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Syrah versus Shiraz: Und der Sieger ist…

Niemand in der Runde  wusste, in welchem der Gläser sich dieser Wein befindet. Die Weine wurden anonym eingeschenkt. Vier Flights mit bis zu sieben Weinen. Und dann das große Rätselraten danach: In welchem der Gläser befinden sich Chapoutier, Chave, Jaboulet, Guigal, Penfolds Grange? Alle diese Erzeuger waren mit ihren Weinen in der Probe vertreten. Das war den anwesenden Kritiker vorher mitgeteilt worden.

Die Verkoster waren keine Greenhorns

Aber auch für erfahrene Verkoster ist es nicht leicht, die einzelnen Weine korrekt zu identifizieren. Sicher, es sind Weine, die man nicht jede Woche trinkt. Dazu sind sie zu rar und zu teuer. Eine Flasche von Penfolds Grange kostet inzwischen mindestens 350 Euro, Chapoutiers Ermitage über 300 Euro, Chaves Hermitage sogar fast 500 Euro. Andererseits waren die Verkoster keine Greenhorns: Stephen Brook (Decanter), Jancis Robinson (Financial Times), Sophie Otten (Le Pan), Peter Moser (Falstaff), Andreas Keller (Schweiz am Sonntag) zum Beispiel. Jeder von ihnen hat diese Weine schon ein Dutzendmal im Leben getrunken – mindestens.

Selbst das vermeintlich Leichte fiel der Runde im Londoner Mandarin Oriental Hotel merkwürdig schwer: die australischen Shiraz von den europäischen Syrah zu unterscheiden. Rhône-Weine sind in der Regel weniger alkoholreich, trockener und – im Falle des wohl berühmtesten Rhône-Syrah, des Hermitage (oder „Ermitage“ in der früheren Schreibweise) – an den typischen Graphit-Noten zu erkennen. Australische Shiraz sind dagegen wuchtiger, süßer und oft an einem charakteristischen Eukalyptuston zu erkennen. So die Theorie.

Auch die Experten lagen oft daneben

Geöffnete Flaschen der ProbeDie Praxis sah so aus, dass die Experten manchmal richtig, manchmal spektakulär daneben lagen. Bei dem oben erwähnten unbekannten Wein lagen sie häufig daneben. Mal wurde er für einen klassischen Rhône-Wein gehalten, mal für einen Grange. Beides ist er nicht. Er heißt Alttus und kommt vom Finniss River in Südaustralien: ein kleines, kaum bekanntes Anbaugebiet auf halbem Weg zwischen Adelaide und Coonawarra, genauer gesagt: zur Halbinsel Fleurieu gehören, also nahe der Antarktischen See gelegen.

Jancis Robinson, die vielleicht beste Kennerin australischer Weine in der Runde, hielt den Alttus gleich zweimal für einen Rhône-Wein, und zwar „definitiv“, wie sie in ihrer kürzlich erschienenen Kolumne in der Financial Times schrieb. Gleichzeitig war sie sich sicher, dass sowohl Chapoutiers Ermitage „Le Méal“ als auch der Ermitage „L’Ermite“ australischen Ursprungs sind. Und sie war nicht die einzige in der Runde, die sich irrte.

Keiner kannte den Alttus

2009 AlttusSei’s drum. Von den 24 Weinen boten 23 höchstes Syrah-Niveau. Nur Jean-Louis Chaves 2003er Hermitage patzte. Er war viel zu weit entwickelt, fast schon ausgezehrt. Vielleicht lag es an der Flasche, vielleicht an der Lagerung. Und der ominöse Alttus? Den 2003er wertete ich höher als Penfolds Grange, den 2009er genauso hoch. Jancis Robinson gab zu, den Alttus sogar zweimal dem Grange vorgezogen zu haben. Verrückt! Zumal das Preisverhältnis zwischen beiden Weinen ungefähr 1:4 ist.

