Einmal im Leben müsste, wenn es in der Welt gerecht zuginge, jeder ehrliche Weintrinker die Gelegenheit haben, einen Romanée-Conti zu trinken. Erstens wegen des damit verbundenen Genusses. Zweitens: Weil es den Menschen danach leichter fiele, die anderen Weine dieser Welt besser einzuordnen. Dann gäbe es keine Artikel mehr wie den, der vor zwei Monaten in der Süddeutschen Zeitung (Werbeslogan: „Seien Sie anspruchsvoll“) erschien, in dem ein Chianti für 5 Euro aus dem Lidl-Sortiment zum perfekten Wein erklärt und mit 10/10 Punkten versehen wurde.
Der Haken ist, dass man einen Romanée-Conti nicht im Supermarkt kaufen kann. Auch der Weinhändler um die Ecke würde komisch schauen, wenn ein Kunde nach diesem Wein verlangen würde. Er kostet mindestens 10.000 Euro pro Flasche und ist der teuerste Wein der Welt. Sicher, man könnte auch nach Frankreich fahren und beim Weingut um ein Fläschlein nachsuchen. Doch das ist ebenfalls nutzlos.
Die eiserne Pforte an der Place de l’Eglise No. 1 in dem Dörfchen Vosne-Romanée öffnet sich nicht. Und wenn sie sich öffnete: zu kaufen gäbe es nichts, zu trinken ebenfalls nichts – außer einem Glas Wasser vielleicht, weil es im Sommer sehr heiß sein kann im Burgund und das Personal der Domaine höflich und hilfsbereit ist.
Die DRC-Weine sind Luxusartikel geworden
Schlimm für die gebildeten Weintrinker? „Nicht schlimm, aber schade“, gibt Aubert de Villaine gerne zu, der nichts dagegen hätte wenn interessierte, neugierige Weintrinker in den Genuss seines Weins kämen: ein Mann von altem normannischen Adel, hoch gewachsen, aristokratisch-ernster Gesichtsausdruck, in den Augenwinkeln ein paar Falten, die bezeugen, dass er auch lachen kann. Er ist der Senior-Chef und das Oberhaupt eines von zwei Familienstämmen, die sich den Besitz der Domaine de la Romanée-Conti teilen.
Leider gibt es vom Romanée-Conti nur durchschnittlich 5.000 Flaschen.
Von denen möchten rund eine Millionen Menschen (so hoch wird die Zahl der hartnäckigen Fine Wine-Trinker der Welt geschätzt) so viel wie möglich abbekommen. „Glücklich bin ich nicht darüber, dass unsere Weine zum Luxusartikel geworden sind und zunehmend von Etikettentrinkern, Neureichen und Spekulanten erworben werden“, sagt de Villaine betrübt. Aber er sagt auch: „Es gibt wunderbare Village-Weine im Burgund, die sollten die Weintrinker nicht gering schätzen.“
Die Weine werden nicht verkauft, sondern zugeteilt
Die Domaine besitzt neben dem Spitzenwein Romanée-Conti noch 7 weitere Grands Crus an der Côte d’Or, dem Herzstück des Burgunds. Insgesamt werden jedes Jahr durchschnittlich 90.000 Flaschen gefüllt. Verkauft werden die Weine allerdings nicht, sie werden zugeteilt. Gegen Bares natürlich. Aber Geld spielt nicht die entscheidende Rolle bei der Zuteilung. Ausschlaggebend ist, dass der Wein in die richtigen Hände kommt: in die derjenigen, die ihn trinken, und nicht derjenigen, die mit ihm spekulieren wollen. Jedes Land hat einen Exklusiv-Importeur, der entscheidet, ob und wie viele Flaschen eine Person bekommt.
Deutschland erhält 5 Prozent der gesamten Produktion, die Schweiz 2,5 Prozent, Luxemburg 1 Prozent.
Der größte Teil der DRC-Weine bleibt in Frankreich. Der deutsche Exklusivimporteur ist Kierdorfwein im sauerländischen Reichshof. In der Schweiz werden die Weine von Martel in St. Gallen, in Luxemburg von Wengler in Rosport repräsentiert. Wer einer Zuteilung würdig ist, kann sich in vielerlei Hinsicht glücklich schätzen, auch deshalb weil er sicher sein kann, echte DRC-Weine im Keller zu haben.
Wer hingegen auf dem freien Markt sein Glück sucht, muss wissen, dass über den dort gehandelten DRC-Weinen immer ein Fälschungsverdacht liegt. Will sagen: Das Risiko ist groß, dass die Flasche echt und der Inhalt billiger burgundischer Landwein ist. Die DRC-Weine ziehen nämlich nicht nur Kenner magisch an, sondern auch Fälscher.
