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Stephan von Neippergs 2008 Enira aus Bulgarien: „viel bessa“

Grammatisch tat sich die Bild am Sonntag etwas schwer, aber in der Sache hatte das Blatt nicht ganz Unrecht: „Blind verkostet, schmeckt dieser Wein nach dem doppelten Preis.“ Die Rede ist vom 2008 Enira. Ein dunkelrubinroter, schwerer Wein aus Bulgarien, der viel Beerenfrucht, viel Würze, viel süßes Tannin und 14,7 Vol.% Alkohol mitbringt. Er besteht zur Hälfte aus Merlot, zu 40 Prozent aus Syrah. Den Rest machen Cabernet Sauvignon und Petit Verdot.

Exotisch voll, aber easy zu trinken

Der Alkohol ordnet sich dem Geschmack zwar brav unter. Aber schon der erste Schluck macht klar, dass es sich hier um einen wuchtigen, exotisch vollen Wein handelt. Wer ein saftiges Steak vom Holzkohlegrill liebt, wird mit ihm vermutlich gut zurechtkommen. Zarter beseelten Rotwein-Naturen, etwa Spätburgunder-Trinkern, ist von ihm abzuraten.

Für den Wein spricht, dass er trotz seiner Fülle und seines hohen Alkohols nicht behäbig ist. Er schmeckt fruchtig, lässt sich ganz easy trinken. Man spürt die sichere Hand des einen der beiden Ausländer. Er heißt Stephan von Neipperg, ist 55 Jahre alt und das fünfte von acht Kindern aus dem gleichnamigen Württemberger Grafengeschlecht, das in seiner Heimat übrigens einen feinen Spätburgunder erzeugt. Doch mit Württemberg hat Graf Stephan nichts mehr zu tun. Als Besitzer von Château Canon-la-Gaffelière in St. Emilion und fünf weiteren Châteaux ist er in der Weinwelt von Bordeaux eine feste Größe. Was bewegt so einen Mann, nach Bulgarien zu gehen und dort Wein zu machen?

„No risk, no fun“

Der Grund heißt Karl-Heinz Hauptmann, der zweite Ausländer hinter dem Enira, Ein Banker, früher bei Merryl Lynch, heute der Kopf von Europe Capital Management, einer in Tschechien ansässigen Finanzgesellschaft, deren Ziel es ist, das Kapital ihrer Geldgeber irgendwo auf der Welt gewinnbringend anzulegen. Warum nicht auch in Bulgarien? Dort in ein Weingut zu investieren, war allerdings riskant – jedenfalls 2001, als das Abenteuer begann und das postkommunistische Land noch nicht in der EU war. Doch mit Hilfe von Neippergs Know-how schien das Risiko kalkulierbar. Beide sind Gesellschafter des Weinguts. Neipperg sieht seinen Einstieg von der sportlichen Seite: „No risk, no fun.“

Das Bessa Valley – eine Brache

Die Kellerei, die aus dem Boden gestampft wurde, heißt Bessa Valley Winery. Sie liegt östlich von Sofia auf halben Weg zur griechischen Grenze. Früher wurden in dem Tal Obst, Gemüse und Getreide angebaut. Heute ist der größte Teil eine Brache. Bei den jungen Bulgaren ist Landarbeit verpönt. Sie zieht es in die Stadt. Sie träumen von einem Job, der etwas mit Internet, Telekommunikation, Facebook oder Modeln zu tun hat. Auf dem Traktor sitzen und die Felder zu pflügen, erscheint ihnen wenig erstrebenswert. Die Zwiebeln auf dem Markt von Plovdiv, der nächst größeren Stadt, kommen daher aus der Türkei, der Knoblauch, einst eine bulgarische Spezialität, muss aus Indien importiert werden.

Zehn Jahre alt – und schon das älteste Weingut in Bessa

Obwohl erst zehn Jahre alt, ist die Bessa Valley Winery das älteste existierende Weingut im Tal. 300 Hektar gehören zu seinem Besitz. Die Hälfte ist mit Reben bestockt. Sicher, der Boden war billig. Aber die 300 Hektar mussten von 1300 Bauern zusammengekauft werden. „Das war nicht billig“, sagt Marc Dworkin, ein Franzose, der sich als flying winemaker um die önologischen Belange der Winery kümmert. Er ist, genau genommen, der dritte Ausländer im Bunde.

Das Klima im Bessa Valley ist kontinental: kalte Winter und sehr warme, teils heiße Sommer. Die hohen Temperaturen sind der Grund dafür, dass die Weine so wuchtig und alkoholreich ausfallen. Einzelne Partien Merlot erreichen regelmäßig 16 Vol.% Alkohol. Konzentrierte, dichte Weine zu erzeugen, ist im Bessa Valley keine Kunst. Frucht und Säure zu erhalten, das ist die Herausforderung. Nicht immer gelang das in der Vergangenheit. Und aufgesäuert werden müssen die Weine bis heute.

Hart an der Grenze zur Marmeladigkeit

Im letzten Jahr hatte weinkenner.de noch leicht naserümpfend über Neippergs bulgarischen Seitensprung geschrieben: „Mit seinen Enira-Weinen kann er noch nicht punkten.“ Das stimmt: Mit dem 2007er hatte das Weingut die Kurve noch nicht gekriegt. Der schmeckte süßlich wie Pflaumenmus und Brombeergelee. Der 2008er präsentiert sich schon wesentlich frischer, wenngleich er auch hart an der Grenze zur Marmeladigkeit schrammt. „Wir kennen unsere Weinberge jetzt besser“, erklärt Dworkin den Wandel und glaubt, dass der Wein in Zukunft noch zulegen wird.

Der Enira ist der mengenmäßig wichtigste, aber nicht der einzige Wein der Bessa Valley Winery. Unterhalb angesiedelt sind ein einfacher Merlot-/Shiraz-Cuvée („Duo“) sowie ein reinsortiger Merlot. Außerdem gibt es noch eine Enira Reserva sowie – in kleinen Mengen – einen eindrucksvollen reinsortigen Syrah und ein paar tausend Flaschen eines Premiumweins namens BV. Die Buchstaben stehen für Bessa Valley. in umgekehrter Reihenfolge passten die Buchstaben auch, um den 2008 Enira zu charakterisieren: „viel bessa“.

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1 Kommentar

  1. Guten Tag Herr Priewe,
    ich möchte Ihnen gerne einen Wein vorstellen, der seit Ende 2012 in Berlin offiziell vorgestellt wurde.
    Es handelt sich um einen Antioxidantien Wein Cabernet Sauvignon. Der Wein hat bis zu 300% mehr Antioxidantien als alle anderen natürliche Rotweine. Geschmacklich ist er von einigen Fachkundigen Verkostern mit „ausgezeichnet“ beurteilt worden. Es stehen noch etliche Verkostungsnotizen aus.
    Auch Ihr Urteil würde mich interessieren. Vielleicht besteht eine Möglichkeit den Wein über die News von Weinkenner bekannter zu machen. Sollten Sie Interesse haben, teilen Sie mir dies bitte mit, damit ich Ihnen den Antioxidantien Wein zukommen lassen kann. Vorab kann ich Ihnen gesondert Informationen an Ihre Mail Adresse versenden.
    Mit freundlichen Grüßen

    Stefan Wiegand

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