Der Jahrgang 2019 ist wieder ein heißer gewesen – auch in Österreich. Doch die Trockenheit war nicht so groß wie im Vorgängerjahr. Außerdem kühlte es Ende August/Anfang September nachts vielerorts stark ab, was verhindert hat, dass die Säure in den Beeren zu stark veratmet wurde. Deshalb sind die 2019er spektakulärer als die 2018er, die oftmals alkoholisch, säurearm und nicht immer ganz balanciert sind. Das zeigt sich besonders an den Spitzengewächsen, die in 2019 neben der hohen Reife einen großen Spannungsbogen mitbringen, der für mehr Frische sorgt und es möglich macht, Bodenunterschiede und Terroir-Noten herauszuarbeiten.
Eines der kühleren Weinanbaugebiete Österreichs
Dieses Jahr habe ich mich auf die Weißweine des Kamptals konzentriert, das neben dem benachbarten Weinviertel das kühlste Anbaugebiet in Österreich ist (wenngleich es auch dort manch warme Kessellage gibt). Wegen seiner Donau-abgewandten Lage ist das Kamptal nicht so stark den warmen pannonischen Luftströmungen ausgesetzt wie der Wagram oder Teile von Krems und der Wachau. Grüner Veltliner und Riesling sind die Leitsorten des Anbaugebiets. Beide Weine sind die einzigen, die dort DAC-Status besitzen. Wie in den benachbarten Anbaugebieten auch, steht der Grüne Veltliner auf Löss und Gneis, während der Riesling auf Sandstein, Arkose, Silt und anderen Urgesteinen wächst.
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Nur wenige sind auserwählt: die Ersten-Lagen der Traditionsweingüter
Im Frühherbst letzten Jahres hatte ich Gelegenheit, die Rieslinge und Grünen Veltliner aller Ersten Lagen der Österreichischen Traditionsweingüter (ÖTW) zu probieren – einer Art Eliteclub unter den Weingütern des Landes mit strengen Richtlinien für die Produktion und einer eigenen Lagen-Klassifizierung, die – ähnlich den Großen Gewächse des VDP – auf Bodenzusammensetzung und Mikroklima basiert. Im diesem ersten Teil fokussiere ich mich auf die Ersten Lagen-Gewächse vom Grünen Veltliner, in einem folgenden zweiten Teil auf die vom Riesling. Soviel kann ich vorweg sagen: Die Trauben waren 2019 in der Regel kerngesund. Fäule, die ausgelesen werden musste, hat es so gut wie gar nicht gegeben (im Gegensatz zu 2020). Dank der kühlen Nächte besitzen die Weine eine lebendige Säure, was besonders beim Grünen Veltliner wichtig ist, weil die Weine dazu sonst in Gefahrt laufen, breit und fett zu werden. Gerade dieser „Paradesorte“, wie sie im Nachbarland genannt wird, machen Hitzejahre oft zu schaffen,
Immenses Trinkvergnügen für Anspruchsvolle und Geduldige
Auch wenn die Riedenweine derzeit noch jung sind, so blitzt vielfach doch schon ihre ganze Klasse auf. Mit ihren raffinierten Terroir-Noten sind diese Grünen Veltliner weit entfernt vom fruchtig-schmalzigen Einerlei, das viele Mainstream-Weine in den unteren Qualitätssegmenten charakterisiert. Die 2019er werden nach meiner Schätzung spätestens ab 2025 ein immenses Trinkvergnügen bereiten, das bei den Besten der Besten vermutlich bis 2040 garantiert ist. Die meisten Erste-Lagen-Weine sind in den letzten Monaten in den Handel gekommen und somit noch vorrätig. Einige Weine werden sogar erst 2021 freigegeben.
