Realtity Check: Die kleinen Stars der Südpfalz (2)

Überregional sind die jungen Pfälzer Talente noch weitgehend unbekannt. Regional werden sie nur an ihren 6 Euro-Weinen gemessen. Die Spitzengewächse bleiben liegen. Jens Priewe stellt zwei dieser Talente vor.

Die Süd­pfalz – frü­her Süd­li­che Wein­stras­se genannt – beginnt nur weni­ge Kilo­me­ter hin­ter Neu­stadt und reicht bis zur elsäs­si­schen Gren­ze. Die Dör­fer und Städt­chen dort haben Namen wie Mai­kam­mer, Edenk­o­ben, Ilbes­heim, Klin­gen­müns­ter, Bad Bergza­bern, Schwei­gen. Schon mal gehört? Viel­leicht. Aber kein Ver­gleich mit Dei­des­heim, Forst, Wachen­heim, Bad Dürk­heim, Kall­stadt im nörd­li­chen Teil der Pfalz. Dort rockt der Wein. Dort befin­den sich so welt­be­rühm­te Lagen wie Jesui­ten­gar­ten, Pech­stein, Kir­chen­stück, Unge­heu­er, Sau­ma­gen – Namen, die Riesling-Aficionados in aller Welt in höchs­te Erre­gung ver­set­zen. In der Süd­pfalz heis­sen die Lagen Selig­ma­cher, Venus­bu­ckel,  Sau­schwän­zel, Won­ne­berg, Alten­forst zum Bei­spiel. Alles her­vor­ra­gen­de Lagen für Ries­ling und Weiss­bur­gun­der – und so berühmt wie der Dorf­brun­nen von Hainfeld.

Weingut Klein in Hainfeld

Peter Klein

Hain­feld: ein Win­zer­dorf am Fuße des Pfäl­zer Wal­des, 844 Ein­woh­ner, meh­re­re Beher­ber­gungs­be­trie­be, ein uri­ger Gast­hof. In der Mit­te, ein­ge­zwängt zwi­schen alten Lehm- und Fach­werk­häu­sern, das Wein­gut Klein. Äus­ser­lich ist es erkenn­bar an dem neu­en Kel­ler­turm, der die Firs­te der umlie­gen­den Häu­ser weit über­ragt. Ohne ihn platz­te das Wein­gut längst aus allen Näh­ten. 23 ver­schie­de­ne Reb­sor­ten und 43 ver­schie­de­ne Wei­ne –  im Expe­ri­men­tie­ren waren und sind Peter Klein und sei­ne Schwes­ter Bar­ba­ra Welt­meis­ter. „Ich lie­be Nischen­pro­duk­te“ bekennt Peter. Das gilt für Rot­wei­ne (Syrah, Tem­pr­anil­lo, Früh­bur­gun­der, St. Lau­rent) eben­so wie für Weiss­wei­ne (Grü­ner Velt­li­ner, Scheu­rebe, Mus­ka­tel­ler, Gewürz­tra­mi­ner, Char­don­nay). Sau­vi­gnon Blanc ist zum Bei­spiel der zweit­wich­tigs­te Wein im Sor­ti­ment. Es gibt ihn klas­sisch, als Fumé und als Reser­ve – für jede Nische einen. Dass er das Sor­ti­ment straf­fen muss, ist dem schwarz­ge­lock­ten Win­zer klar. „Aber ich gebe zu: Es fällt mir in eini­gen Fäl­len schwer.“

Den Riesling von der Kalmit bezeichnet Klein als „reinen Freakwein“

Ries­ling ist von der Men­ge her der wich­tigs­te Wein im Sor­ti­ment der Kleins, und er steht bei ihnen in den­sel­ben Spit­zen­la­gen wie bei Georg Mei­er aus dem Nach­bar­ort Wey­her, den wir letz­te Woche vor­ge­stellt hat­ten: Michels­berg, Let­ten, Alten­forst. Dazu kommt noch der Ilbes­hei­mer Kal­mit, eine Gos­se Lage laut VDP-Klassifikation. Doch das Wein­gut Klein gehört dem VPD nicht an. Es darf sei­nen Wein nicht Gros­ses Gewächs nen­nen, obwohl es ver­mut­lich alle Chan­cen hät­te, als sol­ches durch­zu­ge­hen: ein kno­chen­tro­cke­ner Wein mit fast mosel­la­ni­scher  Säu­re und fan­tas­ti­scher Mine­ra­lik (€ 15), der lei­der den Geschmack des durch­schnitt­li­chen Wein­trin­kers, der in der Süd­pfalz unter­wegs ist, über­for­dert, wie Klein offen zugibt: „ein rei­ner Freak­wein“. Und: „Sowas kön­nen wir hier nur schwer ver­kau­fen.“ Aber auch im über­re­gio­na­len Wein­fach­han­del, über den die Kleins rund 60 Pro­zent ihrer Pro­duk­ti­on abset­zen, tun sich sol­che Wei­ne teil­wei­se schwer. Der Kreis der Wein­trin­ker, die sol­che Qua­li­tä­ten zu schät­zen wis­sen, ist gering in Deutsch­land. Etwas leich­ter tut sich da der Weiss­bur­gun­der, der eben­falls von der Kal­mit kommt. Doch kein Ver­gleich zu Grau­bur­gun­der und Sau­vi­gnon blanc. Sie sind die Best­sel­ler, sie ver­kau­fen sich wie geschnit­ten Brot.