Emotionen haben keinen Preis
Burgund ist, was den Wein angeht, ein teures Pflaster. Die DRC-Weine machen keine Ausnahme. Der Corton Grand Cru kostet, wenn er irgendwo auf einer Auktion oder bei einem Händler auftaucht, ab 600 Euro aufwärts pro Flasche, Echézeaux und Grand Echézeaux 800 bzw. 1.000 Euro, Romanee St-Vivant und Richebourg 1.500 bzw. 2.000 Euro, La Tâche 3.000 Euro.
Die Frage, ob die Weine den Preis wert sind, stellen nur naive Menschen. Erstens haben Emotionen keinen Preis. Zweitens würden texanische Ölmillionäre, russische Oligarchen, britische Hedgefonds-Manager, indische Stahlmagnaten, chinesische Parvenus und Porsche-fahrende deutsche Chefärzte wesentlich mehr zahlen, wenn sie die Chance bekämen, an ein paar Flaschen zu kommen.
2015 wird in die Reihe der großen Jahrgänge eingehen
So viel vorweg. Ich habe die Domaine de la Romanée-Conti im letzten Sommer besucht und die Weine des Jahrgangs 2015 verkostet, die noch um Fass liegen. „Nie habe ich ein derart perfektes Lesegut gesehen wie in 2015“, sagte mir de Villaine, als wir Treppe hinunter in den alten Keller stiegen, in dem schon die Zisterzienser im 12. Jahrhundert ihre Trauben kelterten.
Zugegeben, die Weine waren noch nicht gefüllt. Ein endgültiges Urteil steht daher noch aus. Aber alle Voraussetzungen für einen großen Jahrgang sind gegeben. Das heißt: 2015 wird mit Sicherheit in die Reihe der herausragenden Jahrgänge eingehen. Also in einer Reihe mit 2009, 2005 und 1999 stehen.
Die Weine
2015 Corton Grand Cru
2015 Echézeaux Grand Cru
2015 Grands Echézeaux Grand Cru
2015 Romanée-St-Vivant Grand Cru
2015 Richebourg Grand Cru
2015 La Tâche Grand Cru
2015 Romanée-Conti Grand Cru
Corton Grand Cru
Fangen wir mit den Corton an, der von drei Grand Cru-Parzellen (Le Clos du Rois, Les Renardes, Les Bressandes) mit insgesamt 2,3 Hektar kommt. Die Domaine de la Romanée-Conti hat die Reben 2008 von der Domaine Prince Florent de Merode aus Aloxe Corton auf Pachtbasis übernommen. Der erste Jahrgang, der in den eigenen Keller vinifiziert und unter eigenem Etikett abgefüllt wurde, war der 2009er – es war (und ist) ein fantastischer Wein: wie alle DRC-Weine in offenen Holz-Cuves spontan vergoren, in leicht getoasteten Burgunder-Piècen der Tonnelerie François Frères ausgebaut und ungefiltert abgefüllt. Der 2015er Corton ist mittelgewichtig mit ausgeprägter Pinot-Nase, viel Sauerkirsche in diesem Stadium, aber auch süße Maulbeernoten. Das Neuholz ist noch sehr präsent, der Wein selbst zartgliedrig und weich (trotz 80 Prozent Ganztrauben-Vinifizierung, also mit Stielen). Insgesamt ein sehr kompletter Wein, seidiger, eleganter, linearer als andere Cortons. Faszinierend. Für mich der beste DRC-Corton nach dem 2009er. Gelesen am 4. September als erster Rotwein-Cru der Domaine.
2015 Echézeaux Grand Cru
Der Echezeaux wurde am 11. und 12. September als letzter Weinberg geerntet. Der 2015er hat mich staunen lassen, weil er in der Betriebshierarchie ganz unten steht, dafür aber überraschend üppig ausfällt – viel üppiger als der Grands Echézeaux zum Beispiel, der in der Hierarchie eine Stufe höher angesiedelt ist. De Villaine sagt, der Boden in der Lage Echézeaux sei sandig durchmischt, daher die kräftigere Struktur.
