, auch 1000 Euro pro Fla­sche zu zahlen.
Andrew Black: Aber nicht die tra­di­tio­nel­len Abnehmer …?
Pierre Lur­ton:  Nein, die nicht. Wir sind oppor­tu­nis­tisch, jawohl. Hin­ter Che­val Blanc ste­hen Finan­ziers (das Châ­teau gehört seit 1998 Albert Frè­re, einem bel­gi­schen Geschäfts­mann, und Ber­nard Arnault, Chair­man des Luxus­kon­zerns LVMH, Anm. d. Red.), und deren Poli­tik ist es, zuerst jene Märk­te zu bedie­nen, die höhe­re Prei­se zah­len. Lei­der sind die Kun­den in unse­ren tra­di­tio­nel­len Abneh­mer­län­dern nicht bereit gewe­sen zu fol­gen. Zumin­dest haben sie nicht die glei­chen Men­gen geor­dert wie vor­her. Gleich­wohl gibt es auch in Frank­reich und in ande­ren euro­päi­schen Län­dern Kun­den, die zu den der­zei­ti­gen Prei­sen kau­fen. Aber statt 24 Fla­schen kau­fen sie nur sechs oder 12 Flaschen.
Andrew Black: Glau­ben Sie, dass die­se Käu­fer den Wein erwer­ben, um ihn zu trin­ken? Oder ist der Wein für sie ein Investment?

Pierre Lur­ton:  Das der­zei­ti­ge Preis­ni­veau heizt die Spe­ku­la­ti­on an. Der Wein wird ver­kauft statt getrun­ken. Wer ihn kauft, weiß, dass er im Preis stei­gen wird. Zudem gibt es Märk­te wie Eng­land, die zwar Che­val Blanc kau­fen, aber nicht für die eige­nen Lands­leu­te, son­dern um den Wein zu reex­por­tie­ren, etwa nach China.
Andrew Black: Eini­ge Wei­ne haben inzwi­schen den Sta­tus von Luxus­pro­duk­ten. Ist das Ihr Ziel?
Pierre Lur­ton:  Da die Châ­teaux nur eine begrenz­te Men­ge pro­du­zie­ren kön­nen, wird der Wein bei gro­ßer Nach­fra­ge schnell knapp. Das betrifft vor allem die Premiers …
Andrew Black: … und nur in gro­ßen Jahrgängen.
Pierre Lur­ton:  Der Preis für den 2006er Jahr­gang ist bei­spiels­wei­se ein­ge­bro­chen, das stimmt. Wir haben den Jahr­gang zu teu­er ange­bo­ten, und jetzt kann er bil­li­ger ein­ge­kauft wer­den als damals bei der Eröff­nung. Das ist nicht gut für die Marke.
Andrew Black: Che­val Blanc war wäh­rend der en primeur-Kampagne 2011 für die Medi­en und den Han­del eine Ziel­schei­be der Kri­tik, weil der Eröff­nungs­preis für den 2010er zu hoch war. Hat das Image von Che­val Blanc dadurch gelitten?
Pierre Lur­ton:  Es ist eine Men­ge Zeugs in Blogs und ähn­li­chen Publi­ka­tio­nen geschrie­ben wor­den. Das stimmt. Es gibt Leu­te, die sind frus­triert, und es gibt Leu­te, die sind glück­lich. Alles was ich sagen kann ist, dass die en primeur-Kampagne für den 2010er für uns nicht schlecht gelau­fen ist. Gleich­zei­tig gebe ich aber zu, dass wir an eine Gren­ze gesto­ßen sind, über die hin­aus uns die Leu­te nicht mehr fol­gen werden.
Andrew Black: War der Preis zu hoch?
Pierre Lur­ton:  Unse­re Poli­tik ziel­te auf den Preis, nicht auf die Märk­te. Die Gesell­schaf­ter von Che­val Blanc stüt­zen die­se Poli­tik. Wenn der Jahr­gang sich nicht schnell ver­kauft, haben wir die finan­zi­el­len Mit­tel, den Stock zu finan­zie­ren. Wenn wir jedoch eine Mar­ken­stra­te­gie ver­fol­gen und den Preis auf natür­li­che Wei­se nach oben füh­ren wol­len, wäre es bes­ser, mit einem etwas nied­ri­ge­ren Preis zu beginnen.
Andrew Black: Wür­de das der Mar­ke Che­val Blanc helfen?
Pierre Lur­ton: Beim 2010er haben waren wir aus­schließ­lich auf den Preis fokus­siert. Aber im Gegen­satz zu frü­he­ren Gepflo­gen­hei­ten haben wir in einer Tran­che ver­kauft. Wir haben unse­re Kun­den nicht gezwun­gen, auf eine zwei­te oder drit­te Tran­che zu warten.
Andrew Black: Wie viel vom Jahr­gang 2010 haben Sie verkauft?
Pierre Lur­ton:  Zwi­schen 90 und 95 Pro­zent. Jetzt kommt es natür­lich dar­auf an genau zu beob­ach­ten, wie viel davon wei­ter­ver­kauft wird. Im Moment wis­sen wir das noch nicht genau. Aber wenn man ins Inter­net schaut, fin­det man 2010 Che­val Blanc für 950 bis 1000 Euro, was eine Bestä­ti­gung unse­rer Preis­po­li­tik ist.

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