2019 Grüner Veltliner Erste Lagen (Riedenweine)
Weingut | Lage (Riede) | Wein | Bewertung |
Hirsch, Kammern | Ried Lamm | weit ausholender GV, kraftvoll im Körper, komplex in der Aromatik, reich an Schmelz mit Anklängen an Früchtetee, Sellerie, Humus, dabei straff gewirkt und perfekt ausbalanciert: in 2019 der Spitzen-GV des Gutes | 95 |
Hirsch, Kammern | Ried Grub | nur wenige GV zeigen so viele erdige, salzige, exotisch-würzige Noten wie der aus der Riede Grub, alles sehr dezent, nie laut, könnte deshalb unterschätzt werden: hat Fleisch auf den Knochen. | 94 |
Schloss Gobelsburg, Kammern | Ried Lamm | eher elegant als mächtig, trotzdem mit viel Schmelz, reicher Frucht und feinen Würznoten von Petersilie, dabei cremig und intensiv: hinreissender GV | 94 |
Bründlmayer, Langenlois | Ried Käferberg | eher dezente Frucht, dafür Granitnoten und viel Phenolik: ein GV mit breiten Schultern, fast das Volumen eines Rotweins | 94 |
Bründlmayer, Langenlois | Ried Lamm | ein GV der besonderen Art: nicht ausladend, sondern anmutig.schlank, dabei von großer Armentiefe, Granny Smith, Naphtalin, Minze – ein Wein von kühler Eleganz für Kenner | 94 |
Jurtschitsch, Langenlois | Ried Lamm | der mineralischste GV des Weinguts, vielschichtig und facettenreich, dabei cremig und von reifer, fruchtiger Säure durchzogen | 93 |
Jurtschitsch, Langenlois | Ried Käferberg | auf magerem Granitboden gewachsener, „entfetteter“ GV, fast puristisch-schlank mit vielen mineralischen Facetten | 93 |
Hirsch, Kammern | Ried Gaisberg | der saftigste der vier GV des Gutes, Spontinoten in der Nase, aber auch rauchige Noten, beste Substanz, noch reifebedürftig: viel Finesse | 93 |
Hirsch, Kammern | Ried Renner | bestens mit Frucht und Würze ausgestatteter GV, vollmundig, saftig, sauber und präzise, ein Hauch von Limetten und Papaya im Hintergrund: begeisternd | 93 |
Schloss Gobelsburg,, Kammern | Ried Grub | sehr würziger, fast pikanter GV, pralle Frucht mit vielen Melonen-, Mango- und Ananasnoten und rauchiger Mineralität: toller Wein | 93 |
Schloss Gobelsburg, Kammern | Ried Renner | mächtiger, vor Fülle fast berstender GV, druckvoll am Gaumen mit reifem Apfel, Mandarinenschale, frischer Honigmelone: der üppigste GV des Gutes | 93 |
Fred Loimer | Ried Käferberg | stoffiger, reicher GV, der im Inneren jedoch filigran ist und mit vielen „grünen“ und vegetabilen Facetten aufwartet: im Moment noch verhalten, jedoch mit riesigem Potenzial | 93 |
Jurtschitsch | Ried Schenkenbichl | feinfruchtiger, geschmeidiger GV ohne große Fülle, aber mit viel Finesse: Noten von Kafirblättern, Teeblüten, Rauchsalz und Petersilienwurzeln | 93 |
Bernhard Ott, Feuersbrunn | Ried Stein | feinstrahliger, sehr sorgfältig vinifizierter Wein, langes Hefelager, entsprechend cremig, mit Ananas, Maracuja und Honigmelone und markanter Pastinaken-Würze in der Nase: elegant, fast anmutig | 93 |
Hiedler, Langenlois | Ried Schenkenbichl | GV von altem Reben aus einer hoch gelegenen Riede, raffinierte Würze mit Fenchel und grünem Tee, Quitten-Schmelz und zarter Rauchnote, sehr gelungen | 92 |
Jurtschitsch, Langenlois | Ried Dechant | zupackend, spannungsreich, saftig-elegant: vielleicht nicht der größte der fünf GV aus Ersten Lagen, dennoch sehr überzeugend | 92 |
Hiedler, Langenlois | Ried Kittmannsberg | sehr klassischer GV, nicht überladen, aber auch nicht puristisch, sondern gut balanciert mit feiner Würze von weißem Pfeffer, Anis, Sellerie und einer zarten Holznote | 92 |
