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Pierre Lurton: „Wir sind auch weiterhin auf den Preis fokussiert…“

Andrew Black: Dieses Jahr sind Sie 20 Jahre an der Spitze von Cheval Blanc. Kürzlich wurde der neue, unterirdische Keller eröffnet, und die Preise haben einen neuen Rekordstand erreicht. 1991 war die Situation etwas anders …
Pierre Lurton: 1991 war der größte Teil der Trauben erfroren. Wir haben keinen Grand Vin gefüllt. In 1992 haben wir zwar Trauben geerntet. Aber die Trauben waren verwässert.
Andrew Black: Erinnern Sie sich noch an den Eröffnungspreis 1992?
Pierre Lurton:  Ich glaube, er lag bei etwa 180 Francs. Das sind weniger als 28 Euro heute. In 1995 stieg der Preis dann leicht an auf 250 Francs, also 38 Euro. 1996 kamen wir mit 330 Francs raus. Das sind 50 Euro. 1997 gab es dann einen steilen Anstieg. Der Eröffnungspreis sprang auf 500 Francs, was heute 84 Euro entspricht. Der 1998er Cheval Blanc kam dann mit 90 Euro heraus.
Andrew Black: Wie erklären Sie sich den enormen Preisanstieg?
Pierre Lurton:  Der betrifft ja nicht nur Cheval Blanc. Auch die anderen klassifizierten Gewächse sind in den letzten zehn Jahren um 500 bis 600 Prozent gestiegen.
Andrew Black: Dass bestimmte Weinikonen mit winziger Produktion ihre Preise noch oben korrigieren, ist ja noch verständlich. Aber Cheval Blanc ist kein rarer Wein … (das Château produziert durchschnittlich 6000 Kisten Grand Vin, das sind 72.000 Flaschen, Anm. d. Red.)
Pierre Lurton:  Um 1998 begannen wir,  uns qualitativ zwischen Ausone und Latour und Margaux zu positionieren. Wir hatten das Gefühl, dass wir mit deren Weinen auf Augenhöhe sind. Seit dieser Zeit sahen sich alle neun Premiers als eine Einheit. Es herrschte eine große Solidarität untereinander. Irgendwann änderte sich das. Ich will keinen kritisieren, weil Cheval Blanc heute auch Alleingänge macht. Aber zu einem bestimmten Zeitpunkt scherten ein, zwei Châteaux aus und betrieben eine eigene Preispolitik. Seitdem ist die Nachfrage für die Premiers sehr stark gestiegen, und die Preise ebenfalls. Neue Märkte, vor allem in Asien, haben dafür gesorgt, dass die Preise auch für Châteaux mit großer Produktion nach oben wegfliegen.
Andrew Black: An welchem Punkt haben Sie gewusst, dass die Preise durch die Decke gehen?
Pierre Lurton:  Nachdem wir die 400-Euro-Grenze für den 2005er Jahrgang durchbrochen hatten. Die Leute haben gesagt, das sei verrückt. Jeder glaubte, das Ende der Fahnenstange sei erreicht und die Preise würden nicht weiter steigen. Beim 2009er haben wir dann gemerkt, dass der Markt bereit war, mehr zu zahlen. So haben wir Cheval Blanc für 600 Euro angeboten, und den 2010er dann für noch mehr, 650 bis 700 Euro.
Andrew Black: Woher wussten Sie, dass zu diesem Preis gekauft wird?
Pierre Lurton: Wir bemerkten, dass der Wein mit einem gesunden Aufschlag weiterverkauft wird. Abnehmer waren bereit, auch 1000 Euro pro Flasche zu zahlen.
Andrew Black: Aber nicht die traditionellen Abnehmer …?
Pierre Lurton:  Nein, die nicht. Wir sind opportunistisch, jawohl. Hinter Cheval Blanc stehen Finanziers (das Château gehört seit 1998 Albert Frère, einem belgischen Geschäftsmann, und Bernard Arnault, Chairman des Luxuskonzerns LVMH, Anm. d. Red.), und deren Politik ist es, zuerst jene Märkte zu bedienen, die höhere Preise zahlen. Leider sind die Kunden in unseren traditionellen Abnehmerländern nicht bereit gewesen zu folgen. Zumindest haben sie nicht die gleichen Mengen geordert wie vorher. Gleichwohl gibt es auch in Frankreich und in anderen europäischen Ländern Kunden, die zu den derzeitigen Preisen kaufen. Aber statt 24 Flaschen kaufen sie nur sechs oder 12 Flaschen.
Andrew Black: Glauben Sie, dass diese Käufer den Wein erwerben, um ihn zu trinken? Oder ist der Wein für sie ein Investment?