Das Weingut, das den Alttus erzeugt, heißt Salomon Estate. Es wurde erst 1995 gegründet. Damals kauften Berthold Salomon und seine Frau Gertrud 50 Hektar Land in der Hügelzone um den Finniss River. 15 Hektar wurden mit Reben bepflanzt, größtenteils Shiraz, aber auch Cabernet Sauvignon, Mourvèdre, Grenache sowie ein wenig Viognier. Die erste Lese war 1998. Seitdem werden jedes Jahr ein gutes halbes Dutzend Weine erzeugt, teils reinsortig, teils Cuvées*. Der Topwein ist der Alttus. Er kommt von der höchst gelegenen Parzelle des Besitzes und wird nur in besten Jahren abgefüllt. 2001 war der erste Jahrgang. Danach folgten 2003, 2005, 2009.

*Die Weine von Salomon Estate sind in Deutschland erhältlich bei:
Grünberger Weinhandlung, Grünberger Str. 18, 10243 Berlin, Tel.: 030-20050613, www.gruenberger-weinhandlung.de
, sowie WIP Weinimport (Großhandel), Keitumer Landstraße 32, 25980 Sylt, Tel. 04651-93980, www.wein-wip.de.

Weinberge nahe der Antarktischen See

Berthold und Gertrud SalomonWer ist Berthold Salomon? Er stammt aus einer der ältesten Familiendynastien Österreichs. Die Salomons besitzen unter anderem das Weingut Undhof in Krems, aus dem feinste Grüne Veltliner und Rieslinge kommen. Lange Jahre war Salomon Direktor bei der Schlumberger AG in Wien, danach Geschäftsführer der Österreichischen Weinmarketing Gesellschaft (ÖWM). Nach dem Ausscheiden aus der ÖWM wollte er im Weinbereich bleiben. Da der Undhof von seinem Bruder geleitet wurde, entschlossen er und seine Frau sich, nach Australien zu gehen – „möglichst in die Nähe des Ozeans“ – wie Gertrud es sich wünschte.

Doch kaum  angekommen, teilte der Bruder ihnen mit, dass seine Kinder kein Interesse an der Weiterführung des Betriebes in Krems hätten. Also ruderte Berthold zurück und übernahm den Undhof. Seitdem sind die Salomons Februar und März in Australien und verbringen den Rest des Jahres in Österreich.

Finniss RiverDie Idee, seine Finniss River-Weine mit anderen bekannten Syrah-Weinen zu messen, hatte Salomon schon vor längerer Zeit. Vor allem wollte er wissen, wo der Alttus einzuordnen ist. Die Lösung: eine vergleichende Blindprobe. Und zwar dort, wo die international erfahrensten und gewieftesten Weinjournalisten zu Hause sind: London. „Eine selbstmörderische Degustation“, ahnte Salomon mit Blick auf die anderen Weine in der Probe. Er wusste, worauf er sich einließ. Aber er wusste auch, dass er keine Angst zu haben brauchte.

 

Warming Up: 2009, 2010, 2012


2009 Hermitage „Petite Chapelle“ | Paul Jaboulet
Schöne Nase mit viel Kirschfrucht und Gewürzen, leicht und unkompliziert zu trinken, ein bisschen locker gewoben und nicht übermäßig ehrgeizig.
Preis: ca. 70 Euro
Bewertung: 92 Punkte


2010 Finniss River Shiraz | Salomon Estate
Salomons Top-Shiraz unterhalb des Alttus: konzentrierter, sehr komplexer Wein mit viel blauen Früchten, gut integriertem Tannin, weich und warm und trotz seiner Power leicht zu trinken: elegant und substantiell.
Preis: 45 Euro
Bewertung: 93 Punkte