Auf mich wirkt dieser Wein fabelhaft, ja grandios: blaue und rote Früchte, dazu ein Veilchen-Aroma und Earl Grey-Noten. Ich weiß nicht, weshalb man 20 Jahre warten soll, um ihn zu genießen. Von Bertrand de Villaine, Auberts designiertem Nachfolger, erfahre ich, dass dieser Wein immer sehr extrovertiert ist. Der am frühesten trinkbereite, allerdings auch am wenigsten komplexe im Portefeuille der Domaine. Mag sein. Mich hat der Wein regelrecht „weggeblasen“ – so beeindruckt war ich von ihm.
2015 Grands Echézeaux Grand Cru
Ebenso tief beeindruckt hat mich der Grand Echézeaux, obwohl er ganz anders ist als sein kleinerer Bruder: weniger reich, dafür feiner, zarter, subtiler: in der Nase Veilchenpastillen und kandierte Kirsche, am Gaumen Rote Bete und Walderdbeeren, Champignons, Wild. Ein sinnlicher, verspielter Wein, ausgesprochen „salziger“ Wein, der plausibel erscheinen lässt, weshalb man DRC-Weine nie vor 20 Jahren trinken sollte.
Die Aromastruktur wird, wenn der Wein erstmal auf der Flasche ist, wechseln, der Wein sich dabei verfeinern. Aber sein Charakter bleibt. Wenn Bezugsscheine für ihn ausgegeben würden, würde ich mich notfalls auch eine Nacht lang anstellen, um einen zu bekommen.
2015 Romanée-St-Vivant Grand Cru
Wieder ganz anders der Romanée-St-Vivant, der gleich am Dorfrand gleich hinter dem alten Kelterhaus wächst, das heute der Sitz der Domaine ist. Der Wein ist in 2015 zu 100 Prozent mit Stielen vergoren und hat lange – 3 Wochen – auf der Maische gestanden. Für mich wirkt er mager, knochig, asymmetrisch, hinterlässt wenig Spuren am Gaumen. „Man kann nicht sagen, dass er schlecht ist“, wirft Bertrand de Villaine vorsichtig ein. „Er ist nur anders. Femininer. Er besitzt extrem viel Power und Finesse.
Im Moment ist er vielleicht etwas verschlossen.“ Wahrscheinich hat er Recht. Aber ich bin nicht der Erste, der die wahre Größe dieses Grand Cru nicht sofort erkennt. Auch andere Kritiker unterschätzen diesen Wein regelmäßig. Dabei sollte ich es eigentlich wissen. Vor 20 Jahren habe ich den 1979er Romané-St-Vivant mit Aubert de Villaine zusammen in der (damals) einzigen Auberge in Vosne-Romanée getrunken – unvergesslich.
Der Wein bestand zu einem Viertel aus Depot und Dreiviertel malzig-süßem Fruchtelixir, der seidig und samtig über den Gaumen lief. „Das Depot kann man bei einem Burgunder mittrinken“, belehrte mich de Villaine damals.
2015 Richebourg Grand Cru
Dann der Richebourg, ein 3,51 Hektar großer Weinberg direkt neben der Spitzenlage Romanée-Conti. Nur ein fünf Meter breiter Pfad trennt die beiden Rebflächen von einander. Der Boden unterscheidet sich nur in Nuancen, aber der obere Teil ragt höher in den Hang hinein und ist steiler. Tatsächlich ist der Richebourg dem mythischen Romanée-Conti von allen DRC-Weinen am ähnlichsten (auch wenn er nur ein Fünftel dieses kostet).
Ein kraftvoller, muskulöser Wein, der mehr dunkle Früchte im Bouquet aufweist als der Romanée-St-Vivant: mehr Blaubeeren, mehr schwarze Johannisbeeren, weniger Himbeeren. Gleichzeitig ist er erdiger als dieser mit Würzdüften von Moschus, Lakritz und orientalischen Rauchnoten. Von allen DRC-Weinen ist er für mich der Ungestümste. Bertrand de Villaine nickt: „Richebourg ist komplex, aber nicht kompliziert. Sein Onkel fügt hinzu: „Der Richebourg lächelt einen immer irgendwie an.“
2015 La Tâche Grand Cru
Wenn man Vosne-Romanée als das Zentrum der Côte de Nuits ansieht, ist La Tâche einer seiner brillantesten Vertreter. Die Domaine besitzt seit 1933 ein Monopol auf diese Lage, die mit 6,02 Hektar der größte Grand Cru der Domaine ist. Aus dem Fass wirkt der La Tâche streng. Ein vertikaler Wein, dessen Spektrum von roten und blauen Früchten bis hin zu Teer, Wild, Eisen und Holzkohle reicht, dazu ein paar grüne Noten von Wildkräutern und frisch gemähtem Gras. Man spürt aber die Aromentiefe.