Allram,Straß | Ried Renner | saftiger, präziser GV eines ehrgeizigen Erzeugers, der viel fruchtigen Schmelz mitbringt, aber auch reichlich mineralisch-würzige Noten aufweist: viel Finesse | 92 |
Allram, Straß | Ried Gaisberg | opulent, reich, extraktsüß: ein geschliffener GV mit gelben Früchten und grünen Würzaromen, alkoholschwer, aber nicht behäbig | 91 |
Jurtschitsch, Langenlois | Ried Loiserberg | ein GV von kühler Eleganz, dabei fast leichtfüssig mit schönem Säurespiel, großes Potenzial | 91 |
Birgit Eichinger, Straß | Ried Lamm | satte, vielschichtige Frucht mit gelben Pflaumen, Orangen und weißem Nougat, dazu ein feiner Honigton: breiter, gewichtiger GV, im großen und im kleinen Holzfass ausgebaut | 91 |
Johann Topf, Straß | Ried Gaisberg | ein GV von disziplinierter Fülle, der von seinem fruchtigen Schmelz (von reifem Apfel bis Maracuja) und seiner frischen Säure lebt: kräftig im Alkohol, doch präzis, klar, ohne Schwere. | 91 |
Bründlmayer, Langenlois | Ried Loiserberg | das kleinste von Bründlmayers Erste Lagen-Gewächsen vom GV, aber sehr fein mit viel Hefe in der Nase, am Gaumen saftig und eher salzig als fruchtbetont, anspruchsvoll | 91 |
Fred Loimer | Ried Loiserberg | Loimers Einstiegswein ins Lagen-Segment: herzhafter, fruchtig-schmelziger GV mit vielen Würz- und Bodennoten, schon jetzt mit Vergnügen zu trinken | 91 |
Johann Topf, Straß | Ried Offenberg | breit angelegter GV aus einer warmen Lage, entsprechend reife Frucht mit vielen exotischen Facetten, dabei überraschend frisch und vibrierend, leicht restsüss im Abgang | 91 |
Leindl, Zöbing | Ried Seeberg | reich ausgestatteter GV aus einem jungen Betrieb, schmelzige Frucht mit teilweise exotischem Einschlag, auffallend schöne Säure, sehr trocken | 91 |
Ludwig Ehn, Langenlois | Ried Spiegel „Titan“ | wer keine Angst vor 15,5 %Vol. hat, wird sich mit dem Titan schnell anfreunden: trotz aller Fülle ein cremiger GV mit zarter Frucht und tabakiger Würze, nichts für Filigrantrinker | 91 |
Dolle, Straß | Ried Gaisberg | stoffiger Wein mit Birne und Anklängen von tropischen Früchten, sehr sauber, gute Balance, unschlagbares Preis-/Leistungsverhältnis, schon antrinkbar | 90 |
Steininger, Langenlois | Ried Kittmannsberg | sauberer, geradliniger GV, stoffig ja, aber nicht zu breit oder gar barock, viel Apfel, Limette und Ananas in der Nase, am Gaumen fest und straff | 90 |
Birgit Eichinger, Straß | Ried Gaisberg | kraftvoller GV, doch von gebremster Fülle: delikate Frucht von Aprikosen und Limetten, zarte Säureader, schon jetzt antrinkbar | 90 |
Steininger, Langenlois | Ried Kogelberg „Terrassen“ | der Spitzen-GV des Sekt-Spezialisten Steiniger: saftig, üppig, mit praller Frucht und feiner weißer-Pfeffer-Würze, süßlich-schmelzig | 90 |
Brandl, Zöbing | Ried Lamm | wuchtiger GV mit 15 % Vol. Alkohol, vollgepackt mit reifen gelben und exotischen Früchten, kräftige Würznoten, macht mächtig Druck am Gaumen | 90 |
Steininger, Langenlois | Ried Lamm | opulenter GV mit reifer Frucht, die den Wein zwar attraktiv macht, aber Terroir-Noten verdeckt: durch Extraktsüße und eine zusätzliche leichte Restsüße zu gefällig | 89 |
Brandl, Zöbing | Ried Kogelberg | alkoholschwerer GV mit viel Fruchtschmelz, moderater Säure, dezenter Mineralik: Mainstream, begrenztes Reifepotenzial | 89 |