Pierre Lurton:  Das derzeitige Preisniveau heizt die Spekulation an. Der Wein wird verkauft statt getrunken. Wer ihn kauft, weiß, dass er im Preis steigen wird. Zudem gibt es Märkte wie England, die zwar Cheval Blanc kaufen, aber nicht für die eigenen Landsleute, sondern um den Wein zu reexportieren, etwa nach China.
Andrew Black: Einige Weine haben inzwischen den Status von Luxusprodukten. Ist das Ihr Ziel?
Pierre Lurton:  Da die Châteaux nur eine begrenzte Menge produzieren können, wird der Wein bei großer Nachfrage schnell knapp. Das betrifft vor allem die Premiers …
Andrew Black: … und nur in großen Jahrgängen.
Pierre Lurton:  Der Preis für den 2006er Jahrgang ist beispielsweise eingebrochen, das stimmt. Wir haben den Jahrgang zu teuer angeboten, und jetzt kann er billiger eingekauft werden als damals bei der Eröffnung. Das ist nicht gut für die Marke.
Andrew Black: Cheval Blanc war während der en primeur-Kampagne 2011 für die Medien und den Handel eine Zielscheibe der Kritik, weil der Eröffnungspreis für den 2010er zu hoch war. Hat das Image von Cheval Blanc dadurch gelitten?
Pierre Lurton:  Es ist eine Menge Zeugs in Blogs und ähnlichen Publikationen geschrieben worden. Das stimmt. Es gibt Leute, die sind frustriert, und es gibt Leute, die sind glücklich. Alles was ich sagen kann ist, dass die en primeur-Kampagne für den 2010er für uns nicht schlecht gelaufen ist. Gleichzeitig gebe ich aber zu, dass wir an eine Grenze gestoßen sind, über die hinaus uns die Leute nicht mehr folgen werden.
Andrew Black: War der Preis zu hoch?
Pierre Lurton:  Unsere Politik zielte auf den Preis, nicht auf die Märkte. Die Gesellschafter von Cheval Blanc stützen diese Politik. Wenn der Jahrgang sich nicht schnell verkauft, haben wir die finanziellen Mittel, den Stock zu finanzieren. Wenn wir jedoch eine Markenstrategie verfolgen und den Preis auf natürliche Weise nach oben führen wollen, wäre es besser, mit einem etwas niedrigeren Preis zu beginnen.
Andrew Black: Würde das der Marke Cheval Blanc helfen?
Pierre Lurton: Beim 2010er haben waren wir ausschließlich auf den Preis fokussiert. Aber im Gegensatz zu früheren Gepflogenheiten haben wir in einer Tranche verkauft. Wir haben unsere Kunden nicht gezwungen, auf eine zweite oder dritte Tranche zu warten.
Andrew Black: Wie viel vom Jahrgang 2010 haben Sie verkauft?
Pierre Lurton:  Zwischen 90 und 95 Prozent. Jetzt kommt es natürlich darauf an genau zu beobachten, wie viel davon weiterverkauft wird. Im Moment wissen wir das noch nicht genau. Aber wenn man ins Internet schaut, findet man 2010 Cheval Blanc für 950 bis 1000 Euro, was eine Bestätigung unserer Preispolitik ist.

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