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Pfalz Riesling GG 2014: viele große, aber auch kleine Gewächse

Die Großen Gewächse (GG) aus der Pfalz gehören zum Besten, was Deutschland im Jahr 2014 hervorgebracht hat. Der warme Winter, der frühe Austrieb, die teils kräftigen Niederschläge in der Vegetationsperiode, der nicht zu heiße Sommer und die kühlen Septembernächte – in 2014 passte nahezu alles. Die besten Rieslinge verbinden Fülle und Feinheit in einer Perfektion, wie es sie nicht jedes Jahr gibt.

Blick auf die Lage Forster Ungeheuer
Blick auf die Lage Forster Ungeheuer

Im Vergleich zu 2013 sind die Säuren weiniger und moderater, die Alkoholgehalte etwas höher, die Weine insgesamt zugänglicher und leichter verständlich – zumindest an der Mittelhaardt. Der einzige Makel des Jahrgangs besteht darin, dass es, wie es im Hause von Buhl heißt, praktisch keine edelsüßen Weine gibt. Die Trauben waren gesund, Botrytis trat nur sehr vereinzelt auf.

Schwierige Südpfalz

In der kühleren Südpfalz dagegen scheinen die Dinge nicht ganz so einfach gewesen zu sein. Aus Angst vor Fäulnis begannen viele Winzer schon früh mit der Lese. Das Resultat: leichte Weine mit teilweise sehr hoher Säure, die nicht selten im Keller korrigiert werden musste. Wer mit der Lese jedoch wartete und die faulen Trauben vor der eigentlichen Lese entfernte, konnte am Ende auch dort satte, reife Weine ernten. Allerdings haben bei der Vorpremiere, auf die sich mein Urteil gründet, nicht alle Südpfälzer VDP-Winzer ausgestellt. Es fehlten Siegrist, Bernhart, Fritz Becker.

Highlight-Weine aus der Mittelhaardt

Frisch gelesene Riesling-TraubenDie Top-Weine kommen jedoch diesmal aus dem Norden. Schon bei den Rieslingen von Philip Kuhn und Knipser muss man sich zusammenreißen, um über die Begeisterung nicht Distanz und Sachlichkeit zu verlieren. Die ganz großen Highlight-Weine kommen allerdings  – wenig überraschend – aus Deidesheim, Forst und Gimmeldingen. Bürklin-Wolf und von Winning haben Kollektionen vorgelegt, die kaum noch Wünsche offen lassen. Reichsrat von Buhl hat seinen eigenen Stil. Die Weine sind schnörkellos und kompromisslos trocken ausgebaut, zeigen eigentlich erst ein Jahr später, welches Potenzial in ihnen steckt. Bassermann-Jordan hat mich dieses Mal nicht überzeugt. Die Weine sind zu reduktiv, zu vordergründig. Viele Kritikerkollegen loben sie über den grünen Klee, weil sie sich auch im jungen Stadium schon mundgerecht präsentieren. Acham-Magin und Mosbacher haben mich mit ihrer stillen, unaufdringlichen Art mehr überzeugt.

Ein sicheres Urteil ist allerdings in diesem frühen Stadium schwierig. Es können höchstens erste Eindrücke gesammelt werden. Für differenzierte Urteile braucht es mindestens noch ein Jahr. Ich bitte deshalb die Winzer um Nachsicht, wenn ein Urteil mal zu hart ausfällt. Und die Leser bitte ich um Entschuldigung, dass meine Verkostungsnotizen, die Sie auf der nächsten Seite einsehen können, manchmal etwas pauschal und allgemein gehalten sind.

