Die Prowein ist nicht die größte, aber vielleicht die wichtigste Weinmesse der Welt. Warum? Weil auf ihr nicht nur die große Weinindustrie vertreten ist, sondern auch das Heer der kleinen Winzer und Weingüter ausstellen kann, das sonst keine Chance hätte, sich Händler und Gastronomen zu präsentieren.
Die Düsseldorfer Weinmesse hat sich so zu einer quicklebendigen, gleichwohl disziplinierten und höchst effizienten Veranstaltung entwickelt. Kurz: Die Prowein 2011, die Dienstag dieser Woche zu Ende gegangen ist, war wichtig.
So wichtig, dass Troy Christensen, Vorstandvorsitzender von Constellation, des größten Getränkeherstellers der Welt, extra aus Amerika einflog, um zu erleben, wie es auf dem hart umkämpften Weinmarkt derzeit zugeht. Dass Peter Sisseck, der aus Dänemark stammende und in Spanien arbeitende Schöpfer des Kultweins Pingus, sich persönlich die Ehre gab. Dass Neuwinzer Günther Jauch eigenhändig seinen Mosel-Riesling ausschenkte.
Andere Prominente kamen mehr zum Probieren nach Düsseldorf. Sterne-Koch Hans-Stefan Steinheuer aus Bad Neuenahr zum Beispiel, der seine Weinkarte auffrischen möchten. Nia Künzer, Weltmeisterin der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft und jetzige ARD-Kommentatorin, die sich für alkoholfreien Wein interessierte. Michael Skibbe, gerade geschasster Trainer von Eintracht Frankfurt, der die neue Freiheit genoss und sich Brunello di Montalcino und Nero d’Avola schmecken ließ.
Und abends wurde gepartyt, im „Schorn“, bei „Berens am Kai“, im „Hummerstübchen“ und im „Tanzhaus“, bei „Tante Anna“ oder in irgendeiner anderen Lokalität in der Düsseldorfer Altstadt.
„Billig war gestern“ lautete das Motto, mit dem die Zeitschrift „Weinwirtschaft“ das wirtschaftliche Umfeld der Prowein 2011 charakterisiert hatte, und wenn die Zeichen nicht trügen, dann sind die Konsumenten tatsächlich bereit, beim Wein wieder mehr Geld auszugeben als in den Vorjahren. Müssen sie auch. Denn in Skandinavien, Belgien, Osteuropa, wachsen neue Märkte heran, auf denen Menschen agieren, die anspruchsvoll und gar nicht knauserig sind.
Ganz zu schweigen von den überseeischen Nationen. Japan und China, Stammgäste auf der Prowein, waren bisher nicht dafür bekannt, als Sieger aus dem Wettbewerb um den billigsten Wein hervorgehen zu wollen. Gleiches gilt für Kanada, Brasilien und Indien, deren Einkäufer erstmals in Düsseldorf gesichtet wurden. Auch sie möchten ein bisschen was abhaben vom großen Kuchen, der jedes Jahr verteilt wird.
Die Nachfrage steigt wieder, und sie globalisiert sich. Die Frage stellt sich also, welche Rolle Deutschland im Konzert der Konsumnationen künftig spielt. Die gleiche, wichtige Rolle wie bisher? Oder überlassen die Deutschen den neuen Konsumnationen das Feld? Natürlich nicht. Deutschland wird sich nicht aus dem Weinmarkt verabschieden. Aber wenn die mitgeteilten Eindrücke vieler in- und ausländischer Weinerzeuger auf der Prowein 2011 zutreffen, sind zumindest Teile des Weinfachhandels gerade dabei, wichtige Veränderungen zu verschlafen. Die wichtgste: Geiz ist nicht mehr geil. Die zweitwichtigste: Wer auf gleichem Niveau trinken will wie bisher, muss seinen Geldbeutel weiter aufmachen. Sonst schnappen sich andere den besten Teil des Kuchens.
Wichtig wäre deshalb, dass das Motto „Billig war gestern“ auch in den Köpfen der Weinfachhändler ankommt. Doch leider scheint das nicht der Fall zu sein. Erschreckend, wie viele Fachhändler auf der Prowein 2011 immer noch auf jenen zeitgeistigem Trash abfahren, der als „leicht“, „secco“, „jugendlich“ den Markt überflutet und Geschmackserlebnisse bietet wie ein Brötchen mit Analogkäse. Die mit Eifer nach der fünfzigsten Kopie eines Erfolgsweins fahnden, weil diese ein paar Cent billiger sein könnte als das Original. Oder die überhaupt nur nach Billigheimern Ausschau halten, weil man diese für 1,80 Euro einkaufen und für 7,90 Euro verkaufen kann – ummäntelt mit einer wohlklingenden, erfundenen Legende („liegt direkt neben dem Grand Cru…ist von dem Rothschild-Önologen gemacht…hat fast so viel Punkte wie ein Pétrus bekommen“). „Deppenaufschlag“ heißt diese Preispolitik übrigens branchenintern.
Wer so eine Preispolitik fährt, muss wissen, dass er den einen Teil seiner Kunden an die angebotsmäßig besser aufgestellte Konkurrenz verliert, den anderen Teil den Discountern in die Arme treibt. Denn „Billig“ können diese besser. Und natürlich ist „Billig“ für große Teile der weinkonsumierenden Bevölkerung noch immer aktuell. Das beweist eine Mitteilung der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), die kurz vor der Prowein 2011 verbreitet wurde. Danach sind die Billig-Discounter beim Wein im Vormarsch: 48 Prozent aller Weine, die 2010 in Deutschland gekauft wurden, wurden bei Discountern gekauft (2009: 47 Prozent).
In der EU ist jeder fünfte Liter Wein unverkäuflich und wird deshalb staatlich aufgekauft und zu Industriesprit verarbeitet. Die neue Weinkampagne für Preise ab 5 Euro pro Flasche ist etwas für Idioten, ein guter Wein muß nicht mehr als zwei Euro kosten. Mit der 5 Eurogrenze soll dem Verbraucher eigeredet werden, daß Qualität nur ab dieser Preisgrenze zu haben ist. In Wirklichkeit wird versucht das untere Preisniveau von 2 Euro auf 5 Euro hochzuschrauben.
Prost Mahlzeit!!!
Pointiert, meinungssicher, unterhaltsam! Besser kann man die Prowein nicht zusammenfassen! Wie immer ist es ein Vergnügen Texte vom “Meister aller Weinkenner “zu lesen… Lg mü