2010 Syrah Rosso Toscana „Suisassi“ | Duemani
Einer der zwei besten Syrah Italiens, gewachsen nahe Bolgheri in der Toskana: recht tanninbetonter Wein mit feinem, süßem Bouquet, vielen Muskeln und salzig-erdiger Würze, mediterraner Stil.
Preis: 75 Euro
Bewertung: 94 Punkte


2012 Finniss River Shiraz | Salomon Estate
Etwas reduziert in puncto Fülle und Komplexität, auch tanninärmer als der 2010er, aber dadurch elegant und leicht zu trinken.
Preis: 36 Euro
Bewertung: 90 Punkte


Full Heat: 2003


2003 Côte Rôtie „Château Ampuis“ | E. Guigal
Mächtig, wuchtig, dabei aber erstaunlich frisch und sauber, sehr feines, elegantes Tannin, vollkommene Balance.
Preis: ca. 128 Euro
Bewertung: 94 Punkte


2003 Hermitage | Domaine Jean-Louis Chave
Relativ hellfarbig, Nase leicht oxydiert, kompottig mit vielen Rumtopfaromen, war mal ein schöner Wein.
Preis: ca. 490 Euro
Bewertung: 88 Punkte


2003 Ermitage „Le Méal“ | M. Chapoutier
Der dunkelste Wein in diesem Flight, opulent, jung, fast frisch, Aroma von reifen Pflaumen und süßen Maulbeeren, vanillig-kräuterhafte Würze, voller Wohlgeschmack. Packender Wein, der noch längst nicht auf dem Höhepunkt ist.
Preis: ca. 200 Euro
Bewertung: 98 Punkte


2003 Alttus | Salomon Estate
Tieffruchtiger, perfekt gereifter Wein mit Noten von Datteln, Gummi, Teer, aber auch von frischen Beeren, langsam ins Süßliche tendierend, weiches, mürbes Tannin, jetzt perfekt.
Preis: ca. 110 Euro
Bewertung: 95 Punkte


2003 Hermitage „La Chapelle“ | Paul Jaboulet
Noch immer druckvoll, aber nicht erschlagend mit faszinierendem Aromencocktail von Hagebuttentee, schwarzen Johannisbeeren, Nougat, Bleistiftspitze: jede Facette ein Genuss.
Preis: ab 140 Euro
Bewertung: 95 Punkte


2003 Grange | Penfolds
In der Nase flüchtige Säure, ansonsten reich, üppig, mit viel frischer Frucht und einem Hauch von Spearmint: Monsterwein, nicht perfekt balanciert.
Preis: ab 320 Euro
Bewertung: 92 Punkte


High Speed to Paradise: 2009


2009 Syrah Rosso Toscana „Suisassi“ | Duemani
Reich, aber nicht überladen: viel Süßlakritz und Teer in der Nase, dazu rote Beeren und wilder Flieder mit schokoladiger Würze, bei aller Üppigkeit nicht auseinanderfallend, sondern vom Tannin sicher zusammengehalten: prunkvoller Wein!
Preis: 75 Euro
Bewertung: 96 Punkte


2009 Côte Rôtie „Château d’Ampuis“ | E. Guigal
Wohltemperierter, nicht allzu üppiger Wein mit frischer Beerenfrucht und schiefriger Würze, im Hintergrund feinstes Tannin: sehr eleganter, fast „vorsichtiger“ Wein.
Preis: ca. 120 Euro
Bewertung: 94 Punkte


2009 Grange | Penfolds
Kraftvoll, konzentriert mit süßem, weichen Tannin und feinen Gewürznoten, dabei von disziplinierter Fülle: kein exzessiver Shiraz, eher elegant-europäisch.
Preis: ca. 350 Euro
Bewertung: 95 Punkte


2009 Côte Rôtie „La Landonne“ | René Rostaing
Sehr homogener, gut gebauter Wein, klar strukturiert, gnadenlos sauber, ohne jede Arabeske: noch jung, aber jetzt schon eine erkennbare Punktlandung.
Preis: ca. 160 Euro
Bewertung: 95 Punkte


