Le Pavillon von der Domaine de Boède: Macht Spaß, ist aber kein Spaßwein!

Oscar Wilde hatte einen einfachen Geschmack: immer nur das Beste. Wie langweilig! Jens Priewe findet, dass das Zweitbeste manchmal das Bessere ist.

Der Rot­wein, den ich hier emp­feh­le, ist mit Sicher­heit nicht der Bes­te der Welt. Er ist nicht ein­mal der Bes­te des Wein­guts, das ihn erzeugt. Aber das hät­te Oscar Wil­de, der iri­sche Dich­ter und Dan­dy (1854 – 1900), gar nicht bemerkt – da bin ich mir sicher. Er hät­te ihn für den bes­ten gehal­ten, wenn es ihm jemand  ein­ge­flüs­tert hät­te. Denn von Wein ver­stand er so wenig wie von Frau­en, Reli­gi­on, Astro­lo­gie, Ver­bre­chen, obwohl er sich in sei­nem (kur­zen) Leben zu allem wort­reich geäu­ßert hat.

Das Tannin hält sich diskret im Hintergrund

Le Pavil­lon heißt der Rot­wein, und die Trau­ben, aus denen er gekel­tert ist, waren für den Spit­zen­wein der Domaine de Boè­de nicht gut genug. Das kann man ganz ehr­lich sagen. Aber was heißt das? Es bedeu­tet, dass Le Pavil­lon kein Mons­t­er­wein, kein 100 Punkte-Gewächs, auch kein fei­er­li­cher Wein, son­dern ein­fach nur ein guter Wein ist. Er ist schlank, besitzt viel Frucht, das Tan­nin hält sich dis­kret im Hin­ter­grund. Man braucht nicht mona­te­lang, schon gar nicht jah­re­lang war­ten, bis er sei­ne Trink­rei­fe erreicht. Er hat sie bereits. Man kann ihn auch jetzt schon easy geniessen.

Quel­le: Cha­teau la Negly

Besser als er von Amts wegen sein sollte

Er ist nicht super­kon­zen­triert wie der Spit­zen­wein der Domaine de Boè­de. Nicht toas­tig oder holz­las­tig, weil nur im Edel­stahl­tank, nicht in Bar­ri­ques aus­ge­baut. Er duf­tet nach Cas­sis, Ros­ma­rin, Wachol­der, Lakritz und schmeckt nach fri­schen schwar­zen Johan­nis­bee­ren, nicht nach Mar­me­la­de, wie so man­cher über­rei­fe Rot­wein aus dem hei­ßen Süden Frank­reichs. Man muß, bevor man eine Fla­sche öff­net, kei­ne Kra­wat­te anle­gen und in kein Abend­kleid schlüp­fen. In Jeans schmeckt er wahr­schein­lich bes­ser. Vor allem muß man kei­ne dicke Brief­ta­sche mit sich füh­ren, um ein paar Fla­schen zu erste­hen. Er kos­tet im Schnitt nur unwe­sent­lich mehr als eine Packung Ziga­ret­ten (ist aber wesent­lich gesün­der). Offi­zi­ell ist der Le Pavil­lon ein Vin de Pays d’Oc, ein ein­fa­cher süd­fran­zö­si­scher Land­wein. Doch wie man­ches Exem­plar die­ser Kate­go­rie ist auch er weit bes­ser, als er von Amts wegen sein sollte.

Quel­le: Cha­teau la Negly

Dicht am Mittelmeer gewachsen

Die Fran­zo­sen lie­ben ihre Land­wei­ne. Sie trin­ken sie zu einer Dau­be (einer Art Gulasch), einem Stück Baguette mit Tapen­a­de (Oli­ven­pas­te), einer Bouil­la­baisse (sämi­ge Fisch­sup­pe) – aber 14°C kühl und nicht 20°C zim­mer­warm. Ich stel­le mir den Le Pavil­lon auch gut zu Chi­li con Car­ne, Hüh­ner­fri­ka­ssé, Käse­spätz­le, Flamm­ku­chen, gefüll­ter Pita vor, oder zu wür­zi­gen Käsesorten.

Le Pavil­lon ist haupt­säch­lich aus Cin­sault gewon­nen. Sie ist neben Carignan, Mou­vèd­re, Gren­ache und Syrah eine typisch süd­fran­zö­si­sche Trau­ben­sor­te und wird an den Hän­gen der La Clape-Berge (vor den Toren von Nar­bon­ne in unmit­tel­ba­rer Nähe des Mit­tel­meers) viel ange­baut. Dort befin­den sich auch die Wein­ber­ge der Domaine de Boè­de. Sie wur­de im Jah­re 2000 vom nahe gele­ge­nen (und wesent­lich bekann­te­ren) Châ­teau de la Négly aufgekauft.

Quel­le: Domaine de Boède

Nichts für Salatpicker und Rohkost-Afficionados

Bei den inter­na­tio­na­len Wein­kri­ti­kern ist der Wein über­ra­schend gut ange­kom­men, obwohl die­se nor­ma­ler­wei­se nur Lob­lie­der auf schwe­re, hoch­kom­ple­xe, teu­re Wei­ne sin­gen. Viel­leicht liegt es dar­an, dass er nicht nur weich, rund, har­mo­nisch, unkom­pli­ziert ist, son­dern auch Sub­stanz besitzt. Das macht ihn, auch wenn er nicht von den ältes­ten Reb­stö­cken kommt, zu einem seriö­sen Wein, den zu trin­ken zwar Spaß macht, der des­we­gen aber kein Spaß­wein ist. Schwer ist er mit 14 Vol.% Alko­hol übri­gens auch – also nichts für Salat­pi­cker und Rohkost-Afficionados. Aber 14 Vol.% sind immer noch weni­ger als 15,5 Vol.% Alko­hol, wie ihn der Spit­zen­wein der Domaine de Boè­de auf­weist. Den hät­te sich – wür­de er noch leben – bestimmt der Mann mit dem ein­fa­chen Geschmack ein­ver­leibt, arg­los ver­mut­lich, und in Strö­men, obwohl es damals noch kein Aspi­rin gab.


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