Neulich habe ich in der englischen Weinzeitschrift Decanter einen Artikel über unbekannte Spitzenweine aus Italien gelesen. Am besten an dem Artikel fand ich die Überschrift: Unsung Heroes. Frei übersetzt: unbesungene Helden. Genau so eine Degustation habe ich Ende Januar in Köln im Rotonda Business Club veranstaltet. Meine Überschrift war allerdings nicht so gut wie die der Kollegen vom Decanter. Sie hieß Schattengewächse. Klingt so ein bisschen nach Mauerblümchen, obwohl die Weine, die präsentiert wurden, alles andere als Mauerblümchen sind. Nur sind sie international nicht so bekannt wie Sassicaia, Ornellaia & Co. Unsung Heroes hätte besser gepasst. Leider gibt es keine allgemeinverständliche deutsche Übersetzung für diesen Ausdruck.
Weniger berühmt, weniger teuer
Jedenfalls wurden von den Teilnehmern – alles weinerfahrene Unternehmer und Manager – zehn Spitzenrotweine aus verschiedenen Rebsorten und Regionen Italiens blind verkostet. Also Äpfel und Birnen und Kiwis und Zitronen miteinander. Auf den ersten Blick vielleicht nicht sehr professionell. Aber es ging bei dieser Probe ja nicht um ein Ranking, sondern darum zu zeigen, dass es in Italien außer den bekannten Blue Chips noch andere großartige Rotweine gibt, die weniger berühmt und weniger teuer, aber dennoch sehr gut sind und anspruchsvollen Weintrinkern schmecken könnten (was sie auch taten).
Vergleich mit Italiens Blue Chips
Bei der Auswahl der Schattengewächse hatte ich darauf geachtet, möglichst viele italienische Regionen einzubeziehen. Trotzdem ist meine Auswahl subjektiv. Ich hätte auch andere Weine aus diesen Regionen nominieren können. Um zu sehen, wie die Schattengewächse qualitativ eingeordnet werden müssen, habe ich zwei Blue Chips als „Piraten“ in die Probe eingebaut: Ornellaia und Solaia. Sie kosten drei- bis sechsmal so viel wie die meisten der Schattengewächse und sind, wie die Probe gezeigt hat, keineswegs automatisch besser.
Wie sich die Weine geschlagen haben? Auf den nächsten Seiten die insgesamt 12 Etiketten mit meinen persönlichen Kommentaren.
Die Weine
- 2013 Mille e Una Notte, Donnafugata (Sizilien)
- 2014 Montiano, Falesco (Latium)
- 2015 Galatrona, Petrolo (Toskana)
- 2015 Valgiano, Tenuta di Valgiano (Toskana)
- PIRAT: 2014 Ornellaia, Tenuta dell’Ornellaia (Toskana)
- 2011 Montepulciano d’Abruzzo „Villa Gemma“, Masciarelli (Abruzzen)
- 2011 San Leonardo, Tenuta San Leonardo (Trentino)
- 2012 „Montevertrano“ Rosso Salerno, Montevetrano (Kampanien)
- PIRAT: 2011 Solaia, Antinori (Toskana)
- 2010 Amarone della Valpolicella „Monte Lodoletta“, Romano Dal Forno (Venetien)
- 2013 Turriga, Antonio Argiolas (Sardinien)
- 2015 Lagrein Riserva „Taber“, Kellerei Bozen (Südtirol)
2013 Mille e Una Notte, Donnafugata (Sizilien)
Nicht so unbekannt, wie ich dachte. Mehrere Teilnehmer hatten diesen tiefdunklen sizilianischen Nero d’Avola (mit ein paar Prozent Petit Verdot, Syrah und anderen Sorten) schon getrunken, einige bezeichneten ihn sogar als ihren Lieblingswein. Auch ich halte den Mille e Una Notte für einen der drei besten Rotweine Siziliens, so dicht, wie er sich präsentiert, so tieffruchtig, so überraschend würzig mit einer spektakulären Mixtur von gelierter Brombeere, Pinienharz, Schokolade, dazu mit feinem, süßen Tannin.