2009 Ermitage „L’Ermite“ | M. Chapoutier
Reich und mitreißend mit viel Biss, hochkomplexe Nase mit Rote Bete, Waldbeeren, Teer, Pfefferminz: Sixpack-Wein.
Preis: ab 300 Euro
Bewertung: 96 Punkte


2009 Alttus | Salomon Estate
Extrem konzentriert, purer Extrakt mit viel Süße und exotischem Holz, noch fest im Griff des Tannins und deshalb zu schade, um ihn jetzt zu trinken. Wird aber ein ganz großer.
Preis: 79 Euro
Bewertung: 95 Punkte


2009 Hermitage | E. Guigal
Der einfachste Hermitage von Guigal, nicht ganz so bezwingend wie der La Chapelle, aber dennoch ein eleganter Wein mit viel Konfitüre-Noten, aber auch Hustensaft und Graphit sowie toughem Tannin: fehlt etwas die Mitte.
Preis: ab 60 Euro
Bewertung: 92 Punkte


Just started: 2010


2010 Côte Rôtie „Ampodium“ | René Rostaing
Ein Wein wie ein durchtrainierter Sportler, muskulös, kraftvoll, schlank und ohne Fettpölsterchen, viel süße Geleefrucht in der Nase, dazu leicht rauchig wie ein abgebranntes Streichholz: noch junger, aber raffinierter Wein, typisch Nördliche Rhône.
Preis: ab 70 Euro
Bewertung: 94 Punkte


2010 Hermitage „La Chapelle“ | Paul Jaboulet
Erstaunlich offen schon in der Nase mit Noten von braunem Zucker, Schokolade, dunkler Konfitüre, aber auch frischer Beerenfrucht, dabei dicht und irre konzentriert, ohne erschlagend zu sein.
Preis: ab 210 Euro
Bewertung: 97 Punkte


2010 Hermitage „Domaine de Tourettes“ | Delas
Knorriger, erdbetonter Wein, nicht übermäßig tieffarbig, leicht krautig mit Massen von Tannin, aber reduzierter Fülle, sehr puristisch: schwer antrinkbar jetzt, doch vermutlich ein großer, eleganter Wein nach ein paar Jahren.
Preis: ca. 85 Euro
Bewertung: 94 Punkte


2010 Syrah Rosso Toscano | Tua Rita
Der zweite große Syrah Italiens, aus dem Anbaugebiet von Suvereto kommend: in der Nase ein Cocktail von Cassis, Pflaumen, Teer, dazu viel mediterrane Würze, ummantelt von dichtem, gesunden Tannin. Ein Wein, der mit Power und Extrakt brilliert, nicht mit Geschmeidigkeit.
Preis: ca. 150 Euro
Bewertung: 95 Punkte


2010 Alttus | Salomon Estate
Ganz großer Jahrgang nicht nur an der Rhône, sondern auch in Süd-Australien: druckvoller und gleichzeitig weicher  Wein mit schneidiger Aromenvielfalt, Pflaume, Johannisbeere, Schokolade, Eukalyptusöl, zumindest vorne sehr schön, es fehlt ein bisschen die Mitte.
Preis: ca. 95 Euro
Bewertung: 93 Punkte


2010 Grange | Penfolds
Das Meisterstück von Penfolds, von Parker und anderen mit 100 Punkten geadelt: überraschend präsent schon jetzt mit viel Pflaume, Maulbeere, Nelken, Tabak, Minze in der Nase,  ansonsten sehr reich, fast opulent – ein überwältigender Wein.
Bewertung: 98 Punkte


2010 Ermitage „Le Méal“ | M. Chapoutier
Reduzierter, sehniger Wein, ganz anders als der 2003er, nicht übermäßig extrahiert, aber sehr straff mit viel Mineralität und hoher Eleganz: auf seine Art perfekt.
Preis: ca. 250 Euro
Bewertung: 97 Punkte


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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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