Für die Spitzenweine fehlt noch das Publikum

Noch einen Gang mehr drauf hat der Ries­ling R aus dem Burr­wei­ler Alten­forst. Das R steht für Reser­ve. In die­sem Fall ist es der 2015er, der erst seit ein paar Mona­ten frei­ge­ge­ben wur­de: Auch er ein höchst anspruchs­vol­ler Wein aus einer Schiefer-Steillage, rauchig-apfelig in der Nase mit Limet­ten­no­ten, kurz mai­sche­ver­go­ren, ent­spre­chend phe­n­o­lisch am Gau­men, mit irrer Län­ge (€ 21). Bei Wein­ver­kos­tun­gen patzt so ein Wein in der Regel, doch als Essens­be­glei­ter funk­tio­niert er umso bes­ser. „Mut zum Altern“ brau­che der Wein­trin­ker, sagt Klein. Doch was in Frank­reich selbst­ver­ständ­lich ist, ist in Deutsch­land schwer zu ver­mit­teln. Fri­sche und kna­cki­ge Frucht – das sind die Wer­te, auf die deut­sche Wein­trin­ker ste­hen. Und wenn die Säu­re all­zu hoch ist, darf der Wein auch gern ein “süßes Schwänz­lein” haben.

Wein- und Sekthaus Kiefer in St. Martin

Mit der Straf­fung des Sor­ti­ments haben auch die Kie­fers aus St. Mar­tin ihre Mühe. Das lau­schi­ge, fein her­aus­ge­putz­te Dorf nur ein paar Kilo­me­ter wei­ter ist ein Tou­ris­ten­ma­gnet in der Gegend. Bus­tou­ris­ten schie­ben sich durch den Ort, Indi­vi­du­al­tou­ris­ten suchen nach Park­plät­zen für ihre Autos. Sie laden sich den Kof­fer­raum voll mit Wein, wes­we­gen es ein klu­ger Schach­zug der Kie­fers war, die Räum­lich­kei­ten der ehe­ma­li­gen Win­zer­ge­nos­sen­schaft zu über­neh­men und dort ihren Wein­shop ein­zu­rich­ten. Park­plät­ze gibt es reich­lich auf dem Hof. Auch in die­sem Teil der Pfalz gilt der alte Mosel­laner Sinn­spruch: Der bes­te Wein ist immer der ver­kauf­te. Wer die Wein­lis­te des Wein- und Sekt­hau­ses Kie­fer, wie der Betrieb heu­te offi­zi­ell heisst (nach­dem er vor­her Ambro­si­us­hof hiess) liest, hat den Ein­druck, dass kei­ne Ziel­grup­pe zu klein ist, um nicht den pas­sen­den Wein zu fin­den. Por­tu­gie­ser Rosé süß, Char­don­nay halb­tro­cken, Dun­kel­fel­der lieb­lich, Blanc de Noirs, und, und, und – man fragt sich, wie ein Kel­ler­meis­ter da noch die Über­sicht behal­ten soll. Der Kel­ler­meis­ter, das ist Phil­ipp Kie­fer, und der ist selbst nicht glück­lich über den Gemischt­wa­ren­la­den, den er ver­wal­ten muss. 2008 ist er in das Fami­li­en­wein­gut ein­ge­stie­gen. Sein Inter­es­se war und ist es nicht, die Pfalz in ihrer gan­zen mit­tel­mäs­si­gen Viel­falt abzu­bil­den, son­dern sich auf das zu fokus­sie­ren, was die Pfalz kann und wor­in sie Spit­ze ist: auf Ries­ling, Weiss­bur­gun­der, Spät­bur­gun­der, in sei­nem Fall noch auf Sau­vi­gnon Blanc. Mit die­sem Kon­zept hat Kie­fer das Wein­gut in den letz­ten Jah­ren nach oben gebracht. Drei­ein­halb Ster­ne im VINUM-Weinführer und bei Eichelm­ann sind der Lohn die­ser Arbeit.