Ein pathetischer Wein, dem es gelingt, die Botschaft von der modernen sizilianischen Önologie in die Welt zu tragen. Was ich damit meine? Hohe Reife ohne Alkoholexzesse, ohne marmeladige Noten bei gleichzeitig grosser Frische. Einfach Klasse.
Preis: 43,90 Euro
Bezug: www.superiore.de
2014 Montiano, Falesco (Latium)
Ein hundertprozentiger Merlot, der in Latium gewachsen ist an der Grenze zu Umbrien – weinbaumäßig ein Niemandsland (sieht man von dem banalen Weißwein Est! Est!! Est!!! ab, der dort plantagenmäßig angebaut wird). In der weiten Welt, vor allem in den USA, ist dieser Wein hochgeschätzt und brilliert mit Bewertungen zwischen 91 und 94 Punkten. Schattengewächs ist also nicht der richtige Ausdruck für ihn. Verantwortlich für den Montiano sind Renzo und Riccardo Cotarella, zwei Önologen von Weltruf, deren Familie das Weingut Falesco gehört. Renzo ist Chefönologe bei Antinori, Riccardo weltweit tätiger Weinberater mit zahlreichen Mandaten für renommierte Weingüter.
Nun war der Jahrgang 2014 fast überall in Italien höchst problematisch, und das merkt man diesem Montiano auch an. Er ist reintönig, sauber, klar gegliedert mit ausdrucksvoller Frucht, aber insgesamt doch etwas schmal geraten, ohne große Tiefe, relativ eindimensional. Man kann ihn elegant nennen, doch gegen die Phalanx der anderen Schattengewächse tat sich der Montiano dann doch schwer. Eigentlich gehört er nicht in diese Probe, was Renzo und Riccardo Cotarella vermutlich bestätigen würden und was sich auch im Preis ausdrückt.
Preis: 32,00 Euro
Bezug: www.xtrawine.com
2015 Galatrona, Petrolo (Toskana)
Ohne Zweifel einer der besten reinsortigen Merlots Italiens: kühn, ehrgeizig, anspruchsvoll, teuer. Und doch ist er ganz anders als etwa der Masseto, der im mediterran-warmen Klima Bolgheri nahe der toskanischen Mittelmeerküste wächst. Die Trauben für den Galatrona kommen zwar auch aus der Toskana. Aber das Weingut Petrolo liegt im bergigen Hinterland dieser Region an der östlichen Grenze des Chianti Classico. Ein „Bergwein“ also, und das schmeckt man sofort: fleischig-streng mit Noten von geräuchertem Schinken, Leder, Lakritz, in 2015 relativ üppig, doch durchzogen von einer feinen Säure und rauem Tannin. In der Runde, in der wir den Wein probierten, flog niemand auf diesen Wein, was auch verständlich ist.
Es fehlen die momentane Faszination, der sofortige Flash, bei den meisten Weintrinkern auch die Fantasie, wie sich dieser Weine auf der Flasche verfeinern wird. In der Regel tut er das zuverlässig. Jahrgänge wie 2001, 2000 und 1999 sind heute ein Hochgenuss. Dennoch halte ich Bewertungen von 96, 97 oder 98 Punkten, wie sie Merlot-vernarrte amerikanische Weinkritiker für den Galatrona abgeben, für leicht überzogen. Mit 94 Punkten wäre er sehr gut bedient.
Preis: 79,00 Euro
Bezug: www.superiore.de
2015 Valgiano, Tenuta di Valgiano (Toskana)
Diesen Wein kannte niemand aus der Runde, was mich nicht verwundert hat. Er kommt zwar aus der Toskana, aber aus einer Nische, die kaum einer auf dem Zettel hat. Die Nische befindet sich nördlich von Lucca am Fuß des Apennin auf 250 Meter Höhe. Bedeutende Weine sind dort in der Vergangenheit nie gewachsen. Vermutlich hat Selbiges auch niemand versucht. Erst 1993 hat sich ein junges, etwas verrücktes, naturbewegtes und lebensfrohes Pärchen dort niedergelassen mit dem Vorsatz, einen möglichst guten Wein zu erzeugen. Dass es ein bedeutender Wein werden würde, ahnten die Beiden nicht, hofften es aber.