2014 Riesling Großes Gewächs Pfalz


Region Ort Weingut Beschreibung Punkte
Forst Pechstein Dr. Bürklin-Wolf Saftig, dicht mit noch weitgehend verborgener Hintergrundmineralität, gut eingebetttete Säure, kräftig und dabei doch finessereich, sichere Bank. 95
Forst Pechstein von Winning Kräftiger Körper mit viel innerer Feinheit, raffinierte, leicht rauchige Frucht, hervorragende Substanz: routinierte Spitzenqualität. 95
Forst Kirchenstück Von Winning Staubig-blumiges Bouquet, Terroirnoten nur angedeutet, cremig-fruchtige Fülle, powerful, unendlich lang. 95
Ruppertsberg Reiterpfad „In der Hohl“ Reichsrat von Buhl Erstmalig als GG vinifiziert: mächtiger Wein voller Finesse und Frucht, geballte Riesling-Power, herzhafte Säure mit vielen Bodennoten, sehr trocken: ein Riesling mit ganz großem Atem. 94
Forst Jesuitengarten von Winning mitreißender, in jeder Hinsicht reicher, verführerischer Wein, powerful und auch jetzt schon von bezwingendem Charme. 94
Forst Jesuitengarten Acham-Magin Schon im Bouquet faszinierend, am Gaumen dann druckvoll und lang mit viel frischer Mineralität und Kräuterwürze, begeisternd. 94
Forst Pechstein Acham-Magin Verhalten mineralischer Wein, vorne schmelzig-süß, am Gaumen trocken mit herben Bodennoten, wirkt derzeit etwas glanzlos, für mich ein typischer sleeper of the vintage. 93
Forst Pechstein Reichsrat von Buhl Ungeschminkt, schnörkellos, mineralisch-pur mit leicht phenolischem Einschlag, jetzt spröde und abweisend, aber unendlich lang und mit bester Prognose für die Zukunft. 93
Forst Freundstück Georg Mosbacher Cremig, fast opulent, reife Säure und ausdrucksvolle Mineralität in weichem Fruchtschmelz eingebettet: in sich ruhender, vielleicht mal spektakulärer Wein. 93
Forst Kirchenstück Acham-Magin Grüne und gelbe Früchte, hinterlegt von feiner, raffinierter Mineralität, durchzogen von reifer Säure: noch etwas unscheinbar, aber mit besten Anlagen ausgestattet. 93
Deidesheim Langenmorgen Dr. Bürklin-Wolf Druckvoll, kräftig, viel Saft und reife Säure, feinste Fruchtnuancen, enorm tiefgründig: ein etwas unterschätzter Grand Cru dieses Weinguts. 93
Deidesheim Langenmorgen von Winning Reicher, aber nicht überladener Wein mit wenig fruchtigen, dafür vielen vegetalen und mineralischen Noten, bissig, packend, von Winning its best. 93
Deidesheim Hohenmorgen Dr. Bürklin-Wolf Auch bei diesem Wein schaltet BW den Turbo ein: rasanter, geradezu mitreißender Wein mit raffinierter Granitnote. 93
Königsbach Idig A. Christmann In 2014 wieder einer der opulenteren Weine der Mittelhaardt, reife Frucht, markante Würze, eingebettet in süßen Schmelz mit pikanten mineralischen Noten: weich gezeichneter, hedonistischer Riesling. 93
Forst Jesuitengarten Reichsrat von Buhl Kräftig strukturierter Wein, fast muskulös, ohne Arabesken und sonstige Schnörkel, tief, nachhaltig, vermutlich riesengroßes Potenzial, aber derzeit noch recht abweisend. 93
Laumersheim Steinbuckel Knipser Sehr mineralischer Wein, Pfirsich mit Granitstaub: aufregend, macht seinem Namen alle Ehre („Stein“-buckel). 92
Laumersheim Steinbuckel Philipp Kuhn Schlank, fast sehnig, aber mit unzähligen Facetten, tief und eindrucksvoll. 92
Ungstein Weilberg Pfeffingen – Fuhrmann-Eymael Geschmeidig, finessereich, fast virtuos: toller Wein. 92
Forst Jesuitengarten Georg Mosbacher Weich, cremig,mit satter Frucht, dabei von einer herzhaften Säure geädert, trocken ohne jede Herbe, überzeugend. 92