Ausbau in kleinen Holzfässern – eine Spezialität Kiefers

Wer Fül­le mag, ist mit Kie­fers Orts­wei­nen bes­tens bedient. Der schmelzi­ge Weis­se Bur­gun­der vom Kalk­stein (€ 13,90), der saf­ti­ge Char­don­nay vom Kalk­stein (€ 9,20), der stof­fi­ge Grau­bur­gun­der vom Löss (€13,90) – das sind Wei­ne, die in 2018 mit Üppig­keit und tro­pi­schen Frucht­no­ten prun­ken. Alle lie­gen bei 14 %Vol. und wer­den in klei­nen Holz­fäs­sern aus­ge­baut – eine Spe­zia­li­tät von Phil­ipp Kie­fer. Die Tat­sa­che, dass sei­ne Mut­ter mir dazu Sau­ma­gen mit Rahm­kraut und Stampf­kar­tof­feln ser­vier­te, zeigt, dass def­ti­ge Gerich­te, für die die Pfalz ja berühmt ist, unbe­dingt gehalt­vol­le Wei­ne ver­lan­gen. Bei den Kie­fers kriegt sie, wer will.

Die Ambrosia-Weine sind geschmeidig und elegant

Ganz anders dage­gen die Spit­zen­wei­ne des Hau­ses, die unter der Mar­ke „Ambro­sia“ lau­fen. Hier geht Kie­fer nicht auf Fül­le und Üppig­keit, son­dern auf Viel­schich­tig­keit. Der im Bar­ri­que ver­go­re­ne Char­don­nay ist kno­chen­tro­cken, hat trotz­dem (rela­tiv) wenig Alko­hol und kei­nen bio­lo­gi­schen Säu­re­ab­bau durch­ge­macht. Er wirkt fast karg gegen die sin­nen­fro­hen Orts­wei­ne, hat aber über die Jah­re gezeigt, dass er sich sehr gut auf der Fla­sche ver­fei­nert. Noch inter­es­san­ter fin­de ich aller­dings den Pinot Blanc, den Kie­fer zusam­men mit sei­nem Cou­sin Domi­nic Stern aus dem Nach­bar­ort Hoch­stadt macht: ein geschlif­fe­ner, von sub­li­mer Mine­ra­lik und fei­nen Kara­mell­no­ten gepräg­ter Weiss­bur­gun­der, der eben­falls im Bar­ri­que ver­go­ren wird und lan­ge auf der Hefe gele­gen hat. Er wird nicht unter „Ambro­sia“, son­dern „PinoT­i­mes“ ver­mark­tet (€ 16,90).

Der Star ist der Guckuckberg

Ganz oben mit­spie­len will Kie­fer mit zwei Ries­lin­gen aus his­to­ri­schen Lagen von St. Mar­tin: Kirch­berg und Guckuck­berg. Bei­de lagen jah­re­lang brach, bevor sei­ne Fami­lie sie 2012 erwarb. Teils waren sie ver­buscht, teils ver­wal­det und muss­ten erst­mal gero­det, dann ter­ras­siert und schliess­lich neu bestockt wer­den. In die­sen bei­den Steil­la­gen sehen die Kie­fers ihre Zukunft als Spitzenwein-Erzeuger in der Süd­pfalz. Der Kirch­berg Ries­ling ist ein straff gewo­be­ner, gelb­fruch­ti­ger Wein mit fei­nen Grape­fruit­no­ten und einer sehr sport­li­chen Säu­re (€ 16,90). Der Star aber ist der Guckuck­berg Ries­ling: ein von sub­li­mer Mine­ra­lik gepräg­ter, cre­mi­ger Wein mit gros­sen Span­nungs­bo­gen, von dem auch Kie­fer noch nicht genau weiss, wie er sich ent­wi­ckelt. 2016 war der ers­te Jahr­gang, den er auf die Fla­sche brach­te (€ 22,90). Bei­de Ries­lin­ge wer­den spon­tan ver­go­ren und in 500 Liter-Tonneaux aus Allier­ei­che aus­ge­baut. „Ich mach es, weil es mir so schmeckt“, begeg­net er Ein­wän­den von Leu­ten, die mei­nen, Ries­ling dür­fe kein neu­es Holz sehen. So viel ist klar: Bei­de Lagen-Rieslinge sind für ein län­ge­res Leben kon­zi­piert. Wer sie 2025 trinkt, wird belohnt. Wer jetzt sei­nen Spass haben will, soll­te bei den Orts­wei­nen bleiben.

Kommentar hinzufügen

Antwort schreiben