Heute ist die Sache eindeutig: Der Valgiano (60% Sangiovese, 20% Syrah, 20% Merlot) ist einer der besten Rotweine der Toskana. Leider wird er von Weinkritikern, die dem Irrglauben anhängen, dass ein guter Wein sie gleich beim ersten Schluck anfixen muss, gern ignoriert. Oder schlimmer noch: sträflich unterbewertet. Moreno Petrini (der aus der Mailänder Schuhindustrie kommt) und Laura di Collobiano (die aus der großen Fiat-Familie stammt) – so heißen die beiden Wein-Abenteurer – schert es wenig. Sie streben sowieso nicht den Mainstream des Premiumwein-Segments an, sondern feilen mit großer Detailbesessenheit am Charakter ihres Valgiano. Will heißen: biodynamische Weinbergsarbeit und nicht-interventionistische Önologie.
Das Resultat ist ein tiefgründiger, facettenreicher Wein, der irgendwo zwischen Bolgheri Superiore und Chianti Classico Gran Riserva pendelt. Hochfein in der Frucht, etwas rustikal im Tannin, besitzt er einen Spannungsbogen, der ihn für alle, die der schmuseweichen Cabernet-/Merlot-Cuvées überdrüssig sind, unwiderstehlich macht. Nicht alle meine Mittrinker wollten das so sehen, wohl auch, weil der 2015er (übrigens ein grandioser Jahrgang) noch etwas spröde und verschlossen ist. Seit ich vor einigen Jahren jedoch die Tenuta di Valgiano besuchte und mit Laura und Moreno den 2002er trank, den kleinsten Jahrgang im neuen Jahrtausend, und dieser sich als ein fein gereifter, hocheleganter Wein erwies, ist mir klar, welches Potenzial in diesem Wein steckt – zumal im 2015er.
Preis: 79,90 Euro
Bezug: www.superiore.de
PIRAT: 2014 Ornellaia, Tenuta dell’Ornellaia (Toskana)
Der Ornellaia, der an der toskanischen Mittelmeerküste bei Bolgheri wächst, ist auf den Weinkarten der renommiertesten Restaurants der Welt zu finden. Er genießt einen Ruf wie Donnerhall und heimst hohe und höchste Bewertungen der internationalen Kritiker ein. Der 2014er fällt jahrgangsbedingt etwas bescheidener aus. Er besitzt nicht die Fülle des 2012er, nicht die Finesse des 2013ers und nicht die Perfektion des (eben auf den Markt gekommenen) 2015ers. Trotzdem ist der 2014er ein sehr guter Wein, der mit Eleganz wettmacht, was ihm an Reichtum fehlt.
Viele Ornellaia aus kleinen Jahrgängen bieten nach fünf bis acht Jahren hohen Trinkgenuss, was ich aus eigener Erfahrung weiß (zuletzt beim 2002er erlebt). Vom 2014er wurde nur die Hälfte der üblichen Menge abgefüllt, aber was in der Flasche ist, ist stilistisch vom Allerfeinsten. Wer auf Wucht und Reichtum verzichten kann, ist mit diesem Wein besser bedient als mit den so genannten großen Jahrgängen. Natürlich: Im Vergleich zu den Schattengewächsen mit all ihren Ecken und Kanten erweist sich dieser Pirat als makelloser Benchmark-Wein. Wer ihn trinkt weiß, dass er sich nicht auf ein Abenteuer einlässt.
Preis: 149,00 Euro
Bezug: www.silkes-weinkeller.de
2011 Montepulciano d’Abruzzo „Villa Gemma“, Masciarelli (Abruzzen)
Die Region Abruzzen ist ein schlafender Riese, der langsam aufwacht. Gianni Masciarelli war einer der ersten, der sich den Schlaf aus den Augen rieb und 1981 ein Weingut gründete, das bis heute zu den führenden und stilbildenden der Region gehört. Schon wenige Jahre später kam der erste „Villa Gemma“ auf den Markt. Er war eine Kampfansage an die Massenwein-Industrie der Abruzzen, die die Region damals dominierte. Bis heute ist dieser Wein, der zu hundert Prozent aus der Rebsorte Montepulciano erzeugt wird, das Schlachtross dieses Weinguts: ein tiefdunkler, vor Tannin strotzender Grand Vin, opulent, mitreißend, geprägt von bitter-süßer Frucht (Lese: Ende Oktober!) und dickem Tannin. Er weist immer deutlich über 14 Vol.% Alkohol auf und ist äußerst reifebedürftig. Wie reifebedürftig, zeigt schon die Tatsache, dass er 24 Monate im Barrique ausgebaut wird und danach noch drei Jahre auf der Flasche im Keller bleibt, bis er fünf Jahre nach der Lese auf den Markt kommt.