Forst Kirchenstück Geh. Rat Dr. von Bassermann-Jordan Rauchig-kräuterwürzige Nase, am Gaumen herb, druckvoll, sehr trocken, mittlere Länge, nachhaltig: in sich ruhend, gradlinig-klar. 92
Deidesheim Kalkofen von Winning Gehaltvoll, aromentief, dabei leicht verspielt: prunkvoller Wein. 92
Deidesheim Kieselberg Georg Mosbacher Schöne mineralisch-herbe Nase, auf der Zunge viel Frucht, eingebettet in süßen Schmelz und reife Säure: stiller Wein mit guter Zukunft. 92
Deidesheim Kieselberg von Winning Wie der Name schon sagt: ein stark mineralisch geprägter Wein, Kiesel, Austernschalen, vegetale Noten – ein Leckerbissen für Terroir-Liebhaber. 92
Deidesheim Grainhübel von Winning Bis in die Fasern durchgearbeiteter Wein mit vielen Terroirnoten, geschmeidig, tiefgründig, große Klasse. 92
Ruppertsberg Reiterpfad „Hofstück“ A. Christmann Straff, vielschichtig, markant, leicht kräuterwürzig und von kühler Mineralität durchzogen: ein begeisternder, fasertief durchgearbeiteter Riesling. 92
Ilbesheim Kalmit Kranz Sehr stimmiger Wein, nachhaltig, lang mit subtilem mineralischen Touch: wird meiner Meinung nach allerdings von Boris Kranz‘ eigenem Weißburgunder GG aus derselben Lage noch übertroffen. 92
Zell Schwarzer Herrgott Philipp Kuhn Kühle Frucht, Apfel und Pfirsich, gut eingebundene Säure, mineralisch schlank: sehr schöner Wein. 91
Dirmstein Mandelpfad Knipser Warme Gelbfrucht mit einem Hauch von Zitrus im Hintergrund, reife Säure: sehr gelungener, nachhaltiger Wein. 91
Laumersheim Kirschgarten Philipp Kuhn Knochentrockener, gut ausbalancierter Wein, reich an mineralischen und fruchtigen Noten, knalltrocken: sehr bemerkenswert. 91
Ungstein Herrenberg Pfeffingen – Fuhrmann-Eymael Viel Substanz, gewichtig und nicht so leichtfüßig wie der Weilberg, dabei hochmineralisch: hervorragend gelungen. 91
Forst Ungeheuer Reichsrat von Buhl Nase verführerisch, am Gaumen jedoch gnadenlos trocken, ja spröde mit deutlichen Tannin-Noten: Mathieu-Kauffmann-Stil, verlangt Geduld. 91
Deidesheim Langenmorgen A. Christmann Kraftvoll, körperreich mit klarer, präziser Frucht, knackiger Säure, feiner Mineralik: spannend. 91
Deidesheim Hohenmorgen Geh. Rat Dr. von Bassermann-Jordan Gut strukturiert, klar gegliedert, gute Länge: feiner Terroirwein. 91
Ruppertsberg Gaisböhl Dr. Bürklin-Wolf Kraftvoll, klar, intensiv mit kerngesunder Frucht und feinen Noten von nassem Kalk im Hintergrund: Auch dieser Wein hat mehr „Fleisch“ als die meisten anderen GG des Anbaugebiets. 91
Birkweiler Kastanienbusch Ökonomierat Rebholz Pur, schnörkellos mit hoher (aber weiniger) Säure und feiner mineralischer Ader: eleganter, aber fordernder Wein. 91
Birkweiler Kastanienbusch Dr. Wehrheim Kräftiger als Rebholz‘ Kastanienbusch, hochmineralisch auch er mit großem Spannungsbogen: Terroir-Trinker dürften auf ihre Kosten kommen. 91
Birkweiler Kastanienbusch „Köppel“ Dr. Wehrheim Rauchige, fast toastige Note, ansonsten geballte Mineralität, viel Substanz, fein ziselierte Frucht. 91
Forst Pechstein Geh. Rat Dr. von Bassermann-Jordan Auch in diesem frühen Stadium schon sehr attraktiv und zugänglich, knackige Bassermann-Frucht, weiche Säure, sehr reduktiv. 91
Gimmeldingen Mandelgarten A. Christmann Sehnig, dicht, im Inneren feingliedrig mit viel Zitrus, zarten Gelbfrucht-Noten und noch etwas verdeckter Mineralität: säurestarker, gut konturierter Wein. 91