Das Überraschende an diesem Wein ist, dass er bei aller Komplexität ziemlich schlank ist. Kein Kraftprotz wie der Richebourg und nicht so ausladend wie der Echézeaux. Trotzdem: Zum Niederknien ist der La Tâche für mich in diesem frühen Stadium nicht. Ich sage offen, dass er mich ein wenig enttäuscht, was Aubert de Villaine mit einem hintergründigen Schmunzeln quittiert: „Das sagte der alte Troisgrois (Anm.: 3-Sterne-Koch) auch immer vom La Tâche, von dem kriege man kalte Füße.“
2015 Romanée-Conti Grand Cru
Der Romanée-Conti ist der Höhepunkt eines jeden DRC-Tastings. Dieser Grand Cru – ebenfalls eine Monopollage der DRC – ist mit rund 10.000 Euro der mit Abstand teuerste Wein der Domaine (wohl auch der teuerste Wein der Welt). Sein Charisma rührt daher, dass schon Ludwig IV. und der ganze Pariser Salon im 18. Jahrhundert ihn wie eine schöne Frau verehrten und begehrten, und der Bourbonenprinz Louis François de Conty das Zehnfache des damals üblichen Preises für die gerade mal 1,81 Hektar große Parzelle zahlte.
Gemessen an dieser Historie, kommt mir der Wein, wenn er im dunklen Keller aus der Pipette ins Probierglas läuft, fast ein bisschen einfach vor. Schöne Pinot-Nase, seidige Textur, gefällige Frucht: ein netter, scheinbar geheimnisloser, fast gefälliger Wein, der wunderbar samtig über den Gaumen läuft und eine verführerisch süße Pinot-Note hat. Aber magisch? Wenn ich den Romanée-Conti nicht schon ein paar Mal sowohl jung als auch gereift getrunken hätte und nicht wüsste, was für ein festlicher, ja theatralischer Tropfen er in Wirklichkeit ist, würde ich ihn beim ersten Schluck total unterschätzen.
Ein paar Minuten später lässt er dann schon ein wenig ahnen, was in ihm steckt: in der Nase ein Cocktail von roten und blauen Beeren, Rote Bete, Trüffel, Schwarzbrot, dazu feine Noten von Nelken, Kreuzkümmel, Weihrauch. Trotzdem frage ich mich: Ist er nicht ein wenig zu linear? Fehlen nicht die Schnörkel, die Arabesken, die Facetten? Aubert de Villaine schaut mich milde an und sagt: „Der Romanée-Conti wird, solange er jung ist, gern unterschätzt, weil er so transparent, so symmetrisch ist. In Wirklichkeit gibt es keinen pureren Ausdruck der Pinot Noir als ihn. Er ist nie reich, aber hochkomplex.“
16 Fässer habe ich gezählt, die in dem Keller liegen. Macht rund 4.800 Flaschen. Sie werden 2018 freigegeben. Wenn der asiatische Markt bis dahin nicht wegbricht und der amerikanische nicht schwächelt, werden die Preise noch einmal steigen – nicht nur für den Romanée-Conti selbst, auch für die anderen DRC-Weine. „Ich bin jetzt 77“, sagte Aubert de Villaine. „Um seinen Höhepunkt zu erleben, muss ich mindestens 97, vielleicht auch älter werden.“
Sehr cooler und ehrlicher Text!!
Einen Romanée Conti zu geniessen ist denke ich eine Ehre!
Wer nicht so viel Geld hat und trotzdem Burgunderluft riechen möchte kann das bei Fritz Wassmer in Bad Krotzingen den Fritz Wassmer und seine Pinot Noir Reben sind von echten Klonen aus Romanée Conti.
Fritz Wassmer hat seine Sporren als junger Winzer auf Romanée Conti abverdient und so kam er zu Klonen aus diesem Rebberg.
Die Weine sind dicht harmonisch und sie unterscheiden sich stark durch ihte Komplexität und ihre Kraft von den Spätburgundern aus dem Markgräflerland.
Eben, echte Burgunderreben.
Zu kaufen gibt es die Weine bei Fritz Wassmer selbst, oder in der “Alten Wache” am Münsterplatz in Freiburg, wo man sie auch verkosten kann.
Ueli Rüegger
Weinsommelier
Bei Pibarnon fand ich den Roten nicht ganz so schlecht wie den Rose. Aber ich war naturlich trotzdem enttauscht, denn nicht ganz so schlecht ist eigentlich keine Beschreibung, mit der sich Pibarnon rumschlagen sollte.