Wenn es stimmt, was die Önologen und Winzer sagen, dass die Sorte Montepulciano ein wildes Tier ist, das gebändigt werden müsse, dann schmeckt man es diesem Wein ein wenig an. Er wirkt mit seiner hochreifen, fast kompottigen Frucht und seiner überbordenden Fülle immer ein bisschen unberechenbar, ja frech. Aber es stimmt auch, dass es Masciarelli in der Regel gut gelingt, das wilde Tier zu zähmen. Mag der „Villa Gemma“ ein schwerer Brocken sein: Er ist nicht überladen, nicht alkohollastig. Das Tannin, das im jungen Stadium noch sperrig ist, hält ihn zusammen. Dieser Montepulciano d’Abruzzo ist ein Leuchtturm unter den Rotweinen des Südens. Dass er nicht der Lieblingswein der Probenteilnehmer war, verwundert kaum. Weine seines Kalibers sind nicht für heute, sondern für die Zukunft konzipiert. Ich würde den 2011er, den wir im Glas hatten, etwa 2024 aus dem Keller holen, an einem kalten Wintertag, wenn der Kühlschrank mal wieder leer ist, das Auto vor der Tür nicht anspringt, und bei den Freunden, die man um Hilfe bitten möchte, sich immer nur die Mailbox meldet.
Preis: 48,90 Euro
Bezug: www.silkes-weinkeller.de
2011 San Leonardo, Tenuta San Leonardo (Trentino)
Dieser Wein begeisterte nahezu alle Teilnehmer der Kölner Weinprobe – auch mich. Ich kenne den Wein, seit er 1982 das erste Mal abgefüllt wurde. Aber nie war er so gut wie in den letzten Jahren. Das warme Jahr 2011 ist opulenter ausgefallen als sonst, was angesichts der nördlichen Lage der Weinberge nicht nachteilig ist. Die Sorte Cabernet Sauvignon (aus der dieser Wein zu 60% besteht) braucht Wärme, um voll auszureifen. Aber mehr Wärme noch braucht die Carmenère (30%), die in Norditalien früher weit verbreitet war, inzwischen aber fast völlig aus den Weinbergen verschwunden ist, weil sie nie ausreifte und in den Weinen hässliche grüne Noten hinterließ. In den Weinbergen der Tenuta San Leonardo ist sie geblieben. Die Marchesi Guerrieri Gonzaga, die Besitzer der Tenuta San Leonardo, haben an ihr festgehalten. Sie fanden (und finden), dass die grasigen Noten das „Gewürz“ in ihrem Wein sind. Sie machen dessen Besonderheit aus unter den zahllosen Bordeaux-Cuvées, die an allen Ecken Italiens aus dem Boden sprießen. Die Marchesi haben Recht behalten – allerdings dank glücklicher Umstände.
Denn die Klimaerwärmung macht, dass die Carmenère inzwischen auch im Etschtal in den meisten (vielleicht auch allen) Jahren ausreift. Hinzu kommt, dass der önologische Berater Carlo Ferrini, der die Marchesi seit einigen Jahren berät, offensichtlich sofort begriffen hat, wie wichtig es ist, dass nur physiologisch vollreife Carmenère-Trauben in die Cuvée aufgenommen werden. Das Resultat ist beeindruckend: ein dicht gewobener Wein mit feinem Veilchenduft, schmelzig-weicher Frucht und zahlreichen balsamischen Noten, die von Leder über Pilze und Tabak bis zu Süßlakritz reichen, dazu eine fast seidige Textur. Dass so ein Hochgewächs aus dem Trentino kommt, überraschte viele der Teilnehmer. Diesen Wein im Keller zu haben, ist eine sichere Bank. Übrigens: Ich kenne kaum ein so mustergültig geführtes und ästhetisch angelegtes Weingut in Italien wie San Leonardo.