Ilbesheim Kirchberg Kranz Die etwas rustikalere Variante zum Kalmit, zum ersten Mal als GG vinifiziert: etwas weniger mineralisch als der Kalmit, aber sehr präzise, zartfruchtig, lebendig. 91
Großkarlbach Im Grossen Garten Philipp Kuhn Dicht und straff gewoben, dabei von einer ausdrucksvollen fruchtigen Säure beherrscht, große Tiefe, nahezu perfekt kalibriert. 90
Kallstadt Saumagen Philipp Kuhn Saftig und fruchtbetont mit viel Mineralität im Hintergrund, sehr stimmig, aber nicht der ganz große Wurf. 90
Bad Dürkheim Michelsberg Karl Schaefer Kräftiger Körper, gut fundiert, viel versteckte Hintergrundmineralität: hochinteressanter Wein. 90
Forst Ungeheuer Dr. Bürklin-Wolf Saftig, fast fleischig mit reifer Frucht und Würze: eine natürliche Schönheit, derzeit fast ein wenig zu glatt für einen biodynamischen Wein im Frühstadium. 90
Forst Ungeheuer Georg Mosbacher Gut gelungener Wein mit satter Frucht, weiniger Säure, feiner Mineralität. 90
Deidesheim Kalkofen Geh. Rat Dr. von Bassermann-Jordan Rund, saftig, mineralisch-trocken mit einigen markanten herbalen Tönen und leicht reduktiven Hefenoten: insgesamt sehr gut gelungen. 90
Siebeldingen „Ganz Horn“ Im Sonnenschein Ökonomierat Rebholz Kompakt schlanker Wein mit zarter Frucht, donnernder Säure, blanker Mineralität: kein leicht verständlicher Wein, obwohl die Säure besser abgepuffert ist als beim Sonnenschein. 90
Ungstein Herrenberg Karl Schaefer Sehr runder, leicht abgesofteter Wein, von kühler Mineralität getragen, aber auch von reifer Frucht geprägt: ein bisschen everybody’s darling. 89
Forst Jesuitengarten Geh. Rat Dr. von Bassermann-Jordan Grapefruit und Rhabarber im Vordergrund, unterlegt von kühlen mineralischen Noten: insgesamt etwas locker gewoben, kleines GG. 89
Forst Ungeheuer Von Winning Weicher, ja opulenter Wein, eingebettet in weichen Fruchtschmelz: ein Riesling mit der Struktur eines Rotweins. 89
Siebeldingen Im Sonnenschein Ökonomierat Rebholz Dieses Jahr haben mich die Rebholz-Weine teilweise ratlos gemacht. Ich liebe ihre pointierte Mineralik, aber diesmal erscheinen sie mir unbalanciert mit herausstehender Säure und übermäßig vielen vegetalen Noten. Urteil unter Vorbehalt. 89
Forst Ungeheuer Geh. Rat Dr. von Bassermann-Jordan Munterer, etwas einfach geratener Wein, beim ersten Schluck betörend fruchtig und frisch, doch hinter den Zähnen gleich aufhörend. 88
Ruppertsberg Reiterpfad Bergdolt – St. Lamprecht Kräftig und gut struktiert, aber grobfruchtig, ja rustikal: Es fehlt der Feinschliff. 88
Burrweiler Schäwer Meßmer Saftig, vollmundig, temperamentvoll, leicht rohe Säure und humorlos trocken. 88
Godramstein Münzberg „Schlangenpfiff“ Münzberg – Lothar Keßler & Söhne Biederer, in sich nicht ganz stimmiger Wein, reife Beere, aber rohe Säure – wie passt das zusammen? 87
Gleisweiler Hölle – Unterer Faulenberg Theo Minges Der Wein wirkt auf mich wild, knochig, ungehobelt, gleichwohl erkenne ich, dass er eine gute Substanz besitzt: Vielleicht kenne ich mich mit den Minges-Weinen zu wenig aus, um ein sicheres Urteil abzugeben (unter Vorbehalt). 87
Burrweiler Schäwer Theo Minges Ungeordneter Wein mit merkwürdig goldgelbem Schimmer, dazu Bitternoten und grobe Frucht: wirkt, als sei er zu stark gekeltert. 86
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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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