Der Solen kommt aus dem Languedoc. Ein dunkler, feingewirkter Rotwein aus den Sorten, die typisch für das hügelige Hinterland von Montpellier sind: Carignan (60 Prozent) und Grenache (40 Prozent). „Ein erstaunlich burgundischer Wein“, schrieb der französische Gault Millau-Weinführer über den 2006 Solen, was insofern überraschend ist, als aus diesem Teil Frankreichs normalerweise urwüchsige, kraftvolle Weine kommen, die eher tanninreich und streng als fein und elegant sind.
Natürlich ist der Solen (ausgesprochen: Soleen) kein Nuits-St.-Georges oder Chambolle Musigny. Aber er zeichnet sich durch hohe Trinkeleganz aus, ähnlich wie diese Burgunder. Leichtfüßig tänzelt er über die Zunge, so als sei er in einer kühlen Gegend und nicht unter der heißen Sonne des Südens gereift. Tannin besitzt er reichlich. Doch das Tannin ist feinkörnig. Es pelzt nicht. Trotz seiner Leichtfüßigkeit ist der Solen nicht schwach auf der Brust. Im Gegenteil: Er besitzt 14,5 Vol.% Alkohol. Am Gaumen ist er entsprechend druckvoll und aromentief. Typisch Coteaux du Languedoc.
Struktur eines Pinot Noir
Der Guide Hachette, die französische Weinbibel, schrieb etwas umständlich über ihn: “Dieser dunkel-granatrote 2006er Solen charmiert mit seiner delikaten Mineralität und seinen Kirsch- und Würznoten. Eine feine, aber feste Tanninstruktur hält ihn zusammen und sorgt sowohl für Langlebigkeit als auch für fruchtige Frische im Mund …“
Etwas deutlicher wurde das Testerduo Michel Bettane und Thierry Desseauve: “ein feiner, eleganter Wein mit der Struktur eines Pinot Noir, der mit dem klassischen Languedoc-Stil bricht …“
Noch deutlicher wurde Robert Parker. Er verlieh dem 2006er Solen 90 Punkte – für einen Languedoc-Wein eine hohe Bewertung.
Mit dem Languedoc verbinden die meisten Weintrinker hierzulande Weine für 4,99 Euro oder weniger. Mehr zahlen Weinliebhaber für Weine aus dieser Region nicht. Ausnahme: Die Weine sind qualitativ besonders gut und entsprechend bekannt. Letzteres aber ist der Solen in Deutschland nicht. Außer ein paar Händlern, die ihn führen, kennen nur wenige den Wein und seinen Erzeuger.
In Frankreich in den besten Häusern
Ganz anders in Frankreich. An der Côte d’Azur trinken ihn die Gäste im Grand Hotel Cap Ferrat, in Monaco im Louis XV. In Paris ziert er die Weinkarte von 3-Sterne-Tempeln wie Guy Savoy und Le Bristol. Im Nobelkaufhaus Lafayette steht er schon seit Jahren im Regal. Allerdings müssen die Franzosen zwischen 18 und 19 Euro für ihn zahlen. Das ist der normale Preis. Sie zahlen ihn ohne Murren.
Das Weingut, aus dem er kommt, heißt Domaine Les Aurelles. Es liegt in Nizas, rund 50 Kilometer südlich von Montpellier. 12 Hektar Weinberge, biodynamisch bewirtschaftet, ein sehenswertes, puristisch-ästhetisches Kellergebäude aus großen Kalksteinquadern, innen viel Edelstahl, wenig Holzfässer. Der Solen ist der zweite Wein der Domaine. Der Spitzenwein heißt Aurel und besteht hauptsächlich aus Mourvèdre, einer anderen einheimischen Sorte. Der dritte Wein heißt Déella, ebenfalls ein köstlicher, aber einfacher Roter mit Grenache als Basis.
Außerdem produziert die Domaine einen Weißwein von herausragender Qualität. Er heißt Aurel blanc, wird aus Rousanne-Trauben gewonnen, in 350 Liter fassenden Tonneaux vergoren und ausgebaut: der einzige Wein, der ins Holz geht. Die Rotweine reifen ausschließlich im Edelstahl. Eine ungewöhnliche, erklärungsbedürftige Philosophie: „Ich möchte, dass die Rotweine ihre Frische und Unverfälschtheit behalten“, erklärt Basile St. Germain.
Das Beste aus den Reben herausholen
Er hat die Domaine Les Aurelles 1995 zusammen seiner Frau Caroline Voisin gegründet. Der studierte Landschaftsarchitekt und Önologe hat auf Château Latour gearbeitet und hinterher mit seinem Schwiegervater jahrelang den Cognac Gourmel produziert. Danach erwarb er die ersten Weinberge im Languedoc. Er ist Besitzer, Winzer und Weinmacher in einer Person. Sein Bestreben war es nie, leicht verkäufliche Weine für 4,99 Euro zu erzeugen. Er wollte und will aus den Reben das Beste herausholen, was sie auf den Kies- und Basaltböden der Gegend zu geben imstande sind. Der durchschnittliche Hektarertrag der Domaine Les Aurelles liegt zum Beispiel bei lächerlich niedrigen 27 Hektolitern. „Basile St. Germain macht keine halben Sachen …“, urteilte der Gault Millau über ihn.
Der gebürtige Lothringer spricht zwar fließend Deutsch. Aber durch die Dreifachbelastung fehlt ihm die Zeit, den deutschen Markt zu bearbeiten. So kommt es, dass die Aurelles-Weine in Deutschland nie die gebührende Aufmerksamkeit erfahren haben. Matthias Hilse, Frankreich-Spezialist aus Bodenheim (Aux Fins Gourmets), der eines der besten Bordeaux-Sortimente in Deutschland besitzt, hat den Wein bis zum Jahrgang 2006 regelmäßig gekauft. Er bekennt ganz offen: „Die Weine sind hervorragend. Aber ich muss gestehen, dass ich zu wenig für sie getan habe.“ Die Folge: Mehrere Jahrgänge liegen noch in seinem Keller, darunter auch trinkreife, ältere wie der 2003er und der 1999er.
Derzeit bietet Hilse die Les Aurelles-Weine mit großem Nachlass an – den 2006er Solen zum Beispiel für 9,80 Euro. So viel Wein für so wenig Geld hat es in Deutschland schon lange nicht mehr gegeben.