Preis: ab 57,00 Euro
Bezug: www.silkes-weinkeller.de
2012 „Montevetrano“ Rosso Salerno, Montevetrano (Kampanien)
Dieser faszinierende Rotwein wächst südlich von Neapel bei Salerno. Der amerikanische Weinkritiker Robert Parker hatte ihn in seiner Begeisterung mal als „Sassiciaia des Südens“ bezeichnet, was gut gemeint war, aber völlig irreführend ist. Der Sassicaia enthält weder Merlot (in diesem Wein zu 20% dabei) noch Aglianico (30%) und ist ein Kind des mediterran-kühlen Nordens und nicht mediterran-warmen Südens, wie der Montevetrano. Sei’s drum: Der Montevetrano ist für Liebhaber der italienischen Weinkultur schon lange ein Juwel, auch wenn sein Bekanntheitsgrad in Deutschland noch gering ist.
Dieser geschmeidige, eher zurückgenommene Wein (im Vergleich zu manch anderen, eher „lauten“ Rotweinen der Region Kampanien) brilliert mit gestochen klarer Frucht (die im warmen Jahr 2012 allerdings sehr süß ausgefallen ist), tiefem Cassis-Aroma mit viel schwarzem Pfeffer und seidiger Textur. Ein echter „Held“ in der Weinprobe, der den Vorteil hat, auch jetzt schon mit großem Vergnügen getrunken zu werden.
Preis: 43,90 Euro
Bezug: www.gourmondo.de
PIRAT: 2011 Solaia, Antinori (Toskana)
Der Solaia ist ein Kultwein. Er genießt weltweites Ansehen, ist rar, sündhaft teuer und unverschämt gut. Ich trank den 2011er zuletzt in einem Münchener Restaurant und zahlte für die Magnumflasche knapp 700 Euro – kein Betrag, den man so einfach mal in der Portokasse hat. Aber dieser 2011er war für mich und die damals mit mir am Tisch Sitzenden ein großer Genuss. Ganz anders bei der Kölner Weinprobe. Der Unterschied: Der Solaia (80% Cabernet Sauvignon, 15% Sangiovese, 5% Cabernet franc) wurde verkostet und nicht zum Essen getrunken, und da zeigte sich schnell, dass in dem warm-heißen Jahr 2011 ein fetter Brocken aus ihm geworden ist: behäbig, alkoholreich, vor Glyzerin strotzend, zwar voller Wohlgeschmack, aber ohne innere Feinheit und ohne Differenzierung. Zu glatt, zu adipös einfach.
Einer der Probenteilnehmer, der aus der Autoindustrie kam, bemängelte den fehlenden grip, also die mangelnde Bodenhaftung. Das trifft den Nagel auf den Kopf. Und als ich später im Büro nachschaute, wie andere Weinkritiker den 2011er Solaia beurteilten, musste ich feststellen, dass er die wenigsten Punkte von allen Jahrgängen erhalten hat, die von diesem Kultwein auf den Markt gekommen sind. Parker gibt ihm gerade 91 Punkte und schreibt: „Ich bin von ihm nicht völlig überzeugt…“ Ich auch nicht: Mehrere Schattengewächse, die wir in Köln verkosteten, stellten diesen Wein in den Schatten.
Preis: 164,00 Euro
Bezug: www.weinhelden.de
2010 Amarone della Valpolicella, Romano Dal Forno (Venetien)
Dieser Wein ist rar, teuer und exklusiv, aber eigentlich kein Schattengewächs. Weinkenner in aller Welt reißen sich darum, ein paar Fläschlein von ihm abzubekommen. Sie wissen: Der Amarone von Romano Dal Forno steht über allen Amarone-Weinen, nicht nur preislich. Er bietet eine kaleidoskopartige Fülle von Aromen, wie man sie in anderen Rotweinen nicht findet: Portweinfrüchte, Backpflaumen, Kirschlikör, Kandiszucker, Trockenblumen, Teer, Nelkengewürz, Trüffel – um nur einige zu nennen. Mit 17 Vol.% Alkohol gehört er eigentlich in den Spirituosenschrank. Jedenfalls wiegt er schwer auf der Zunge. Sein Geheimnis ist Romano Dal Forno selbst. Er trocknet seine Trauben extrem lange an, sorgt dafür, dass nur gesunde Beeren eingemaischt werden, presst vorsichtig ab und bekommt am Ende nur eine sehr geringe Menge Wein.
So hochwertig er ist, so exotisch ist er auch. Auf diese Frage, zu welcher Mahlzeit man ihn am besten trinke, antwortete der Winzer einmal: „Der Wein ist die Mahlzeit.“ Kann man so sehen. In der Weinprobe stach er durch seine Besonderheit heraus. Die einen mochten ihn, die anderen standen ihm ratlos gegenüber. Für mich ist dieser Amarone von überirdischer Qualität, was heißt, dass ich auf Erden lieber Dal Fornos einfachen Valpolicella trinke (der freilich alles andere als einfach ist und auch schon 70 Euro kostet). Er besitzt einfach mehr Frische und fällt weniger portweinmäßig aus. Aber das ist Geschmackssache.
Preis: ab 250,00 Euro
Bezug: www.amazon.de , www.garibaldi.de
2013 Turriga, Antonio Argiolas (Sardinien)
Unter Fachleuten hoch geschätzt und als einer der besten Rotweine Sardiniens bezeichnet (oft auch als der beste), mangelt es dem Turriga (85% Cannonau, je 5% Bovale, Carignano, Malvasia nera) aus dem Hinterland von Cagliari in der breiten Öffentlichkeit noch ein wenig an Anerkennung. Am Wein kann es nicht liegen. Er bietet sowohl hohe Qualität als auch Spezialität. Hinter der Sorte Cannonau, die die Basis dieses Weins bildet, verbirgt sich die sardische Variante der französischen Grenache, die man vor allem an der Südlichen Rhône findet.
Entsprechend breitschultrig präsentiert sich der Wein, in der Nase das typische Veilchen- und Pflaumenaroma, unterlegt mit mediterranen Wildkräutern, am Gaumen Kräuterwürze und Granitstaub, im Abgang streng mit viel schwarzem Pfeffer. Ein Unikat von Wein, dessen Besonderheit mit Worten schwer zu erfassen ist – und die auch nicht jedem in der Runde gefiel. Trotzdem zögerte niemand, diesem noch jungen Wein ein sehr hohes Niveau zu bescheinigen. Die Bewertungen der internationalen Weikritik schwanken zwischen 91 und 94 Punkten. Der 2013er liegt etwa in der Mitte.
Preis: 45,90 Euro
Bezug: www.gute-weine.de
2015 Lagrein Riserva „Taber“, Kellerei Bozen (Südtirol)
Kenner wissen, dass es in Südtirol jedes Jahr immer dieselben drei bis vier Lagrein-Weine sind, die die Spitzenpositionen einnehmen. Der „Taber“ gehört jedes Mal dazu. Auch im sehr guten Jahr 2015 hat die Kellerei Bozen einen begeisternden Wein auf den Markt gebracht, der Rustikalität mit Eleganz verbindet und deshalb auch solchen Zungen, die an internationalen Weinen geschult sind, höllisch Spaß macht. Nicht das schlechteste Zeugnis für einen Wein aus einer regionalen Rebsorte! Unter den dunklen Weinen Südtirols ist der Lagrein sicher der interessanteste. Aber er ist häufig etwas rau, kantig, säuerlich bei gleichzeitig reifer Frucht.
Der „Taber“ dagegen ist aus einem Guss: viel dunkle Frucht in Nase und auf der Zunge, von einer feinen Säure geädert, die ihn bei aller Reife frisch und jung hält, dazu ein kräftiges, rausamtiges Tannin, dem Kellermeister Stephan Filippi während des Ausbaus in kleinen Holzfässern den nötigen Schliff gegeben hat. Mein Eindruck: einer der besten „Taber“, die je auf die Flasche gekommen sind.
Preis: 33,90 Euro
Bezug: www.superiore.de